Nicht geschäftsführender Alleingesellschafter und Verfahrensart

  • Hallo zusammen,

    ich habe hier ein Antragsverfahren, in dem die Schuldnerin Alleingesellschafterin einer GmbH ist. Sie ist jedoch nicht Geschäftsführerin. Der Geschäftsbetrieb der GmbH läuft noch.

    Gilt die Schuldnerin als Selbständige gem. § 304 InsO? Die Urteile des BGH IX ZB 55/04 sowie IX ZB 215/08 betreffen ja jeweils geschäftsführende Gesellschafter. Die einzigen Verbindlichkeiten resultieren aus der eigenen freiwilligen Krankenversicherung der Schuldnerin. Es gibt also keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen. Ist die Schuldnerin jetzt in analoger Anwendung der Rechstprechung als Selbständige anzusehen bzw. gibt es ev. Urteile zur Frage bei nichtgeschäftsführenden Gesellschaftern? Ich tendiere insbesondere aus der Argumentation des BGH in IX ZB 55/04 (Durchgriffshaftung bei GF-Gesellschafter) dazu, hier e contrario keine Selbständigkeit anzunehmen.

  • Wenn Du den Müko zur Inso zur Hand hast, schau mal da. Da wird für den GbR-Gesellschafter recht ausführlich dargelegt, dass das ganze Verfahren eher die Struktur einer Unternehmensinsolvenz hat. Daran würde ich mich argumentativ halten.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Die einzigen Verbindlichkeiten resultieren aus der eigenen freiwilligen Krankenversicherung der Schuldnerin. Es gibt also keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen.


    Wenn das mit den "einzigen" Verbindlichkeiten wörtlich zu nehmen ist und es feststeht, also auch Umstände wie in IX ZB 55/04 Rn 15 (Durchgriffshaftung, Bürgschaften) eindeutig nicht vorliegen, dann m.E. kein Regelverfahren.

    Zitat von IX ZB 215/08 Rn 5 aE

    Entspricht die Verschuldungsstruktur des Mehrheitsgesellschafters und Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH nicht derjenigen eines Selbständigen, gibt es insbesondere nicht mehr als 20 Gläubiger und bestehen keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen, finden die Regelungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens Anwendung (§ 304 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO).

    Das sollte doch erst recht gelten, wenn der Mehrheitsgesellschafter nichtmal GF ist.

    Wie geht's denn der GmbH? Wenn die keine wirtschaftlichen Probleme hat, kommt Haftung für Gesellschaftsschulden ja nicht in Betracht.

    Einmal editiert, zuletzt von zonk (22. Mai 2012 um 19:18)

  • Die alleinige Gesellschafterstellung würde ich eher als eine Art Vermögensverwaltung sehen. Da steckt wenig unternehmerische Verantwortung drin.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die einzigen Verbindlichkeiten resultieren aus der eigenen freiwilligen Krankenversicherung der Schuldnerin. Es gibt also keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen.


    Wenn das mit den "einzigen" Verbindlichkeiten wörtlich zu nehmen ist und es feststeht, also auch Umstände wie in IX ZB 55/04 Rn 15 (Durchgriffshaftung, Bürgschaften) eindeutig nicht vorliegen, dann m.E. kein Regelverfahren.

    Zitat von IX ZB 215/08 Rn 5 aE

    Entspricht die Verschuldungsstruktur des Mehrheitsgesellschafters und Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH nicht derjenigen eines Selbständigen, gibt es insbesondere nicht mehr als 20 Gläubiger und bestehen keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen, finden die Regelungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens Anwendung (§ 304 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO).

    Das sollte doch erst recht gelten, wenn der Mehrheitsgesellschafter nichtmal GF ist.

    Wie geht's denn der GmbH? Wenn die keine wirtschaftlichen Probleme hat, kommt Haftung für Gesellschaftsschulden ja nicht in Betracht.

    Tja, angabegemäß soll die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sein. Allerdings wurden bisher keinerlei GmbH-Unterlagen zur Verfügung gestellt, so dass ich das bzw. die Werthaltigkeit des Gesellschaftsanteils bislang nicht überprüfen kann.

    Trotzdem schonmal danke für Eure Meinungen. Bestärkt meine Tendenz.

  • War die Schuldnerin auch in dieser GmbH tätig? Ist faktische Geschäftsführung der Schuldnerin ausgeschlossen?

    Bei einer reinen Gesellschafterposition ist die GmbH nur Vermögensbestandteil.

    VG
    Hasso

  • War die Schuldnerin auch in dieser GmbH tätig? Ist faktische Geschäftsführung der Schuldnerin ausgeschlossen?

    Bei einer reinen Gesellschafterposition ist die GmbH nur Vermögensbestandteil.

    VG
    Hasso



    dies würde ich der AST nicht in den Mund legen......

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Ich halte die unverändert aktiven (nicht ehemaligen) Alleingesellschafter einer GmbH für einen insolvenzrechtlich Selbständigen/Unternehmer und würde ins IN-Verfahren gehen.

    Kompliziert nachdenken würde ich erst, wenn die Beteiligung als Alleingesellschafter geendet hat oder er Minderheitsgesellschafter geworden ist.

    Aber wirklich zwingend ist das nicht; ******

  • Ich halte die unverändert aktiven (nicht ehemaligen) Alleingesellschafter einer GmbH für einen insolvenzrechtlich Selbständigen/Unternehmer und würde ins IN-Verfahren gehen.

    Wie könnte man das argumentieren?

    Ich denke gerade an den Opa, der gemütlich auf der Terrasse in der Sonne schaukelt und Schwiegersohn ist GF auf Bewährung. Daher hält Opi noch alle Anteile, um die Familie im Falle eines Fehlgriffs vor dem Schlimmsten zu bewahren.

    VG
    Hasso

  • Man könnte das mit der Verfahrensstruktur erklären. Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist meines Erachtens dadurch gekennzeichnet, dass die Probleme gering, der Aufwand gering und die Handlungsmöglichkeiten des Treuhänders beschränkt sind. Wenn ich Gesellschaftsbeteiligungen habe, wird das Verbraucherinsolvenzverfahren den dortigen Problemen eher weniger gerecht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Man könnte das mit der Verfahrensstruktur erklären. Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist meines Erachtens dadurch gekennzeichnet, dass die Probleme gering, der Aufwand gering und die Handlungsmöglichkeiten des Treuhänders beschränkt sind. Wenn ich Gesellschaftsbeteiligungen habe, wird das Verbraucherinsolvenzverfahren den dortigen Problemen eher weniger gerecht.

    Hmm ... die GmbH ist wohl nicht notleidend, somit keine damit zusammenhängende Probleme. Es ginge also nur um die Bewertung der Anteile. Der Rest ist ja wieder aus dem privaten Dunstkreis, richtig?

    Ich will nicht mäkeln, bin nur neugierig.

    VG
    Hasso

  • Bewertung und Verwertung von GmbH-Anteilen halte ich nicht für eine ganz einfache Sache

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  • Bewertung und Verwertung von GmbH-Anteilen halte ich nicht für eine ganz einfache Sache

    Das ist beides richtig. Aber es müsste doch sowohl bei IN als auch bei IK gemacht werden. Gibt es bei IK-Verfahren hinsichtlich der Behandlung der Anteile Unterschiede? Ich habe ausschließlich mit IN-Verfahren zu tun.

    VG
    Hasso

  • also da bin und bleibe ich hartliner. Wer nur Gesellschaftsanteile hält, ist nicht selbständig. Jeder der privat an der Börse zockt, ist kein Selbständiger.
    Demnächst noch: ich hab da mal was bei lehmann gehabt, da hab ich ja einen Schadenersatzanspruch, sowas ist kompliziert, daher IN.... hm, steht eben nicht im Gesetz, nur wenn es kompliziert wird = IN-Verfahren

    Viele Schuldner wollen lieber das IN-Verfahren; auch wenn sie nach § 13 InsO n.F. eine Vollständigkeitserklärung bezüglich der Gläubiger abgeben müssen, sind dort Auslassungen nicht gleich toxisch wie im IK-Verfahren. Desweiteren wollen sie meist kurz vor der Offenbarungsversicherung stehend, diese verhindern. Sie wollen sich häufig nicht einer Aufarbeitung mit einer Schuldnerberatung stellen. Hm, alles ganz toll, aber sowas von egal.

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  • Defaitist
    Wenn ich Deinen Post richtig verstehe, gibt es im IK-Verfahren nur geänderte Rahmenbedingungen, die Behandlung der Anteile an sich wäre gleich?

    Ergänzend will ich noch sagen, dass es in der Praxis gar nicht so selten vorkommt, dass jemand, der nur Anteile hält, wie ein Selbständiger behandelt wird. Angelpunkt sind hier dann die Kriterien der faktischen GF. Die meisten machen dann dicke Augen wegen der Durchgriffshaftung und der strafrechtlichen Komponenten, wenn sie von uns gesagt bekommen, seit exakt welchem Tag (der meist Monate, wenn nicht Jahre vor dem Antrag liegt) der Laden insolvenzantragspflichtig war.

    VG
    Hasso

  • Defaitist
    Wenn ich Deinen Post richtig verstehe, gibt es im IK-Verfahren nur geänderte Rahmenbedingungen, die Behandlung der Anteile an sich wäre gleich?

    Ergänzend will ich noch sagen, dass es in der Praxis gar nicht so selten vorkommt, dass jemand, der nur Anteile hält, wie ein Selbständiger behandelt wird. Angelpunkt sind hier dann die Kriterien der faktischen GF. Die meisten machen dann dicke Augen wegen der Durchgriffshaftung und der strafrechtlichen Komponenten, wenn sie von uns gesagt bekommen, seit exakt welchem Tag (der meist Monate, wenn nicht Jahre vor dem Antrag liegt) der Laden insolvenzantragspflichtig war.

    VG
    Hasso

    Na gleich sind IN und IK Verfahren nach Eröffnung nicht. Abweichend wäre wenn der Gesellschaftsanteil verpfändet wäre, da müsste dann schon etwas anders mit umgegangen werden.

    Zu den sonstigen Ausführungen von Dir: da würd ich als Gericht erstmal die GmbH-InsO-Akte beiziehen. Sollte der betreffende seine faktische GF-Eigenschaft dort dauerhaft bestritten haben.... . War jemand als faktischer tätig, ließe sich dies dann als selbständige Tätigkeit einordnen, wenn er auch Alleingesellschafter war oder Gesellschafter zu einem gewissen %-satz der Anteile.
    Die reine GF-tätigkeit, und sei es auch faktisch reicht nicht aus. Zwar sind GF keine Arbeitnehmer i.S.d. AGG, aber damit sind sie auch keine Selbständigen., mit der Last Angestelllte der höheren Art zu sein, müssen sie auch insolvvenzrechtlich klarkommen. Die Gerichte sehen das allerdings differenziert, da will ich keinen Hehl draus machen. Wir sind eher da eher streng drin. In der Beratungspraxis sollte man wissen wie das Gericht "tickt"; klar lässt sich alles irgendwie begründen..... :D

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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    :daumenrau


  • Abweichend wäre wenn der Gesellschaftsanteil verpfändet wäre, da müsste dann schon etwas anders mit umgegangen werden.

    Ok, danke. Wie gesagt, mit IK hatte/habe ich nichts zu tun.


    Sollte der betreffende seine faktische GF-Eigenschaft dort dauerhaft bestritten haben....

    Wenn jemand seine faktische Geschäftsführerschaft - möglicherweise konsistent - bestreitet, ist das für den Nachweis ohne Belang. Wenn er/sie fakt. GF war, gibt es in den Beziehungen zu Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Banken, Steuerberater genügend verwertbare Belege.

    VG
    Hasso

  • Eigentlich kann man den Meinungsstand gut der benannten Entscheidung BGH in IX ZB 55/04 entnehmen:
    Meinung 1:
    Gesellschafter von Kapitalgesellschaften und Geschäftsführer einer GmbH üben als solche grundsätzlich keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit aus (BGHZ 104, 95, 98; MünchKomm-InsO/Ott, § 304 Rn. 49; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 304 Rn. 8, 13; FK-InsO/Kohte, aaO § 304 Rn. 18). Nach einer Auffassung fallen sie deshalb immer unter das Verbraucherinsolvenzverfahren (Fuchs NZI 2002, 239, 240).
    Meinung 2
    Nach anderer Auffassung trifft dies aber dann nicht zu, wenn der Gesellschafter an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt ist (Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rz. 29. 14; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 304 Rn. 13; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO 2. Aufl. § 304 Rn. 28), jedenfalls aber dann, wenn er gleichzeitig als Geschäftsführer der Gesellschaft tätig war (HK-InsO/Landfermann, aaO § 304 Rn. 5; Kübler/Prütting/Wenzel, aaO § 304 Rn. 25; LG Köln ZIP 2004, 2249).

    Im Hinblick auf andere Rechtsnormen wie z.B. aus dem Sozialversicherungsrecht ist der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH nur dann selbständig, wenn er zugleich auch Geschäftsführer ist und das Geschäft selbständig führen kann. Wer nur das Kapital gibt, ist insoweit kein Selbständiger.

    Insgesamt würde ich mich den Ausführungen von Defaitist anschließen. Wobei ich nicht voreilig von einer "faktischen Geschäftsführung" ausgehen würde.

    Häufig hat man es hier auch eher mit dem Fall zu tun, dass Ehemann mit Einzelfirma bereits pleite gemacht hat, eine GmbH für seine Tätigkeit gegründet werden soll und die Ehefrau die Gesellschaftsanteile der -Bar gegründeten- GmbH hält..... Aber alles nur Spekulation..... Vom äußeren Bild jedenfalls eher keine Selbständigkeit

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