Vorverfahren trotz Leistungsklage

  • Hallo,

    ich habe hier in einem Kostenfestsetzungsverfahren folgenden Fall:

    Das Jobcenter hatte dem Kläger für den Monat Januar 2010 Leistungen in Höhe von 580,63 € gewährt. Gegen den entsprechenden Bescheid wurde - anwaltlich vertreten - Widerspruch eingelegt. Zur Begründung trug man knapp vor, dass statt den bewilligten 580,63 € nur Leistungen in Höhe von 378,73 € ausgezahlt worden wären. Das Jobcenter wies den Widerpruch - als zulässig aber unbegründet - zurück und berief sich darauf, dass die bewilligten 580,63 € auch ausgezahlt wurden.

    Es kommt zu einer Klage. Das Jobcenter soll verpflichtet werden, für den Monat Januar weitere 201,90 € (also die Differenz zwischen 580,63 € und 378,73 €) auszuzahlen. In den folgenden 6 Monaten stellen der Klägeranwalt, das Jobcenter und das Gericht fest, dass tatsächlich der Gesamtbetrag von 580,63 € ausgezahlt wurde, die Überweisungen vom Kläger mangels korrekter Bezeichnung allerdings nicht zugeordnet werden konnten. Die Klage wird "für erledigt erklärt" und durch Beschluss wird das Jobcenter verpflichtet, die Hälfte der notwenigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

    Der anwaltlich vertretene Kläger stellt jetzt einen Antrag auf Kostenfestsetzung nach § 197 Abs.1 SGG. Darin enthalten ist neben einer Geschäftsgebühr nach Nr.2400 VV RVG auch eine Verfahrensgebühr nach Nr.3103 VV RVG.

    Das Problem hierbei liegt aus meiner Sicht darin, dass ein Vorverfahren gar nicht hätte stattfinden müssen. Der Ausgangsbescheid sollte weder angefochten (§ 78 Abs.1 SGG) noch sollte das Jobcenter zur grundsätzlichen Gewährung einer Leistung verpflichtet werden (§ 78 Abs.3 SGG).

    Nach meinem Verständnis handelte es sich hier um eine Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs.5 SGG. Sollte dies zutreffend sein wäre das Vorverfahren unnötig gewesen oder zumindest keine Klagevoraussetzung. Dann aber wäre es auch meiner Sicht auch nicht von der Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs.1 SGG erfasst.

    Die Geschäftsgebühr nach Nr.2400 würde ich daher absetzen. Auf der anderen Seite würde ich es bei der Verfahrensgebühr nach Nr.3103 belassen. Obwohl das Vorverfahren nicht notwendig war ist der Rechtsanwalt ja darin tätig geworden. Den Tatbestand von Nr.3103 sehe ich daher als erfüllt an.

    Hatte jemand vielleicht schonmal einen ähnlich gelagerten Fall oder würde zu einem anderen Ergebnis kommen?

    Grüße,
    Garfield

  • Das Problem hierbei liegt aus meiner Sicht darin, dass ein Vorverfahren gar nicht hätte stattfinden müssen. Der Ausgangsbescheid sollte weder angefochten (§ 78 Abs.1 SGG) noch sollte das Jobcenter zur grundsätzlichen Gewährung einer Leistung verpflichtet werden (§ 78 Abs.3 SGG).

    Nach meinem Verständnis handelte es sich hier um eine Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs.5 SGG. Sollte dies zutreffend sein wäre das Vorverfahren unnötig gewesen oder zumindest keine Klagevoraussetzung. Dann aber wäre es auch meiner Sicht auch nicht von der Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs.1 SGG erfasst.

    Das kann man m.E. aber auch so sehen, dass hier spätestens durch die Zurückweisung des Widerspruchs als unbegründet (und nicht als unzulässig) eine Art Meistbegünstigung und/oder Vertrauensschutz (oder wie auch immer man es nennen will) eingreift, da die Angelegenheit (auch) durch das Jobcenter verfahrensfehlerhaft bearbeitet wurde.

    Die Geschäftsgebühr nach Nr.2400 würde ich daher absetzen. Auf der anderen Seite würde ich es bei der Verfahrensgebühr nach Nr.3103 belassen. Obwohl das Vorverfahren nicht notwendig war ist der Rechtsanwalt ja darin tätig geworden. Den Tatbestand von Nr.3103 sehe ich daher als erfüllt an.

    Es liegt aber m.E. objektiv aber keine Tätigkeit "im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren" vor, da die Überweisung ein tatsächlicher Vorgang ist.

    Aber: Das führt dann aber bei der Gesamtbetrachtung zu folgendem Problem (aus Vereinfachungsgründen nehme ich mal die niedrigsten Beträge): Der Rechtsanwalt bekäme dann € 40,00 Ziff. 3102 RVG-VV und € 40,00 Ziff. 2400 RVG-VV. Das wäre also mehr als bei einem Klageverfahren mit unzweifelhaft erforderlichem Vorverfahren. Das spricht m.E dafür, es bei der Gebühr Ziff. 3103 RVG-VV zu belassen.

    Ich würde das Vorverfahren allerdings für Zwecke der Kostenfestsetzung nicht herausrechnen, da aus o.g. Gründen der Anschein der Notwendigkeit des Vorverfahrens durch das Jobcenter gesetzt bzw. zumindest bestätigt wurde. Anders sähe es nur aus, wenn der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen worden wäre.

  • Tja, im Grunde haben es ja beide Seiten "versaut". Der Rechtsanwalt auf Klägerseite hätte ebenso gut erkennen können wie das Jobcenter, dass es hier weder um eine Anfechtung noch um eine Verpflichtung gehen sollte. Wird daran liegen, dass reine Leistungsklagen in der Praxis eher selten vorkommen und ein Vorverfahren regelmäßig notwendig ist.

    Deinen Ausführungen würde ich dann zustimmen, wenn das Jobcenter Veranlassung für einen Widerspruch gegeben hätte. Aber so verhält es sich ja nicht. Es hat nur dessen Unzulässigkeit nicht erkannt. Aber daraus einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch zu Gunsten des Klägers - dessen Vertreter den selben Fehler gemacht hat - abzuleiten sagt mir derzeit nicht besonders zu.

    Ein anderer Denkansatz wäre vielleicht ob das Jobcenter durch die Zurückweisung des Widerspruchs als "zulässig aber unbegründet" Veranlassung zur Klageerhebung gegeben haben könnte. Aber das führt nicht wirklich weiter, denn die Klage wäre ja in jedem Fall notwendig geworden.

    Was die Gebührenziffer nach dem VV RVG angeht so würde ich nach wie vor Nr.3103 VV RVG für anwendbar halten. Das Vorverfahren hat grundsätzlich den Zweck, das dem Verwaltungsakt dienende Verwaltungsverfahren nachzuprüfen. Ob da tatsächlich etwas geprüft wurde - oder es etwas zu prüfen gab - wäre aus meiner Sicht irrelevenat. Fakt ist, ein Vorverfahren fand statt und der Rechtsanwalt war darin tätig. Somit hatte er bei Klageerhebung die Vorkenntnisse, aufgrund derer der Betragsrahmen von Nr.3103 VV RVG niedriger ist.

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