Kein Beschluss der Gläubigerversammlung über § 100 InsO Schuldnerunterhalt

  • Hallo zusammen,

    ich habe hier eine ganz interessante Sache: Der IV hat dem Schuldner und seiner Familie Unterhalt gem. § 100 InsO gewährt. Die Leistungen wurden auch als Fortführungskosten angesetzt, da die Mitarbeit des Schuldners in der BFF erforderlich war. Soweit, so gut. Allerdings gibt es keinen Beschluss der Gläubigerversammlung über den Unterhalt. Weder ob grundsätzlich Unterhalt gewährt werden soll und erst recht nicht, wie viel. Der IV kann bis zum Beschluss der Gläubigerversammlung (lt. FK-InsO "im ersten Termin") Unterhalt in notwendiger Höhe gewähren, diese orientiert sich aber nach z.B. Uhlenbruck an den Sozialhilfesätzen.

    Wie geht man damit um für den Fall, dass Gläubiger jetzt sagen, sie hätten das nicht gewollt. Denn das Ergebnis der BFF ist - dank Unterhalt - negativ.

    Viele Grüße
    Hasso

  • Es haben schon mehrere Gläubigerversammlungen stattgefunden - alle nach der Gewähr des Unterhalts. Dieser wurde nie angesprochen (nur gegenüber dem Gericht erwähnt). In den Protokollen ist das ersichtlich. Die Versammlung wurde lediglich um Zustimmung zum Unternehmensverkauf gebeten. Das war's.

  • Das finde ich allerdings etwas seltsam, da in so einem Fall die Entscheidung nach § 100 InsO eigentlich Pflicht-Tagesordnungspunkt hätte sein müssen. Ist das nicht der Fall lastet die Verantwortung für die korrekte Unterhaltszahlung erst mal beim IV. Sozialhilfesätze anzusetzen scheint mir allerdings übertrieben. Immerhin soll der Schuldner ja mitarbeiten. Da muss schon ein bisschen mehr kommen. Ich hatte mal den Fall, dass der IV den Unterhaltsbetrag nachträglich eigenmächtig erhöht hat (Grund weiß ich nicht mehr). Ich habe es bei Schlussrechnungsprüfung in den Prüfvermerk aufgenommen, hat keinen Gläubiger interessiert.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Liegt hier eine echte Betriebsfortführung durch den Verwalter vor?
    Dann ist es praktisch wohl eher so, dasss der Verwalter den Schuldner als Arbeitnehmer für die Masse beschäftigt hat, hierfür Lhn gezahglt hat (muss er aufpassen mit Sozial- und Rentenversicherung) und kein Fall des Unterhalts aus der Masse vorliegt.

  • Liegt hier eine echte Betriebsfortführung durch den Verwalter vor?
    Dann ist es praktisch wohl eher so, dasss der Verwalter den Schuldner als Arbeitnehmer für die Masse beschäftigt hat, hierfür Lhn gezahglt hat (muss er aufpassen mit Sozial- und Rentenversicherung) und kein Fall des Unterhalts aus der Masse vorliegt.


    Das halte ich aber für sehr unwahrscheinlich und hab ich auch noch nie so gesehen.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Der Schuldner war nicht Arbeitnehmer beim IV. Es handelt sich um einen Arzt. Der Verkauf der Praxis war auch nur möglich durch die Mitarbeit des Schuldners bis zum Verkauf. Danach war er Angestellter des Erwerbers.

    Es ist doch Aufgabe, sogar Pflicht des IV, sich die Zustimmung der Gläubigerversammlung für Leistungen gem. § 100 InsO zu holen. Wäre dieses Versäumnis zu heilen durch einen Beschluss vor/im Schlusstermin?

  • Ich meine, da paßt ja sehr gut der Beschluss des BGH IX ZB 202/05. Da er eine Gegenleistung erbracht hat, muss man wohl eher davon ausgehen, dass es sich nicht um Unterhaltsgewährung handelt, sondern um Lohn.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Der passt gut von der Ausgangssituation, aber leider nicht von der Zielrichtung. Dem IV ging es im Fall des BGH-Beschlusses darum, dass die Berechnungsgrundlage für seine Vergütung nicht um die an den Schuldner gezahlten Leistungen vermindert wird. Im Urteil wird daher auch von Lohnersatzfunktion des Unterhalts gesprochen. In meinem Fall hat der IV keinen Überschuss aus der BFF angesetzt, er hat also aus Sicht der Berechnungsgrundlage/Vergütung die Unterhaltszahlungen so behandelt, als wären sie Lohn.

    Mir geht es darum zu klären, ob man den (vor Jahren) versäumten Beschluss der Gläubigerversammlung jetzt noch heilen kann.

  • ...Mir geht es darum zu klären, ob man den (vor Jahren) versäumten Beschluss der Gläubigerversammlung jetzt noch heilen kann.

    Aber dafür muss man doch erstmal klären, ob es sich überhaupt um Unterhalt oderLohnzahlungen handelt. Stellt er den Schuldner als AN ein, dann brauch er doch überhaupt keinen Beschluss nach § 100 InsO herbeiführen. Und dafür, dass es sich eben nicht um Unterhalt (Zahlungen aus der Masse ohne Gegenleistung) handelt, sind doch in diesem Fall einige Hinweise gegeben. Und deshalb der Hinweis auf die Entscheidung.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Ich sehe die Zahlungen als Unterhalt, was im Übrigen auch besser für die Masse ist, da keine Sozialabgaben anfallen. Zudem sind einige Zahlungen nicht an den Schuldner selbst, sondern an seine (unterhaltsberechtigten) Kinder geflossen. Sofern der Zahlung eine Gegenleistung gegenübersteht, handelt es sich nicht zwangsläufig um Lohn, so interpretiere ich zumindest den BGH-Beschluss.

    Rainers Post habe ich nicht verstanden ... womöglich war die Nacht zu kurz für mich ... Heißt das etwa, dass es keine Alternative zur vorherigen Genehmigung gibt?

  • Das wäre prima, habe hier momentan nur den FK-Inso zu Hand, der macht mich aber nicht wirklich schlauer. Dort steht nämlich, dass eine Entscheidung der Gläubigerversammlung entbehrlich ist, soweit das Insolvenzgericht die Pfändbarkeit von nach Verfahrenseröffnung bezogenen Arbeitseinkommen des Insolvenzschuldners verneint.

    Suche ich etwa an der falschen Stelle? Hätte der IV evtl. sogar für die Mitarbeit Gehalt statt Unterhalt zahlen müssen? Bisher dachte ich, er hätte die Wahl.

  • Ich sehe die Zahlungen als Unterhalt, was im Übrigen auch besser für die Masse ist, da keine Sozialabgaben anfallen.

    Ist es denn überhaupt möglich, dass der IV den Schuldner als AN beschäftigt , ich habe da so meine Zweifel?:gruebel:

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich meine, dass der Schuldner nicht als Arbeitnehmer beschäftigt werden kann...

    Ich hatte das Problem auch mal (nur aus Sicht des Verwalters):

    Einkünfte, die ein Selbständiger nach der Insolvenzeröffnung erzielt, gehören grundsätzlich in vollem Umfang zur Insolvenzmasse. Ein Abzug für beruflich bedingte Ausgaben darf nicht erfolgen (BGH Beschl. v. 20.03.2003 - IX ZB 388/02, ZInsO 2003, 413). Verbindlichkeiten, die im Rahmen der selbständigen Tätigkeit begründet werden, sind eben Masseverbindlichkeiten.
    Der Schuldner kann aber gemäß § 850 i ZPO beantragen, dass ihm von seinen Einkünften ein pfandfreier Anteil belassen wird. Da es als praktisch unmöglich angesehen wird, ständig eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, ist monatlich ein entsprechender "Selbstbehalt" an den Schuldner auszukehren. Hinsichtlich der Höhe der pfandfreien Beträge ist eine Orientierung an der Tabelle zu § 850 c ZPO angezeigt (eingehend dazu: Mai, in: Kölner Schrift zur InsO, 2009, Teil III, Kap. 19, Rn. 67 ff.).


    Bei Mai dürfte sich auch ein Verweis auf ein Urteil des BGH finden, in dem dieser (nach der Interpretation von Mai) die Berrechung durch den Verwalter zumindest toleriert hat. Jedenfalls wenn ich mich richtig erinner.

    Nach meiner Erinnerung ist Unterhalt nach § 100 InsO außerdem das, was über die eingentlich unpfändbaren Beträge hinaus geht. Ich schau gleich nochmal nach...

    Wenn es also wie oben beschrieben gehandhabt wurde, dann ist dass wohl eine Art stillschweigende Vereinbarung zwischen Verwalter und Gericht, um regelmäßige Anträge nach § 850 i ZPO zu vermeiden.

    Allerdings nicht, wenn der "Unterhalt" deutlich über dem lag, was als unpfändbar anzusehen gewesen wäre...

  • Das ist halt das blöde an § 100 InsO: Erfolgt durch die Gl in der Glv keine Beschlussfassung, darf eigentlich kein Unterhalt aus der Masse gezahlt werden. (Als AN kann der SCH. natürlich auch nicht beschäftigt werden; wurde ja schon weiter oben beschrieben).
    Dann hat der IV halt die Zahlung "auf die eigene Kappe" genommen. Die Alternative wäre wohl gewesen, er zahlt nichts mit der Folge, dass der Sch. nicht mehr mitwirkt. Wahrscheinlich ist durch die Variante Unterhaltszahlung und Betriebsfortführung mehr erlöst worden, als wenn sich der IV an die (nicht erfolgte) Beschlussfassung gehalten hätte. Ich würde das entsprechend in den Prüfvermerk aufnehmen mit der Bemerkung, dass seitens des Gerichts dagegen keine Bedenken bestehen.

  • Ist es denn überhaupt möglich, dass der IV den Schuldner als AN beschäftigt , ich habe da so meine Zweifel?:gruebel:

    Das ginge schon, aber hier nicht durchführbar wegen der besonderen Situation einer Arztpraxis, s.u.

    Dank Rainer kenne ich jetzt auch die Ausführungen dazu im HK. Danke für die Unterstützung. Das ist schon verständlicher (zumindest für mich) dargestellt und es wird von einem Zustimmungserfordernis der Gläubigerversammlung gesprochen im Zusammenhang mit Entscheidungen, die sich auf die Quote auswirken, grob zusammengefasst.

    Nebenbei: Es sind rd. 5.000,- EUR mtl. über 9 Monate gezahlt worden. Die Quote für die Gläubiger liegt aktuell bei 3%.

    Ich tappe aber immer noch im dunkeln, wie jetzt mit der nicht erfolgten Genehmigung der Gläubigerversammlung umzugehen ist oder ob hier kein Unterhalt hätte gezahlt werden dürfen. Letzteres glaube ich eigentlich nicht, da der IV kaum eine andere Wahl gehabt hat. Bei sich anstellen, geht nicht wegen Zulassung. Da hätte er den Sitz mit übernehmen müssen, ein Rattenschwanz ohne Ende ...

    Das Gericht wurde über die Leistungen informiert, konnte aber nicht darüber entscheiden.

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