Erstattung Unterbevollmächtigter - fiktive Reisekosten + 10%?

  • Die Kosten meines Terminsvertreters sind Höher als die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten. BGH sagt ja, die Kosten des Terminsvertreters sind erstattungsfähig, soweit sie die erstattungsfähigen fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich (bis 10%) übersteigen. Beschränke ich jetzt die Kosten des Terminsvertreters auf die fiktiven Reisekosten oder auf die fiktiven Reisekosten + 10%? (Hauptbevollmächtigte beantragt hilfsweise fiktiven Reisekosten + 10%) Gibt es dazu neuere Rspr.?? Gerold / Schmidt zeigt beide Meinungen auf? Wie macht Ihrs???

  • Hallo, ich gehe davon aus du meinst den Unterbevollmächtigten.

    Lt. BGH 16.10.02 - VIII ZB 30/02 sind die fiktiven Reisekosten ggf. mit Umsatzsteuer + 10 % zu nehmen und mit den Kosten des UV zu vergleichen. Sofern die erstgenannten Kosten geringer sind, sind diese festzusetzen.

  • @Baffu:
    Zunächst 2 Zwischenfragen:
    Welche Terminsvertreterkosten vergleichts Du denn mit den fiktiven Reisekosten?
    Sind die fiktiven Reisekosten bekannt gegeben?

  • Nachtrag: M. E. ergibt sich das aus BGH, a. a. O. (S. 14)

    c) Da der Antragstellerin somit die Reisekosten ihres Hauptbevollmächtigten,die bei einer Wahrnehmung des Verhandlungstermins beim Prozeßgerichtdurch diesen nach § 28 BRAGO entstanden wären, zu erstatten gewesenwären, kann sie Ersatz der Kosten für den stattdessen mit der Terminswahrnehmungbeauftragten Unterbevollmächtigten insoweit beanspruchen, als dieseKosten (§§ 53, 26 BRAGO) abzüglich der mit der Vertretung durch den Unterbevollmächtigtenin der Verhandlung verbundenen Verringerung der Verhandlungsgebührdes Hauptbevollmächtigten (§ 33 Abs. 3 BRAGO) die erspartenReisekosten nicht wesentlich übersteigen. Eine geringfügige Überschreitungder ersparten Reisekosten steht der Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigtennicht entgegen. Es ist zu berücksichtigen, daß die von der Parteiund ihrem Hauptbevollmächtigten bei der Entscheidung darüber, ob ein Unterbevollmächtigtermit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beauftragtwird, zu veranschlagenden Reisekosten, etwa im Hinblick auf Fahrt- und Terminsdauer,nicht sicher vorausgesehen werden können. Eine wesentlicheÜberschreitung wird im Regelfall anzunehmen sein, wenn die Kosten des Unterbevollmächtigten

    die ersparten Reisekosten um mehr als 1/10 überschreiten.

  • Grundsätzlich sind nur die (fiktiven) Reisekosten vom Wohnort der Partei aus zu erstatten.

    Der BGH hat bei den Mehrkosten eines Unterbevollmächtigten eine Toleranzgrenze von 10% eingezogen. D. h., innerhalb der 100-110% übersteigen die Mehrkosten des UBV die fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich. Liegen die Mehrkosten des UBV über den 110% übersteigen sie die fiktiven Reisekosten wesentlich und es sind ebend nur in Höhe der fiktiven Reisekosten erstattungsfähig.

    M. E. dürfen also keine fiktiven Reisekosten in Höhe von 110% festgesetzt werden.

  • Aber BGH (s. o.)

    Eine geringfügige Überschreitung der ersparten Reisekosten steht der Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigtennicht entgegen.

    Also: 110 %

  • Als Hinweis zu der hier strittigen Frage evtl. noch die aktuelle Entscheidung des BGH (auch im Rechtsprechungsthread grad gepostet) vom 10.07.2012 - VIII ZB 106/11 und dort ab Rn. 8 ff.

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  • @ Bolleff: Danke für diese neue Entscheidung (über die man bestimmt geteilter Meinung sein darf). Hat gleich ihren Weg in meinen Kosten-Leitz gefunden.

  • Aber BGH (s. o.)

    Eine geringfügige Überschreitung der ersparten Reisekosten steht der Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigtennicht entgegen.

    Also: 110 %

    Nein. Die 110 % sind nur der Vergleichswert. Liegen die Mehrkosten darunter sind sie in voller Höhe erstattungsfähig, da sie die fiktiven Reisekosten nicht wesentlich übersteigen.

    Liegen die Mehrkosten über den 110% übersteigen sie die fiktiven Reisekosten wesentlich und sind nicht erstattungsfähig. Dann greift wieder der allgemeine Grundsatz, dass die fiktiven Reisekosten vom Wohnort der Partei aus erstattungsfähig sind.

    Die 110 % sind in keinem Fall eine erstattungsfähige Größe für die fiktiven Reisekosten.

  • Aber das hab ich mir doch nciht ausgedacht, sondern ergibt sich aus der ständigen RS des BGH.

    Beispiel

    1. fiktive Reisekosten = 100 EUR

    UV-Kosten = 80 EUR

    -> Erstattungsfähig sind die tatsächlich angefallenen UV - Kosten.

    2. fiktive Reisekosten = 100 EUR

    UV- Kosten = 105 EUR

    -> Kein Problem, erstattungsfähig sind 105 EUR UV-Kosten. Denn: Die Kosten des UV sind insoweit erstattungsfähig, wie sie die erstattungsfähigen Reisekosten nicht wesentlich überschreiten (Leitsatz BGH, a. a. O.).

    3. fiktive Reisekosten = 100 EUR

    UV - Kosten = 180 EUR

    -> Erstattungsfähig sind 110 EUR UV-Kosten. Denn: Die Kosten des UV überschreiten die erstattungsfähigen Reisekosten wesentlich. Das muss der Erstattungspflichtige nicht hinnehmen. Seine Erstattungspflicht beschränkt sich auf die Kosten, welche den Rahmen der nichtwesentlichen Überschreitung nicht sprengen. Als Begrenzung hat der BGH seinerzeit eine 1/10 Grenze gesetzt und bis heute daran festgehalten. Für diese Ansicht (s. Bsp. 2) spricht auch, dass der BGH eine zu kleinliche Betrachtungsweise für vermeidbar hielt.

  • Aus der von Bolleff geposteten Entscheidung geht hervor, dass ich mir als Partei vorher Gedanken machen muss, ob ich meinen Hauptbevollmächtigten zum Termin schicke oder ob ich einen Unterbevollmächtigten beauftrage. Ich muss dabei prüfen, welche Variante hier günstiger ist.

    Der BGH hat genau um dieser Betrachtung gerecht zu werden einen Spielraum von 10 % zugelassen in dem ich mich bei meinen Überlegungen bewegen kann um nicht wie in deinem Beispiel zu 2. wegen 5,- EUR keinen Unterbevollmächtigten beauftragen zu können.

    Wenn mir aber wie in deinem Beispiel zu 3. von vorn herein klar ist, dass die Mehrkosten des UBV deutlich höher sind als die fiktiven Reisekosten, hätte ich mich aus Kostengesichtspunkten anders entscheiden müssen und den Hauptbevollmächtigten mit der Terminswahrnehmung beauftragen müssen. Treffe ich hier die korrekte Entscheidung fallen nur die (fiktiven) Reisekosten an.

    Warum sollte ich es als Gegenseite hinnehmen, dass sich mein Prozessgegner trotz offensichtlichem Missverhältnis der Kosten für einen Unterbevollmächtigten entschieden hat und hierfür 10% mehr an (fiktiven) Reisekosten erstattet erhält als eine sich sachgerecht verhaltende Partei?


  • Alles andere dürfte aus dem Blick des Erstattungspflichtigen auch nicht sachgerecht sein.

    Wenn jemand sehenden Auges erhebliche Mehrkosten produziert, ist es als Gegenseite nicht nachvollziehbar, dass dieser 110 % Festsetzung zugesprochen bekommt.

  • Aus der von Bolleff geposteten Entscheidung geht hervor, dass ich mir als Partei vorher Gedanken machen muss, ob ich meinen Hauptbevollmächtigten zum Termin schicke oder ob ich einen Unterbevollmächtigten beauftrage. Ich muss dabei prüfen, welche Variante hier günstiger ist.

    Der BGH hat genau um dieser Betrachtung gerecht zu werden einen Spielraum von 10 % zugelassen in dem ich mich bei meinen Überlegungen bewegen kann um nicht wie in deinem Beispiel zu 2. wegen 5,- EUR keinen Unterbevollmächtigten beauftragen zu können.

    Wenn mir aber wie in deinem Beispiel zu 3. von vorn herein klar ist, dass die Mehrkosten des UBV deutlich höher sind als die fiktiven Reisekosten, hätte ich mich aus Kostengesichtspunkten anders entscheiden müssen und den Hauptbevollmächtigten mit der Terminswahrnehmung beauftragen müssen. Treffe ich hier die korrekte Entscheidung fallen nur die (fiktiven) Reisekosten an.

    Warum sollte ich es als Gegenseite hinnehmen, dass sich mein Prozessgegner trotz offensichtlichem Missverhältnis der Kosten für einen Unterbevollmächtigten entschieden hat und hierfür 10% mehr an (fiktiven) Reisekosten erstattet erhält als eine sich sachgerecht verhaltende Partei?


    :zustimm:Bei den 110 % geht es nur darum, wann die Kosten des UBV erstattungsfähig sind, aber nicht, in welcher Höhe sie grundsätzlich ersttatungsfähig sind. Also: bis 110 %: Kosten des UBV erstatutngsfähig, über 110 %: nur die fiktiven RK. Das ziehe ich bei mir auch so durch.

  • Ich musste auch so einigen RAen klar machen, dass es sich bei den 110 % um eine Vergleichsgröße handelt. Da sind doch tatsächlich auch in meinem Beritt welche auf die Idee gekommen, machen UB-Kosten geltend zuzüglich 10 % Aufschlag. Die Absetzung meinerseits konnten sie gar nicht verstehen --> 10 % Verlust! Ich verfahre also auch so wie # 5, 6 + 10.
    Die Sache hat sich aber in meinem Beritt ganz schnell beruhigt, zumal es diesbezüglich ja auch schon klarstellende Rechtsprechung gibt. :D

  • Zitat von #10 (Zitieren hat nicht funtkioniert):
    "Nein. Die 110 % sind nur der Vergleichswert. Liegen die Mehrkosten darunter sind sie in voller Höhe erstattungsfähig, da sie die fiktiven Reisekosten nicht wesentlich übersteigen.
    Liegen die Mehrkosten über den 110% übersteigen sie die fiktiven Reisekosten wesentlich und sind nicht erstattungsfähig. Dann greift wieder der allgemeine Grundsatz, dass die fiktiven Reisekosten vom Wohnort der Partei aus erstattungsfähig sind.
    Die 110 % sind in keinem Fall eine erstattungsfähige Größe für die fiktiven Reisekosten."

    Mir liegt nun der Fall vor, dass die Kosten des Unterbevollmächtigten die fiktiven Reisekosten um mehr als 10 % übersteigen. Der Kläger beansprucht nun die Erstattung der
    Reisekosten + 10 % und beruft sich auf den Beschluss des OLG Frankfurt vom 29.09.2004 - 12 W 12/04 - zu finden bei Juris-, der dies für zutreffend hält.
    Völlig abwegig ist die Begründung auch nicht.
    Kennt jemand hierzu noch neuere Rechtsprechung?

    Einmal editiert, zuletzt von RoryG (24. Januar 2018 um 09:13)

  • Kennt jemand hierzu noch neuere Rechtsprechung?


    Ja, moi. :D;) Die Meinung des OLG Frankfurt hat der BGH in einer späteren Entscheidung (die hier im Thread damals noch nicht berücksichtigt werden konnte) insoweit zusammen mit noch weiteren Entscheidungen anderer OLG bestätigt (AGS 2015, 241 = Rpfleger 2015, 425 = NJW-RR 2015, 761 - Rn. 16 wird u. a. auf das OLG Frankfurt verwiesen).

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