Übertragung der Nachlassverfahren auf Notare vom Tisch ?

  • Künftig soll auch der Erbscheinserteilungsbeschluss bei nicht streitigen Verfahren wegfallen.

    Ab wann soll in Ba-Wü die Erbenermittlungspflicht wegfallen ?

    Von dem ersten weiß ich nichts und muss das deshalb mit Nichtwissen bestreiten:).
    Von dem zweiten ist mir nur der Entwurf bekannt , aber nicht das In-Kraft-Treten.
    Offenbar also noch nicht verkündet.
    Im übrigen fällt nur die amtswegige Erbenermittlung weg .
    Von einem vollständigen Wegfall kann keine Rede sein.

    Zu dem ersten: Wie Steinkauz
    Zu dem zweiten: Im Landtag fand inzwischen die 1. Beratung zum Gesetzesentwurf am 12.03.2015 statt. Das Plenarprotokoll ist allerdings noch nicht veröffentlicht.

  • Da "meine" AGs Termine für Erbscheinsanträge in sechs Monaten vergeben, ist diese Zuständigkeit hier de facto schon längst bei mir und meinen Kollegen angekommen.

    Entspricht wohl leider vielen Regionen oberhalb der Mainlinie und besonders in der Region Berlin....

    Zwischenzeitlich aber auch in BW. Hab schon (unter Hinweis auf die Mehrbelastung durch die Notariatsreform) von Wartezeiten bis zu 6 Wochen gehört. Immer öfters kommen die Erbscheinsanträge inzwischen von Rechtsanwalts-und Nurnotaren. Dort gibt es Kapazitäten und die Gebühren stimmen offensichtlich auch. Hier wird bereits heute der Zustand nach 2017 geübt.

  • Da "meine" AGs Termine für Erbscheinsanträge in sechs Monaten vergeben, ist diese Zuständigkeit hier de facto schon längst bei mir und meinen Kollegen angekommen.

    Entspricht wohl leider vielen Regionen oberhalb der Mainlinie und besonders in der Region Berlin....

    Zwischenzeitlich aber auch in BW. Hab schon (unter Hinweis auf die Mehrbelastung durch die Notariatsreform) von Wartezeiten bis zu 6 Wochen gehört. Immer öfters kommen die Erbscheinsanträge inzwischen von Rechtsanwalts-und Nurnotaren. Dort gibt es Kapazitäten und die Gebühren stimmen offensichtlich auch. Hier wird bereits heute der Zustand nach 2017 geübt.

    Das ist doch eine Win-win-Situation. Entlastung der Nachlassgerichte und Auskommen für die Notare. :)
    Zumindest an den Orten, wo ein Rechtsanwalts- oder Nurnotar "in der Nähe" ist, dürfte das auch kein Problem (mehr) sein. Und soweit ich das als Laie erkennen kann, dürfte ein solcher in vielen Regionen im Umkreis von ca. 30 km erreichbar sein.

    Einmal editiert, zuletzt von Grag (14. März 2015 um 17:20)

  • Künftig soll auch der Erbscheinserteilungsbeschluss bei nicht streitigen Verfahren wegfallen. Ab wann soll in Ba-Wü die Erbenermittlungspflicht wegfallen ?

    Von dem ersten weiß ich nichts und muss das deshalb mit Nichtwissen bestreiten:).

    Das wird im Rahmen der Einführung der EU-ErbVO mit geändert (§ 352e FamFG).

    Interessant.
    Alerdings kann ich einen Wegfall des Feststellungsbeschlusses für das unstreitige Verfahren nicht konstatieren.
    Nach dem Entwurf § 352 I S.2 FamFG ist weiter ein Beschluss notwendig.
    Interessant ist eher , dass bisherige Regelungen der §§ 2354 ff. BGB nunmehr in die 352 ff. FamFG transferiert wird.

  • Ich halte das für keine Win-Win-Situation, sondern für eine Frechheit. Die Justiz wird mit Personal kurzgehalten, so dass die Bürger zwangsläufig irgendwann auf den Notar ausweichen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass da rechte Freude beim Bürger aufkommt, denn er bezahlt diese "Win-Win-Situation" mit mindestens 19% Aufschlag (Umsatzsteuer). Ich will gar nicht wissen, ob bei der Beurkundung beim Notar nicht evtl. noch die andere Gebührentabelle einschlägig ist. Weil/wenn sich dieser Zustand irgendwann einfährt, wird man dereinst konstatieren, weil die Notare eh schon alle Erbscheinsverfahren beurkunden, kann man sie ja gleich übertragen. Und schon entschwindet eine netto positive Einnahmequelle aus der Justiz. Übrigens hatten die Notare seinerzeit angekündigt, diesen Service bei Vollübertragung nicht ohne Gebührenerhöhung vornehmen zu können. Auch würden sie dann mehr Personal brauchen. Ob das sachlich stimmt, kann ich nicht beurteilen, das Lied kommt bei der Übertragung sicher wieder. Und ich möchte wetten, dass das Ergebnis zumindest keine Entlastung für mich als Bürger bedeuten wird.

    (Aber vielleicht habe ich auch nur die Ironie in dem Beitrag überlesen ... )

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...


  • Nein, eben nicht.
    Vgl. Text S. 30 und die Gegenäußerung der Bundesregierung S. 95.
    Was bislang zitiert wurde, ist die von der Bundesregierung abgelehnte Stellungnahme des Bundesrates.

    Oha ; man sollte halt nichts ungeprüft übernehmen.
    Es hätte allerdings mit den beabs. Änderungen gute Gelegenheit bestanden, klarzustellen , dass der unstreitige Feststellungsbeschluss auch keiner Rechtsmittelbelehrung bedarf.

  • Ich will gar nicht wissen, ob bei der Beurkundung beim Notar nicht evtl. noch die andere Gebührentabelle einschlägig ist.


    Gibt es jetzt zwei Gebührentabellen für Notare? Habe ich was verpasst?
    Habe ich gar die Tabelle mit den höheren Gebühren verpasst?!:eek:

    Spaß beiseite, GNotKG Gebührentabelle A gilt für Notare nie, immer nur Gebührentabelle B. Und wer sich über 19% MwSt für Bürger aufregt, der sollte sich lieber mal Gedanken darüber machen, ob es angebracht war, die Rechnungsstellung bei der elektronischen Einsicht in Grundbuch und Handelsregister so zu gestalten, dass auf die weitergereichten Abrufgebühren jetzt 19% MwSt anfallen, während "früher" der jeweilige Auftraggeber als Kostenschuldner angegeben werden konnte.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Als Neuling schaue mir gerade zahlreiche interessante Themen an. Wirklich lehrreich.

    Beim Lesen der Beiträge zu diesem Thema bekomme ich aber gerade einen Hals!

    Was für eine selbstherrliche Überheblichkeit!

    Na, ja, sehen wir's sportlich. Dann müssen wir hier im Forum halt dagegen halten!

    Für Erbscheinsanträge gehen die Leute sowieso immer häufiger zum Notar. Die Nachlassabteilungen sind (auch wegen fehlender personaler und sachlicher Ausstattung) nicht in der Lage, zeitnah Anträge aufzunehmen. In aufwendigen Angelegenheiten einschließlich lästiger Erbausschlagungen wird häufig von vornherein auf die Notariate verwiesen. Weiter so! Wenn dann einfachste Erbscheinsverfahren bei gesetzlicher Erbfolge 6 Monate dauern, wird es nicht mehr lange dauern, bis die ersten Länder von der Öffnungsklausel Gebrauch machen. (Warum werden richterliche Erbscheine eigentlich durchweg deutlich schneller erteilt?)

    Gleichwohl sollten Rechtspfleger und Notare sich mit dem notwendigen Respekt begegnen und als Organe der Rechtspflege die Justiz nach außen gemeinsam vertreten. Sonst sind beide Berufsgruppen bald in der Bedeutungslosigkeit oder ganz verschwunden. Man betrachte nur den Justizetat im Vergleich zum Gesamtetat der Länder.

  • Um die sog. "selbstherrliche Überheblichkeit" noch zu steigern, darf ich auf folgende Ausführungen verweisen (Bestelmeyer Rpfleger 2014, 641, 654):

    Aufgrund der mit Wirkung vom 01.09.2013 eingeführten Öffnungsklausel des Art. 239 EGBGB[203] können die Bundesländer durch Gesetz bestimmen, dass der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins der notariellen Beurkundung bedarf und die nach § 2356 Abs. 2 S. 1 BGB erforderliche eidesstattliche Versicherung nur vor einem Notar abgegeben werden kann.[204] Unabhängig davon, dass auch durch diese Öffnungsklausel eine erneute und im Anwendungsbereich des § 19 RpflG bereits verwirklichte tiefgreifende regionale Rechtszersplitterung droht[205] und es kaum nachvollziehbar erscheint, einen schon immer formfreien Antrag unter dem Vorwand einer angeblich erforderlichen notariellen Belehrung[206] nun auf einmal dem strengsten aller denkbaren Formerfordernisse zu unterwerfen, können die Bundesländer vor einer solchen Regelung nur gewarnt werden. Denn es ist dem Bürger schlechterdings nicht vermittelbar, dass er beim gerichtlichen Testamentseröffnungstermin keinen Erbscheinsantrag mehr stellen und auch die hierfür erforderliche eidesstattliche Versicherung nicht mehr abgeben kann, sondern dass er sich hierfür eigens zu einem Notar begeben muss,[207] wo sich deren Beurkundung dann auch noch um 19 % Umsatzsteuer (nebst Schreibauslagen) verteuert, dass jede noch so geringfügige und durch eine abweichende rechtliche Würdigung des Nachlassgerichts erforderlich werdende Änderung oder Modifizierung des gestellten Erbscheinsantrags natürlich wiederum der notariellen Beurkundung bedarf[208] und dass sich die Erteilung des zur Verfügung über den Nachlass erforderlichen Erbscheins durch die zwingende zusätzliche Einschaltung eines Notars erheblich verzögert.[209] Aufgrund der entfallenden gerichtlichen Zuständigkeit für die Beurkundung der im Erbscheinsverfahren erforderlichen eidesstattlichen Versicherungen wird es zudem zu erheblichen und durch die vereinnahmten Umsatz- und Einkommensteuerzahlungen der Notare nur unzureichend kompensierten Gebührenausfällen zu Lasten der betreffenden Bundesländer kommen.

    Bereits diese offenkundigen negativen Auswirkungen einer ausschließlichen notariellen Zuständigkeit legen den Schluss nahe, dass die besagte Öffnungsklausel nicht auf wohlerwogenen sachlichen Überlegungen, sondern auf einer von rechtlichen Fehleinschätzungen der politischen Mandatsträger begünstigten Lobbyarbeit der Notare beruht, weil eine solche Regelung niemandem in den Sinn käme, der mit den nachlassgerichtlichen Abläufen auch nur einigermaßen vertraut ist. Eine gleichwohl wider jede Vernunft eingeführte derartige Regelung würde zum Nachteil des Bürgers zu einer Zerschlagung jahrzehntelang gewachsener und bewährter Strukturen führen, weil bislang nur ein verschwindend geringer Anteil aller Erbscheinsanträge unter Einschaltung eines Notars gestellt wird.[210]


    [203] Art 9 Nr. 3 des Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare vom 26.06.2013, BGBl. I, 1800.
    [204] Diese Option kann nur einheitlich ausgeübt werden (BT-Drucks. 17/13136, S. 23).
    [205] Zimmermann FamRZ 2014, 11, 12.
    [206] Angesichts dieses (Schein-)Arguments drängt sich die Frage auf, wie das bisherige bewährte System ohne zwingende Beteiligung der Notare über Jahrzehnte hinweg bestens und reibungslos funktionieren konnte.
    [207] Der Umstand, dass es bei der Formfreiheit des Antrags und bei der gerichtlichen Zuständigkeit für Anträge und eidesstattliche Versicherungen im Rahmen der Erteilung von TV-Zeugnissen verbleibt (Zimmermann FamRZ 2014, 11, 12), führt zudem in Fällen, bei welchen sowohl ein Erbschein als auch ein TV-Zeugnis benötigt wird, zu der absurden Situation, dass das TV-Zeugnis unter Abgabe der erforderlichen eidesstattlichen Versicherung bereits im Testamentseröffungstermin beantragt werden kann, während man für den Erbscheinsantrag und die hierfür erforderliche eidesstattliche Versicherung noch zusätzlich einen Notar aufsuchen muss.
    [208] Man denke nur an die vielfach veranlassten Antragsänderungen bei zweifelhaften und auslegungsbedürftigen letztwilligen Verfügungen und an die im Bereich der Nacherbfolge und der Testamentsvollstreckung auftretenden und sich auf den Inhalt des Erbscheins auswirkenden rechtlichen Probleme (Schlusserbfolge oder Nacherbfolge, befreite oder nicht befreite Vorerbschaft, Einsetzung oder Nichteinsetzung von Ersatznacherben, Vererblichkeit oder Unvererblichkeit des Nacherbenrechts, Tragweite von Wiederverheiratungsklauseln, Erbteilsnacherbfolgen und Erbteilstestamentsvollstreckungen, Vorerben-Vorausvermächtnisse bei "gegenständlich beschränkten" Nacherbfolgen, gestaffelte Nacherbfolgen, Erben- und/oder Vermächtnisvollstreckung, nur Vorerben- oder auch Nacherbenvollstreckung, bedingte, befristete und gegenständlich beschränkte TV-Anordnungen usw.).
    [209] Zu einer zusätzlichen erheblichen Verzögerung führt zudem die Unsitte mancher Notare, die zwar gerne die für die Beurkundung anfallenden Gebühren vereinnahmen, aber nicht entscheidungsreife Anträge einreichen, weil sie die Anforderung der für die Erteilung des Erbscheins erforderlichen Unterlagen und Personenstandsurkunden "großzügig" dem Nachlassgericht überlassen.
    [210] Dies gilt aufgrund des Grundsatzes der amtlichen Erbenermittlung insbesondere für den Freistaat Bayern (Art. 37 BayAGGVG). In Baden-Württemberg beruht die Einbindung der Notare auf landesrechtlichen Besonderheiten.

  • Ob Erbscheinsanträge nur in "verschwindend geringer Zahl" bei den Notariaten gestellt werden, bestreite ich. Das wird sich doch genauer feststellen lassen. Meine spontane Schätzung: mindestens 50%, Tendenz steigernd. Fest steht, daß die ach so bewährten alten Strukturen nicht gut funktionieren. Das zeigt allein die Bearbeitungsdauer der Erbscheinsverfahren.

  • Ob Erbscheinsanträge nur in "verschwindend geringer Zahl" bei den Notariaten gestellt werden, bestreite ich. Das wird sich doch genauer feststellen lassen. Meine spontane Schätzung: mindestens 50%, Tendenz steigernd.

    Solltest Du dazu statistische Zahlen finden, wäre ich sehr daran interessiert.
    Bei der seinerzeit von mir besuchten Anhörung im Rechtsausschuss ging der anwesende Landgerichtspräsident von ca. 85 %, der BDR-Vertreter von 90 % der Antragstellungen bei Gericht statt beim Notar aus.

    Zitat

    Fest steht, daß die ach so bewährten alten Strukturen nicht gut funktionieren.

    Das wiederum bestreite ich. Die Strukturen wären an sich in Ordnung. Vielerorts funktionieren sie sogar sehr gut. Auch wenn es der Gesetzgeber durch das FamFG verbockt hat, dass das Erbscheinsverfahren jetzt länger dauern muss.
    Was nicht überall funktioniert, ist die angemessene Personalausstattung der Gerichte.

  • Ob Erbscheinsanträge nur in "verschwindend geringer Zahl" bei den Notariaten gestellt werden, bestreite ich. Das wird sich doch genauer feststellen lassen. Meine spontane Schätzung: mindestens 50%, Tendenz steigernd.

    Solltest Du dazu statistische Zahlen finden, wäre ich sehr daran interessiert.

    Ich kann leider nur die Statistik für die Nachlasssachen insgesamt liefern, da nur diese statistisch erfasst werden:
    https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/…icationFile&v=7

    Daran lässt sich ablesen, dass die Nachlasssachen bei Gericht von 2008 bis 2013 um ca. 30 % zugenommen haben, wobei sich die vom Richter bearbeiteten Verfahren dementgegen um ca. 15 % vermindert haben.

  • Ob Erbscheinsanträge nur in "verschwindend geringer Zahl" bei den Notariaten gestellt werden, bestreite ich. Das wird sich doch genauer feststellen lassen. Meine spontane Schätzung: mindestens 50%, Tendenz steigernd. Fest steht, daß die ach so bewährten alten Strukturen nicht gut funktionieren. Das zeigt allein die Bearbeitungsdauer der Erbscheinsverfahren.

    Bitte nicht die zitierte Fußnote 210 bezüglich der amtlichen Erbenermittlung in Bayern überlesen!

  • Ob Erbscheinsanträge nur in "verschwindend geringer Zahl" bei den Notariaten gestellt werden, bestreite ich. Das wird sich doch genauer feststellen lassen. Meine spontane Schätzung: mindestens 50%, Tendenz steigernd.

    Solltest Du dazu statistische Zahlen finden, wäre ich sehr daran interessiert.

    Ich kann leider nur die Statistik für die Nachlasssachen insgesamt liefern, da nur diese statistisch erfasst werden:
    https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/…icationFile&v=7

    Daran lässt sich ablesen, dass die Nachlasssachen bei Gericht von 2008 bis 2013 um ca. 30 % zugenommen haben, wobei sich die vom Richter bearbeiteten Verfahren dementgegen um ca. 15 % vermindert haben.

    Letzteres ist aufgrund der Öffnungsklausel des § 19 RpflG kein Wunder.

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