• Ist meine Denkrichtung im Hinblick auf §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 131 InsO richtig?


    Die Insolvenzschuldnerin liefert in den Perioden August bis Dezember 2011 und Mai bis Dezember 2011 an ihren Auftraggeber Waren im Gesamtwert von EUR 34.000,00. Der Auftraggeber wiederum gewährt der Schuldnerin am 22. März 2011, 06. Dezember 2011 und 13. Januar 2012 diverse Darlehen mit einer Darlehensgesamtsumme von EUR 32.000,00. Es wird jeweils vereinbart, dass die Darlehen erst im Dezember 2012 zur Rückzahlung fällig sind. Die Auftraggeberin erklärt im Juni 2012 die Aufrechnung. Insolvenzantrag wird am 14. August 2012 gestellt. Meines Erachtens liegt damit eine Befriedigung vor Fälligkeit und damit eine inkongruente Deckung vor.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Halte ich für wichtig, denn wenn man sich vorstelle, man vergibt ein Darlehen, dann kommt im Juni die Rechnung über Waren in fast genau dieser Höhe, würde jeder vernünftige Kaufmann ohne böse Hintergedanken sagen: Quitt.

    Liegen Dir denn die Darlehensverträge vor? Kannst Du die Interpreation prüfen, dass es eigentlich Vorkasse sein sollte?

  • @ tube:
    Gegen die Intention der Vorkasse spricht wohl, dass man die Darlehen bis Ende 2012 befristet hat.

    (Die Datenlage ist deshalb so mies, weil es sich bei der Kundin um ein in Hongkong ansässisges Unternehmen handelt. Nein jetzt bitte keine Ausführungen, dass ich die Insolvenzanfechtung damit ohnehin knicken kann.)

    @ LfdC:

    Wohl eher nicht, war wahrscheinlich als Sicherstellung der Lieferungen gedacht. Aber keine Ahnung (s.o.).

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  • weil es sich bei der Kundin um ein in Hongkong ansässisges Unternehmen handelt. Nein jetzt bitte keine Ausführungen, dass ich die Insolvenzanfechtung damit ohnehin knicken kann.)


    Die Ausführung lasse ich, in Ordnung. Ist das dann eine grundsätzliche Frage? ;)

    Genau als Sicherstellung der Lieferungen könnte man das nämlich mal zunächst sehen, sei es Vorkasse oder was auch immer. Vielleicht sollten die erst im Dezember 2012 beendet sein und es war eine Fälligkeit auf Dezember vereinbart?

    Grundsätzlich sehe ich schon eine Inkongruenz, habe aber Zweifel an der Anfechtbarkeit :D

  • Weil Du so fies bist, frage ich mal weiter:

    (Die Datenlage ist deshalb so mies, weil es sich bei der Kundin um ein in Hongkong ansässisges Unternehmen handelt.


    Hat nicht Dein Insoschuldner sämtliche Unterlagen oder sollte er sie haben? Oder sind die auf chinesich, kantonesisch, mandarin oder was man in HK so spricht? ;)

  • Okay ich werde dem Insolvenzverwalter sagen, dass dieser bitte dem Geschäftsführer der Schuldnerin sagen soll, dass dieser dem Unternehmen in Hongkong sagen soll....

    (Man wird wohl noch mal fragen dürfen :mad:. Und außerdem bin ich überhaupt nicht fies, jedenfalls nicht fieser als andere Anfechtungshansl'n.)

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  • Mit fies meinte ich die Vorstellung mit der Seife im Mund, ich komme nämlich gerade vom Zahnarzt...

    Mit den Unterlagen meine ich es so, dass ihr doch eine deutsche Insoschuldnerin habt, die über die Darlehensverträge und die sonstigen Unterlagen verfügen müsste. Die Tatsache, dass die Anfechtungsgegnerin aus Hongkong kommt, dürfte ja nur die Durchsetzung erschweren. Oder habe ich Dich jetzt falsch verstanden?

  • Du Armer :troest:. Zahnärzte sind alle doof.

    Also im Moment habe ich ein paar englisch sprachige Bestätigungen, eine Übersetzung der Darlehensvereinbarung, die sich genau auf meine Angaben reduziert, und ein paar Aussagen des Geschäftsführers. Ich bin da wohl auch noch nicht am Ende angekommen.

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  • Der Sachverhalt, so wie ich ihn verstehe, spricht doch eine deutliche Sprache: es ging beiden Parteien offensichtlich darum, jeweils noch eine offene Forderung gegen die andere Seite in ihren Büchern zu haben. Aber die Gründe hierfür tun wohl nichts zur Sache. Ebenso wenig dürften etwaige gesellschaftsrechtliche Verbindungen zwischen beiden Unternehmen bestehen, die vielleicht an Kapitalersatzrecht denken lassen könnten.

    Für die Frage der Anfechtbarkeit der Herstellung der Aufrechnungslage (mit der Folge des § 96 I Nr. 3 InsO) sollte zuerst gefragt werden, welche Rechtshandlung hier überhaupt angefochten werden kann. Das können m.E. nur die (i) Warenlieferungen der Schuldnerin, allenfalls noch die (ii) Rechnungsstellung mit offensichtlich langfristigem Zahlungsziel (bis 12/2012?) bzw. eine (iii) Stundung der Kaufpreisforderung sein. Alle drei Rechtshandlungen liegen außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums, so dass nur § 133 I InsO einschlägig sein kann. Die (iv) Aufrechnungserklärung durch den Auftraggeber kommt als anzufechtende Rechtshandlung nicht in Betracht, da sie keine Rechtshandlung der Schuldnerin enthält (daher § 133 InsO (-)) und es nach BGH (IX ZR 104/07) auf den Zeitpunkt ankommt, in dem sich die aufzurechnenden Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden, hier also 01/2012 und damit außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums (daher §§ 130f. (-)). Die Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruches ist hingegen unbeachtlich.

    Kann für eine Anfechtbarkeit nach §133 I InsO die Kenntnis des Auftraggebers von der drohenden ZU der Schuldnerin nicht nachgewiesen werden (§ 133 I 2 InsO), kann allenfalls noch mit Inkongruenz als "starkes Beweisanzeichen" für Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis auf Seiten des Anfechtungsgegners gearbeitet werden. Eine Inkongruenz könnte indes allenfalls hinsichtlich der ersten Lieferungen ab 05/2011 gesehen werden. Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits der Darlehensrückzahlungsanspruch aus dem Darlehen von 03/2011. Wenn man die Lieferung von Waren bereits im Hinblick auf die künftige Tilgung des Darlehens vereinbart hat, könnte man mit BGH (IX ZR 216/98, unter Ziff. IV. 2. a) Inkongruenz annehmen: "Verkauft der spätere Gemeinschuldner (…) ohne vorherige rechtliche Verpflichtung einem Gläubiger Ware, so ist die gegenüber der daraus resultierenden Kaufpreisforderung hergestellte Aufrechnungslage inkongruent."

    Hinsichtlich der anderen Warenlieferungen, die den Darlehen von 12/2011 und 01/2012 vorausgingen, kann man dies nicht annehmen. Weitere Anhaltspunkte, die eine Anfechtbarkeit begründen könnten, sehe ich nicht.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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