Ehegatten-Testament, Scheidung, neues Testament mit 2. Ehegatten

  • Folgender Sachverhalt:
    Der Erblasser ist 2012 verstorben.
    1978 errichtete er mit seiner ersten Ehefrau ein notarielles gemeinschaftliches Testament: Gegenseitige Erbeinsetzung mit Pflichtteilsklausel für das Kind (Sohn).

    Die Ehe wurde dann 1980 geschieden.

    2006 errichtete er mit seiner neuen, 2. Ehefrau ebenfall ein notarielles gemeinschaftliches Testament: Gegenseitige Erbeinsetzung, Erben des Längstlebenden werden die Enkel des Erblassers zu gleichen Teilen. Der Sohn des Erblassers aus der ersten Ehe soll nichts erhalten. Gemeinsame Kinder der 2. Ehe sind nicht vorhanden.

    Beide Testamente wurden eröffnet.
    Unstrittig ist ja das das 1. Testament aus 1978 durch die Ehescheidung 1980 unwirksam ist.
    Die Frage ist nun: Wird die 1. Ehefrau von der Testamentseröffnung benachrichtigt? Wenn ja, kriegt sie nur das 1. Testament oder beide? Geht sie der Inhalt des 2. Testaments überhaupt etwas an?
    Wie ist es mit der Wiederverwahrung? 2. Testament wird amtlich wiederverwahrt, aber das 1. Testament (wegen Pflichtteilsklausel eigentlich wieder zu verwahren)


  • Beide Testamente wurden eröffnet.
    Unstrittig ist ja das das 1. Testament aus 1978 durch die Ehescheidung 1980 unwirksam ist.
    Die Frage ist nun: Wird die 1. Ehefrau von der Testamentseröffnung benachrichtigt? Wenn ja, kriegt sie nur das 1. Testament oder beide? Geht sie der Inhalt des 2. Testaments überhaupt etwas an?
    Wie ist es mit der Wiederverwahrung? 2. Testament wird amtlich wiederverwahrt, aber das 1. Testament (wegen Pflichtteilsklausel eigentlich wieder zu verwahren)

    Ich ermittle die 1. Ehefrau und sende ihr "nur" das 1. Testament, allerdings mit dem Hinweis auf § 2268 BGB, also, dass von Unwirksamkeit bei Scheidung auszugehen ist, soweit nicht anzunehmen ist, dass die Verfügung auch für diesen Fall getroffen sein sollte. Das 2. Testament bekommt sie bei mir nicht (solange ich davon ausgehe, dass die Unwirksamkeit des 1. Testamentes eingetreten ist).
    Ich verwahre beide Testamnte weiter, auch wenn es bezügl. des 1. eigentlich keinen Sinn macht.

  • Also ich denke, dass die 1. Ehefrau beide Testamente erhalten müßte. Denn sie wäre für den Fall des § 2077 III BGB (also dass das erste Testament nicht durch Scheidung unwirksam sein sollte) hinsichtlich des zweiten Testamentes (zumindest theoretisch) Anfechtungsberechtigte gem. § 2080 I BGB. Dass das praktisch wohl keine Rolle spielen mag, darf m. E. bei der Frage der Testamentsübersendung keine Rolle spielen.

    Das 1. Testament müßte auch wieder verwahrt werden.

  • Da es für die Beurteilung nach § 2268 BGB nicht darauf ankommt, ob ein weiteres Testament nach der Scheidung errichtet wurde, bin ich weiter der Ansicht, dass die 1. Ehefrau erstmal keinen Anspruch auf Mitteilung des Inhalts des 2. Testamentes hat.

  • Zu #1:

    Zu prüfen ist noch, ob die Pflichtteilsstrafklausel für den Sohn eine Schlusserbeinsetzung enthält.

    OLG München, 16.7.2012 - 31 Wx 290/11

    Bindende Schlusserbeneinsetzung bei Pflichtteilsstraf- und Wiederverheiratungsklausel;

    Auslegung eines notariellen gemeinschaftlichen Testaments

    1. Auch ein notarielles Testament kann im Hinblick auf eine Schlusserbeneinsetzung auslegungsfähig sein.

    2. Eine Kombination von Pflichtteils- und Wiederverheiratungsklausel kann für eine Einsetzung der gemeinsamen Kinder als Schlusserben sprechen.

    Dann gilt weiter:

    1. Treffen die Ehegatten keine ausdrückliche Regelung, können beim Scheitern der Ehe Auslegungsschwierigkeiten entstehen, bei deren Behebung - nach jurisPK-BGB Band 5 Rz. 7 - folgende Erfahrungssätze weiterhelfen:



    Einseitige Verfügungen zugunsten Dritter oder einseitiger Verwandter wollen die Testierenden im Zweifel aufrechterhalten. DNotI-Gutachten, DNotI-Report 17/1997, S. 185;



    Bei wechselbezüglichen Verfügungen ist zu differenzieren:
    -
    Grundsätzlich entspricht eine Weitergeltung nicht dem Willen der Ehegatten, BayObLG München v. 08.06.1993 - 1Z BR 95/92 - juris Rn. 49 - NJW-RR 1993, 1157-1159; OLG Frankfurt v. 27.06.1978 - 20 W 448/78 - DRsp I (174) 188.
    Dies trifft zumindest auf solche Verfügungen zu, in denen sich die Ehegatten gegenseitig oder Verwandte des jeweils anderen Ehegatten mit wechselbezüglicher Wirkung einsetzen, OLG Hamm v. 22.10.1991 - 15 W 261/91 - NJW-RR 1992, 330-332.

    -
    Bei wechselbezüglichen Verfügungen, in denen die Testatoren gemeinsame Abkömmlinge begünstigen, kann dagegen die Weitergeltung gewollt sein, BayObLG München v. 08.06.1993 - 1Z BR 95/92 - juris Rn. 49 - NJW-RR 1993, 1157-1159; OLG Hamm v. 22.10.1991 - 15 W 261/91 - juris Rn. 22 - NJW-RR 1992, 330-332; OLG Stuttgart v. 01.09.1975 - 8 W 121/75 - juris Rn. 23 - OLGZ 1976, 17-20.

    Das betrifft nach Ansicht des BayObLG und des OLG Stuttgart zumindest solche Konstellationen, in denen bereits nach dem Erstverstorbenen die gemeinschaftlichen Kinder als Erben zu bestimmten Teilen eingesetzt waren, BayObLG München v. 08.06.1993 - 1Z BR 95/92 - juris Rn. 49 - NJW-RR 1993, 1157-1159; OLG Stuttgart v. 01.09.1975 - 8 W 121/75 - juris Rn. 23 - OLGZ 1976, 17-20.

    Dasselbe gilt hinsichtlich Verfügungen zugunsten Dritter, mit denen beide Ehegatten jeweils freundschaftlich verbunden sind.

    -
    Ist den gemeinschaftlichen Kindern bzw. den nahestehenden Freunden dagegen lediglich nach dem Letztversterbenden die Stellung als Schlusserben eingeräumt, so liegt die typische Konstellation des Berliner Testaments vor, was nach Meinung des OLG Hamm eher gegen den Aufrechterhaltungswillen spricht, OLG Hamm v. 22.10.1991 - 15 W 261/91 - juris Rn. 31 - NJW-RR 1992, 330-332. 


  • Also ich denke, dass die 1. Ehefrau beide Testamente erhalten müßte. Denn sie wäre für den Fall des § 2077 III BGB (also dass das erste Testament nicht durch Scheidung unwirksam sein sollte) hinsichtlich des zweiten Testamentes (zumindest theoretisch) Anfechtungsberechtigte gem. § 2080 I BGB.

    Das wäre keine Frage der Anfechtbarkeit der im zweiten Testament enthaltenen Erbeinsetzung, sondern eine Frage der Wechselbezüglichkeit der im ersten Testament enthaltenen Verfügungen.

  • zu # 6: o. k., das stimmt. Gleichwohl denke ich nach wie vor, dass die 1. Ehefrau auch das zweite Testament zur Kenntnis erhalten müßte. Denn wenn sie von einer fortwährenden Gültigkeit des 1. Testaments ausgeht (was wir ja zunächst nicht wissen), muss sie auch Kenntnis von der beeinträchtigenden weiteren Verfügung erhalten, um ggfl. die evtl. Wechselbezüglichkeit der 1. Verfügung geltend machen zu können.

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