Rechtsform einer Eigentümergemeinschaft "zur gesamten Hand"

  • Hallo liebe Forumgemeinde,

    ich habe ein Grundbuch vorliegen, in dem als Eigentümer 4 Personen (natürliche und juristische) "zur gesamten Hand" eingetragen sind. Gebucht ist ein ehemaliges Wegeflurstück.

    Laut meinen Recherchen gibt es (nur) drei Formen der Gesamthandsgemeinschaft: Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaft, Personengesellschaften.

    Muss es sich demnach um eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mit all den rechtlichen Konsequenzen handeln? Ist "zur gesamten Hand" nur eine frühere Eintragungsform?

    Die Frage ist relevant für die weitere Behandlung im Flurbereinigungsverfahren.

    Danke!!

    Flurbereiniger

  • Angeblich ist die Auflassung - und damit vermutlich auch die Eintragung - "an die Erwerber zur gesamten Hand" zur Not auslegungs- und umdeutungsfähig (vgl. Staudinger/Pfeifer § 925 Rn 55; KG OLGZ 22, 179). In welche Richtung die Auslegung gehen soll, steht im Staudinger aber nicht und die Entscheidung des KG habe ich nicht. Ein ähnliches Problem hatte wir kürzlich bei "Erwerbsverhältnis ...". Ergibt sich denn nichts aus der Auflassungsurkunde?

  • Danke für die schnelle Antwort.

    Der Orientierungssatz des Beschlusses des OLG Zweibrücken vom 05.02.1980 lautet: "Wird ein Grundstück an Ehegatten als Miteigentümer zu Bruchteilen aufgelassen und gleichzeitig bestimmt, daß die Auflassung zum Gesamtgut erfolgen soll, falls die Erwerber Gütergemeinschaft vereinbart haben sollten, so widerspricht dies dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. In einem solchen Fall ist die Auflassung unwirksam."

    Die behandelte Frage ist also eine andere.

    Die Auflassungsurkunde zu meinem Fall liegt mir (noch) nicht vor.

    Welche andere Form der Auslegung von "zur gesamten Hand" (als meine GbR-Auslegung) wäre denn noch irgendwie denkbar?

  • An Gesamthandsgemeinschaften gäbe es noch die Gütergemeinschaft, die Erbengemeinschaft oder ausländische Ehegemeinschaften.

    Ich würde mal mit der Auflassungsurkunde anfangen bzw. beim Grundbuchamt die Bereinigung dieser Eintragung anregen. So kommst Du ohnehin nicht weiter.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • muellersQ
    Wann... Das sind auf jeden Fall "uralte Zeiten". Genau weiß ich es nicht, aber einer der eingetragenen Personen ist 1886 geboren. Evtl. zu Zeiten der Bodenreform.


    Andreas
    An Gesamthandsgemeinschaften gäbe es noch... Das scheidet m.E. alles aus augrund des Wesens des gebuchten Grundstückes (ehemaliger Feldweg, Zweckgrundstück zur Erschließung). Führt das nicht zu dem Ergebnis: Einzig denkbare Rechtsbeziehung ist die GbR?

    In den Grundakten werde ich recherchieren und mir die Auflassungsurkunde (könnte auch ein Beschluss sein, wenn im Zusammenhang mit der Bodenreform) ansehen.

    Und du meinst, ich könnte evtl. beim GBA die Bereinigung der Eintragung von "zur gesamten Hand" in "in GbR" ersuchen? Würden die das von Amts wegen machen?

  • Die Spezilaitäten der neuen Bundesländer kenne ich nicht. Aber der Gedanke, ein Feldweg zur Erschließung mehrerer Grundstücke solle den berechtigten als Gesellschafter des bürgerlichen Rechts zustehen, befremdet mich doch sehr. Das halte ich eher für wirklichkeitsfremd, weil viel zu kompliziert (schon weil jeden Gesellschafterwechsel die anderen zustimmen müssten).

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Nach den neuen Bundesländern wollte ich auch gerade fragen.

    "In Ostdeutschland bestehen noch altrechtliche Personenzusammenschlüsse, denen als Gesamthandsgemeinschaften Rechte an Wegen und sonstigen Grundstücken zustehen." (Böhringer DtZ 1994, 194).

  • muellersQ
    Wann... Das sind auf jeden Fall "uralte Zeiten". Genau weiß ich es nicht, aber einer der eingetragenen Personen ist 1886 geboren. Evtl. zu Zeiten der Bodenreform.

    ...
    In den Grundakten werde ich recherchieren und mir die Auflassungsurkunde (könnte auch ein Beschluss sein, wenn im Zusammenhang mit der Bodenreform) ansehen.

    Dann stöbere doch mal hier im Forum auch unter "Separationsinteressenten", "Anlieger", "preußisch" - es kommt manchmal auch darauf an, wo (in welchem Bundesland) das Ganze spielt, Bodenreform deutet die (Himmels-)Richtung zwar schon an...

    Greif niemals in ein Wespennest - doch wenn du greifst, so greife fest. (W. Busch)

  • Nach den neuen Bundesländern wollte ich auch gerade fragen.

    "In Ostdeutschland bestehen noch altrechtliche Personenzusammenschlüsse, denen als Gesamthandsgemeinschaften Rechte an Wegen und sonstigen Grundstücken zustehen." (Böhringer DtZ 1994, 194).

    Da dürfte die Reise wohl hingehen.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Also Bundesland ist Sachsen.

    Ich habe mir gerade die Grundbücher der Anliegerflurstücke angeschaut. Bei einem ist noch ein "Gelöschter Bodenreformsperrvermerk" eingetragen. Somit ist das Ganze offenbar eine Bodenreformsache.

    Würde denn eine im Zuge der Bodenreform begründete Gesamthandsgemeinschaft als altrechtlicher Personenzusammenschluss gelten? "Altrechtlich" bedeutet doch m.E. -> vor inkrafttreten des BGB.

    Einmal editiert, zuletzt von Flurbereiniger (14. November 2012 um 14:32)

  • Als Bayer tue ich mir mit der Bodenreform etwas schwer, aber ist die Gemeinschaft denn wirklich mit dieser gegründet worden? Ich hätte jetzt eher vermutet, dass ihr dabei nur etwas zugeteilt wurde. Grundsätzlich ist das hier vermutlich keine andere Gemeinschaft als eine der in Art 233 § 10 EGBGB genannten. Nur dass die Mitglieder hier namentlich bekannt sind/waren und das Grundbuchamt seinerzeit vor dem Problem stand, wie man diese als altrechtlichen Zusammenschluss im Grundbuch einträgt.

  • Die Eintragung deutet darauf hin das es sich eventuell um eine Zweckgemeinschaft handelt (z.b. gemeinsame Nutzung eines Tränke- oder Dreschplatzes) , was im Rahmen der Bodenreform durchaus üblich war. Damit müsste es sich tatsächlich um eine altrechtliche Personengesellschaft handeln. Hier würde ich mir die Ersteintragung und das entsprechende Ersuchen (soweit im GB vorhanden ) ansehen. Bitte das Grundbuchamt um Aufklärung und Mithilfe.

  • @nemo Ich hab da zwar Vorbehalte, weil ich altrechtlich auf vor-BGB beziehen würde, aber wenn dem doch so ist, was hätte das für Folgen? Welches Recht kann ich darauf anwenden? Art. 233 § 10 EGBGB kann ich nicht anwenden, weil die Mitglieder namentlich drinstehen.

  • Im Moment kann ich dir da auch nicht weiterhelfen, ich denke das geht erst, wenn das Grunbuch aktualisiert wurde. Es bleibt also zunächst erst einmal abzuwarten, was die Ermittlungen des Grundbuchamtes zur Eintragungsgrundlage ergeben. Dann kann man eventuell konkreter werden.

  • "Altrechtliche Personenzusammenschlüsse" müssen vor Inkrafttreten des BGB entstanden sein.
    Im Kern-Sachsen (sächsisches Gebiet in den Grenzen vom 09.10.1948) gibt es keine "Altrechtliche Personenzusammenschlüsse" mehr.

    Auch zu Zeiten der Bodenreform galt das BGB.

  • frankenstein
    Danke, wie vermutet. Diese gibt es nicht mehr aufgrund des sächsischen "Gesetzes über die Aufhebung von Altgemeinden und Beräumung alter Vorrechte" von 1948 (siehe Publikation: http://www.frank-reichert.de/altrecht.html).

    In ca. 2 Wochen erwarte ich, dass mir die Eintragungsgrundlagen zum Grundbuch vorliegen.

    Aber zurück zur GbR. Auch ich halte/hielt das, wie Andreas es in #7 schreibt, für zunächst befremdlich und kompliziert. Aber es ist für mich derzeit die einzig mögliche BGB-konforme Rechtsbeziehung der Beteiligten. Die Beteiligten bilden eine Zweckgemeinschaft, auch diese ist letztlich eine Gesellschaft des BGB (siehe Gabler Wirtschaftslexikon: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/zweckgemeinschaft.html)

    Ich kenne bei Grundstücken in anderen Bodenordnungsverfahren als Eigentümereintragung: "Die jeweiligen Eigentümer der Flurstücke ..." (Anliegerflurstücke), ebenfalls im Zuge der Bodenreform entstanden. Ich meine Sinn macht das schon, aber es ist wohl nicht BGB-konform (?) ... aber trotzdem so eingetragen ;)

  • Diese gibt es nicht mehr aufgrund des sächsischen "Gesetzes über die Aufhebung von Altgemeinden und Beräumung alter Vorrechte" von 1948 (siehe Publikation: http://www.frank-reichert.de/altrecht.html).

    Von diesem Aufsatz sollte man die Finger lassen. Fehler über Fehler und überholte Rechtsauffassungen. Reichert gilt als unbelehrbar. Der BGH und das BVerwG haben sich Böhringer angeschlossen.


    Ich kenne bei Grundstücken in anderen Bodenordnungsverfahren als Eigentümereintragung: "Die jeweiligen Eigentümer der Flurstücke ..." (Anliegerflurstücke), ebenfalls im Zuge der Bodenreform entstanden. Ich meine Sinn macht das schon, aber es ist wohl nicht BGB-konform (?) ... aber trotzdem so eingetragen ;)

    Diese Grundbücher sind unrichtig. Ich würde sogar soweit gehen, daß kein Eigentumswechsel stattgefunden haben kann.

  • Von diesem Aufsatz sollte man die Finger lassen. Fehler über Fehler und überholte Rechtsauffassungen.

    Kannst du kurz schreiben, inwiefern der falsch ist?

    Ist im Endeffekt die Eintragung "zur gesamten Hand" zu unbestimmt im Sinne § 47 GBO?

    Könnte ich als Flurbereinigungsbehörde beim GBA um Berichtigung ersuchen? Oder (nur) ein Beteiligter? Auf welcher rechtlichen Grundlage? Und "muss" oder "kann" das GBA berichtigen?

    Hab leider (noch) keinen GBO-Kommentar...

  • Kannst du kurz schreiben, inwiefern der falsch ist?

    Reichert: „In diesen Fällen kann die Gemeinde als rechtmäßiger Eigentümer einen Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 13 i.V.m. § 22 GBO nachholen. Der erforderliche Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit kann mit dem Hinweis auf die gesetzliche Grundlage geführt werden.“

    Das ist falsch. Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Die Grundstücke sind mit der Verwaltungsreform von 1952 in DDR-Staatsvermögen übergegangen = Eigentum des Volkes. Die 1990 entstandenen Gemeinden sind keine Rechtsnachfolger, waren aber restitutionsberechtigt. Zur Umschreibung dieser Grundbücher ist ein Vermögenszuordnungsbescheid erforderlich.

    Reichert behauptet, daß die „Altrechtlichen Personenzusammenschlüsse“ im Freistaat Sachsen alle aufgehoben sind.

    Das ist genauso falsch. Die „Altrechtlichen Personenzusammenschlüsse“ sind nur in den Bereichen Sachsens aufgehoben, die am 09.10.1948 zum alten Land Sachsen gehört haben. In allen Gebieten Sachsens, die bis 1952 zum alten Land Sachsen-Anhalt gehört haben, bestehen die „Altrechtlichen Personenzusammenschlüsse“ fort, da sie nie aufgehoben wurden (Altkreise Eilenburg, Torgau, Delitzsch, Bad Liebenwerda, Herzberg). Dort vertritt die Gemeinde nach Art. 233 § 10 EGBGB.


    Ist im Endeffekt die Eintragung "zur gesamten Hand" zu unbestimmt im Sinne § 47 GBO?

    Diese Angabe des Gemeinschaftverhältnisses ist nicht möglich.


    Könnte ich als Flurbereinigungsbehörde beim GBA um Berichtigung ersuchen?

    Auf welcher Grundlage?


    Und "muss" oder "kann" das GBA berichtigen?

    Von Amts wegen wird gar nichts berichtigt.


    Oder (nur) ein Beteiligter? Auf welcher rechtlichen Grundlage?

    Da kennt sich Andreas besser aus.

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