Auslegung Testament

  • Hallo Zusammen, ich bräuchte mal ein paar Denkanstöße:

    Ein lediger Erblasser hinterlässt ein handgeschriebenes Testament mit folgendem Inhalt (verkürzt, aber ich verwende seine Wortwahl):

    1. Er erteilt seinem Freund das uneingeschränkte Nutzungsrecht (Wohnrecht) am Wohnhaus sowie allen auf dem Grundstück befindlichen Gebäuden/Gebäudeteilen.

    2. Er vermacht ihm den Inhalt zu seiner uneingeschränkten Verfügungsberechtigung.

    3. Er vermacht ihm das KFZ.

    4. Nach dem Ableben des Freundes soll das o.a. Haus incl. Grundstück in das Eigentum des G*** – Fonds übergehen.

    5. Sofern sich im Zeitpunkt seines Todes die ETW (derzeit vermietet) noch in seinem Eigentum befindet, vermacht er diese dem Hospiz-Verein E. zur uneingeschränkten Verfügung

    6. Der kath. Pfarrgemeinde werden 5000,- € vermacht – allerdings unter der Auflage, diese ausschließlich für die Durchführung und den Erhalt einer bestimmten Veranstaltung zu verwenden.

    7. Er wünscht anonyme Bestattung, Grab der Eltern soll entfernt werden, der Freund soll sich kümmern , weitere Bestimmungen zur Bestattung

    8. Den Erlös der Lebensversicherung vermacht er dem Freund, mit der Auflage, diesen zur Deckung der sich aus Ziff. 6 und 7 ergebenen Kosten zu verwenden. Die Verwendung eines evtl. Überschusses sowie der Bestände der beiden Konten legt der Erblasser vertrauensvoll in die Hände seines Freundes (für soziale Zwecke)


    Soweit so schlecht. Ich hab mal (gemeinsam mit einer Kollegin) gebrütet und bin zu folgendem „Ergebnis“ gekommen:
    Der Freund ist TV und Vermächtnisnehmer und erhält das Wohnrecht
    Der G***-Fond und der Hospiz-Verein sind Erben, wenn es noch die Wohnung gibt.

    Jetzt war der Freund heute für das TV-Zeugnis da und berichtet folgendes: die Wohnung gibt es noch ABER sie sollte verkauft werden. Maklerauftrag ist erteilt, Käuferin gefunden und mündliche Zusage an diese in Beisein des Freundes und der Eltern der Käuferin ist bereits erteilt. Zum Notartermin kam es wegen des überraschenden Todes nicht mehr.

    Der Freund möchte gern einen Erbschein. Und er würde auch gern den Verkauf der Wohnung abwickeln.
    Und ich steh jetzt offenbar völlig auf dem Schlauch und hab keine wirkliche Ahnung, wer Erbe ist.
    Kann mir mal jemand vom Schlauch helfen?

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

    Einmal editiert, zuletzt von Krotti (21. November 2012 um 14:27)

  • Ich würde sagen:

    Freund ist Alleinerbe.

    Alle restlichen Anordnungen sind Vermächtnisse bzw. Auflagen. TV sehe ich hier nicht.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Hm, die TV hab ich anfangs auch nicht gesehen. Da ist mein zuständiger Richter aber ganz klar in seiner Äußerung gewesen (ich hatte ihm die Akte mit dem selbstgeschriebenen TV-Zeugnis-Antrag des Freundes vorgelegt mit der Frage, ob eine TV gesehen wird).

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Also TV sehe ich auch nicht.

    Könnte bezüglich dieser Formulierung:

    4. Nach dem Ableben des Freundes soll das o.a. Haus incl. Grundstück in das Eigentum des G*** – Fonds übergehen.

    nicht evtl Vor- und Nacherbschaft in Betracht kommen?

    Über die Grundstücke an sich hat der Erblasser wohl nicht verfügt? Nur die Erteilung des Wohnrechts?

    Ziffer 2. versteht ich nicht.... welcher Inhalt? Der Inhalt der Wohnungen?

  • 1. Er erteilt seinem Freund das uneingeschränkte Nutzungsrecht (Wohnrecht) am Wohnhaus sowie allen auf dem Grundstück befindlichen Gebäuden/Gebäudeteilen.
    ....

    4. Nach dem Ableben des Freundes soll das o.a. Haus incl. Grundstück in das Eigentum des G*** – Fonds übergehen.

    5. Sofern sich im Zeitpunkt seines Todes noch die ETW (derzeit vermietet) noch in seinem Eigentum befindet, vermacht er diese dem Hospiz-Verein E. zur uneingeschränkten Verfügung

    Dies scheinen mir die wichtigsten Punkte für die Auslegung im Hinblick auf die Erbenstellung zu sein.
    Mit 1 und 4 könnten tatsächlich Vor- und Nacherbfolge gemeint sein. Problematisch finde ich aber, dass der EL bei 1. nur von Nutzungsrecht (Wohnrecht) spricht. Unter Nr. 4 spricht er ausdrücklich von Eigentum.
    Daraus würde ich schließen, dass der Freund zwar nutzen darf, aber es nicht in sein Eigentum übergehen soll.
    Das würde Vor- und Nacherbfolge ausschließen.
    Andererseits wäre die Frage, wer denn nach dem Willen des EL stattdessen vor dem Ableben des Freundes Eigentümer des Hauses sein soll, wenn ausdrücklich erst nach dem Tod des Freundes das Eigentum auf den G-Fonds übergehen soll.

    Für mich kann man das in zwei Richtungen interpretieren:
    a) Vor- und Nacherbfolge
    b) G-Fonds wird Erbe und der Freund erhält einen Nießbrauch/Wohnrecht


    Zudem bin ich unsicher im Hinblick auf den Hospiz-Verein. Die ETW ist möglicherweise ähnlich werthaltig wie das Haus, sodass evtl. auch der Verein als Erbe in Betracht käme. Da er aber (nur) die ETW (und auch nur, soweit sie beim Tode noch vorhanden ist) erhalten soll, würde ich diesbezüglich in Richtung Vermächtnis tendieren.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Gerade da es heisst "nach dem Tode des Freundes" würde ich nicht sagen, dass G-Fonds Erbe wird.

    Der Freund könnte doch unbefreiter Vorerbe sein....

  • Gerade da es heisst "nach dem Tode des Freundes" würde ich nicht sagen, dass G-Fonds Erbe wird.

    Der Freund könnte doch unbefreiter Vorerbe sein....

    Klar. Aber dann hätte er natürlich deutlich mehr erlangt als nur ein Nutzungsrecht an dem Haus.
    Er soll das Inventar des Hauses und den PKW "uneingeschränkt" erhalten, hinsichtlich des Hauses aber (nur) ein Nutzungsrecht. Das restliche (Bar)Vermögen soll er offenbar auch verteilen (s. Ziff. 8).
    Sollte er angesichts dessen wirklich Erbe sein? Ich bin unschlüssig.
    Nur: wenn nicht er, wer dann?

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Nur: wenn nicht er, wer dann?

    Ja, das ist die Frage....
    :)
    Ich habe eher den Eindruck, dass es bei Ziffer 4 nur sichergestellt werden soll, dass G-Fonds später einmal Eigentümer wird und nicht die Gefahr besteht, dass alles verkauft wird. Da er ja ein Wohnrecht für den Freund wollte und ihn auch sonst mit allem beauftragt hat tendiere ich weiterhin zur Vor- und Nacherbschaft.....

  • An Vor- und Nacherbschaft hab ich auch schon gedacht. Ich tue mich damit aber schwer, da er die Worte Nutzungsrecht und Eigentum benutzt.
    Die TV sehe ich in "Freund soll sich kümmern" und dem Passus in Ziff. 8

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Das weiß ich noch nicht. Das fällt in den Fragenkatalog, den ich für den Freund fertigen wollte, bevor ein Termin für den ES-Antrag gemacht wird. Ebenso die Höhe der Summe auf den Sparbüchern und den Wert des Grundstückes

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • TV wäre nur zur Erfüllung des Vermächtnisses angeordnet und interessiert so für den Erbschein nicht. (VermächtnisTV)

    Es wurde lediglich hinsichtlich der ETW ein Erbe bestimmt. Da zum Nachlass noch ein Grundstück und wohl Sparguthaben gehört würde gem. § 2088 BGB im Übrigen die gesetzliche Erbfolge eintreten.

    Hinsichtlich eines x-tels am Nachlass (den der gesetzl. Erben) ist Nacherbfolge angeordnet.
    Sie tritt ein Mit Tod des Freundes XY Z.
    Nacherbe ist die Fond Gesellschaft.

  • Es erscheint zweifelhaft, dass die gesetzlichen Erben an der Erbfolge beteiligt sein sollen. Um evtl. in die Richtung zu gehen, müsste es schon erheblichen Nachlass außer den im Testament genannten Sachen geben. Spekulativ: angesichts der Anordnungen kann vermutet werden, dass der Erblasser keine näheren Angehörigen hat.

    Eine Nacherbfolge mit dem Freund als nicht befreiten Vorerben und Begünstiger eines Vermächtnisses erscheint als Auslegungsergebnis durchaus möglich, allerdings ist das mit der Testamentsvollstreckung nicht gerade in Einklang zu bringen.

    Zitat

    Ich tue mich damit aber schwer, da er die Worte Nutzungsrecht und Eigentum benutzt.

    Eine nicht befreite Vorerbschaft käme einem Nutzugnsrecht sehr nah.

    Zitat von Krotti

    Die TV sehe ich in "Freund soll sich kümmern" und dem Passus in Ziff. 8

    Das würde jedoch auch für einen Vorerben passen.

  • So Ihr Lieben, ich hatte heute den Termin mit dem Freund und er hat mir folgende Daten mitgebracht:

    • das Grundstück ist ca. 100.000,- € wert, unbelastet
    • die Eigentumswohnung ist ca. 99.000,- € wert, mit 58.010,- € belastet – hier war bereits der Verkauf angeleiert. Eine Käuferin war gefunden und mit ihr hat der Erblasser noch zu Lebzeiten eine Einigung über den Verkauf herbeigeführt - die Zusage sozusagen erteilt. Der Notartermin hat dann aber wegen des überraschenden Todes doch nicht mehr stattgefunden. Die Wohnung gehört also schon noch in den Nachlass.
    • die Lebensversicherung hat einen Auszahlungsbetrag von 38.340,65 € und hier wurde das Bezugsrecht Anfang August 2012 auf den Freund umgestellt. Dies hatte wohl den Grund, dass der Freund problemloser an das Geld kommen sollte, um die Rechnungen zu bezahlen und die Spenden zu regeln.
    • die restlichen bestehenden Konten haben insgesamt ein Saldo von – 1011,73 €
    • weiterer Nachlass ist quasi nicht vorhanden (Hausrat etc.)


    Ich bin für alle Hilfen dankbar!

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Mein spontaner Gedanke war auch Vor- und Nacherbschaft. Mal sehen, wie sich das mit Deinem Testament verträgt.

    1. Er erteilt seinem Freund das uneingeschränkte Nutzungsrecht (Wohnrecht) am Wohnhaus sowie allen auf dem Grundstück befindlichen Gebäuden/Gebäudeteilen.

    --> Als Vorerbe kann der Freund nutzen und verfügen

    2. Er vermacht ihm den Inhalt zu seiner uneingeschränkten Verfügungsberechtigung.
    3. Er vermacht ihm das KFZ.

    Als Vorerbe kann der Freund aber nicht unentgeltlich verfügen (§ 2113 II 1 BGB). Es könnte ein Vorausvermächtnis an den Vorerben/Freund sein, das in dieser Konstellation dinglich wirkt (§ 2110 II BGB)

    4. Nach dem Ableben des Freundes soll das o.a. Haus incl. Grundstück in das Eigentum des G*** – Fonds übergehen.

    --> G als Nacherbe zu 2/3 (?)

    5. Sofern sich im Zeitpunkt seines Todes die ETW (derzeit vermietet) noch in seinem Eigentum befindet, vermacht er diese dem Hospiz-Verein E. zur uneingeschränkten Verfügung

    --> E als Nacherbe zu 1/3 (?) --> Edit: Hier habe ich falsch gelesen. Gemeint ist der Tod des Erblassers, also "richtiger" Erbe

    6. Der kath. Pfarrgemeinde werden 5000,- € vermacht – allerdings unter der Auflage, diese ausschließlich für die Durchführung und den Erhalt einer bestimmten Veranstaltung zu verwenden.

    --> Vermächtnis

    7. Er wünscht anonyme Bestattung, Grab der Eltern soll entfernt werden, der Freund soll sich kümmern , weitere Bestimmungen zur Bestattung

    --> Auflage

    8. Den Erlös der Lebensversicherung vermacht er dem Freund, mit der Auflage, diesen zur Deckung der sich aus Ziff. 6 und 7 ergebenen Kosten zu verwenden. Die Verwendung eines evtl. Überschusses sowie der Bestände der beiden Konten legt der Erblasser vertrauensvoll in die Hände seines Freundes (für soziale Zwecke)

    --> Auflage und Vorausvermächtnis. Jetzt kann man sicherlich streiten, ob auch ein Vermächtnis den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Versicherungssumme im Valutaverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Freund sein kann. Es muss jedenfalls nicht zwingend ein Schenkungsvertrag im Valutaverhältnis zustande kommen.

  • Ich hab irgendwie ein Problem damit, den Freund als Vorerben zu sehen. Er soll ja nur das Nutzungsrecht an dem Grundstück erhalten. Könnte nicht der G***-Fond direkt Erbe sein, beschwert mit einem Nießbrauch für den Freund?

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Ich hab irgendwie ein Problem damit, den Freund als Vorerben zu sehen. Er soll ja nur das Nutzungsrecht an dem Grundstück erhalten. Könnte nicht der G***-Fond direkt Erbe sein, beschwert mit einem Nießbrauch für den Freund?

    Ja, könnte auch. Dann erklärt sich natürlich 4. nicht mehr so ganz, weil G sofort Erbe wäre. Aber alles wird hier sowieso nicht stimmig. Du musst Dir vermutlich die Lösung suchen, die aus Deiner Sicht am besten passt und das meiste erklären kann ...

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