Rechtspfleger zur Meldung von Straftaten verpflichtet?

  • Hallo,
    einfach mal eine Grundsatzfrage, für die ich hier keinen passenden Thread gefunden habe.

    Wenn im Zusammenhang einer Nachlasspflegschaft dem Rechtspfleger Straftaten offensichtlich werden (z.B. Unterschlagung, Diebstahl usw.), besteht hier die Pflicht per se zur Meldung oder ist dies "Aufgabe" der evtl. Erben, falls die dahinter kommen?

    Wünsche euch ein schönes Wochenende!

  • Ob ine Straftat vorliegt, kann der Rechtspfleger des Nachlassgerichts nicht ohne weiteres beurteilen. Dies ist Aufgabe der Ermittlungsbehörde Staatsanwaltschaft in Verbindung mit der Polizei.
    Wenn der Rechtspfleger des Nachlasgerichts den Verdacht einer Straftat hat, kann er wegen der Wahrung des Dienstgeheimnisses nicht ohne Weiteres die Akte der Staatsanwaltschaft vorlegen, sondern sollte dies seinem Dienstvorgesetzten, dem Präsidenten bzw. Direktor seines Amtsgerichts überlassen.
    Das ergibt sich logischerweise schon daraus, dass ein Beamter für eine Aussage in einer Strafsache der Aussagegenehmigung seines Dienstvorgesetzten bedarf.
    Die Akte sollte zweckmäßigerweise in diesem Fall dem Präsidenten/Direktor vorgelegt werden.

    Eine Verpflichtung zum Handeln besteht beim Rechtspfleger des Nachlassgerichts nur in den Fällen, die als Nichtanzeige gem. § 138 StGB mit Strafe bedroht sind.
    In den übrigen Fällen ist der Rechtspfleger nicht verpflichtet, die Akte dem Gerichtsvorstand vorzulegen, kann es jedoch nach seinem Ermessen tun.

  • ...ich wußte nicht, dass ich einen derartigen Vorgang über den Dienstvorstand "anzuschieben" habe. Woraus ist das zu schließen?

    Das ergibt sich logischerweise schon daraus, dass ein Beamter für eine Aussage in einer Strafsache der Aussagegenehmigung seines Dienstvorgesetzten bedarf.


    Das kann ja kein logischer Rückschlussgrund sein, denn das ist ja ein völlig anderer Sachverhalt.

    Ich dachte, der Rpfl kann selbstverständlich die von ihm bearbeitete Akte an die StA weiterleiten und um Prüfung bitten, ob evtl. ein Offizialdelikt vorliegt. Hier von "Dienstgeheimnis" zu sprechen, halte ich innerhalb der Justiz und bei einem Offizialdelikt nicht für angebracht. Ich kenne solche Fälle, in denen z.B. ein Erbe offensichlich bewusst eine falsche eidesstattliche Versicherung bei einem Erbscheinsantrag abgegeben hat. Da reicht man die Akte mit einem entsprechenden Vermerk ganz einfach an die StA weiter. So kannte ich das zumindest.

    Anders verhält es sich m.E. bei einem Vergehen, für das ein Strafantrag notwendig ist. Das wird ja nur dann verfolgt, wenn eben ein solcher Antrag vorliegt....und wenn da der Rpfl antragsberechtigt ist, dann kann er das natürlich auch tun. Wenn aber der NLPfleger antragsberechtigt ist, dann geht es den Rpfl streng genommen nichts an, denn es ist die Entscheidung des Betroffenen, ob er den Strafantrag stellt, oder eben nicht.

    Aber verstehe ich die Frage richtig? Der Nachlasspfleger hat ggf. eine Unterschlagung etc. begangen? Dann doch bitte sofort abberufen und einen anderen Pfleger bestellen, der dann sowohl die zivilrechtlichen, aber auch die strafrechtlichen Fragen zu klären hat.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    6 Mal editiert, zuletzt von TL (18. Januar 2013 um 16:59)


  • Das kann ja kein logischer Rückschlussgrund sein, denn das ist ja ein völlig anderer Sachverhalt.

    Ich meine denselben Sachverhalt :
    Angenommen, die StA habe auf Grund einer Strafanzeige eines Beteiligten die Nachlassakte angefordert und als Ergebnis ihrer Ermittlungen eine Straftat zur Anklage gebracht.
    Zur Hauptverhandlung beim Amtsgericht (vielleicht demselben, dem der Nachlassrechtspfleger angehört) darf der als Zeuge geladene Nachlassrechtspfleger nicht über den in der Akte dokumentierten Fall reden, ohne dass gem. § 54 Abs. 1 StPO eine Aussagegenehmigung seines Dienstvorgesetzten, also des Präsidenten seines Gerichts, vorliegt.
    Dann darf er doch logischerweise auch nicht vorher den Akteninhalt bekannt geben.

    Die Verschwiegenheitspflicht ergibt sich aus § 37 BeamtStG. Sie gilt nach Abs. 2 Nr. 1 dieser Vorschrift nicht, wenn "Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind". Eine Vorschrift, die im Verdachtsfall eine Mitteilungspflicht vorschreibt, existiert nicht.
    Weiter bestimmt Abs. 2 : "Im Übrigen bleiben die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten, von Absatz 1 unberührt"

    Was ist daran störend, bei Verdacht einer strafbaren Handlung die Akte seinem Präsidenten vorzulegen ? Wäre es so, dass der Nachlassrechtspfleger sich direkt an die StA zu wenden hätte, würde man ihm dies schon mitteilen.
    Ich würde es jedenfalls nicht darauf ankommen lassen, eine Verschwiegenheitsverletzung zu begehen. Was hätte ich davon ?

  • Sofern ich als Zeuge etc. aussagen soll, sehe ich es genauso. Auch, wenn ich einen Kollegen "anzeigen" will. Wenn ich aber in meiner Eigenschaft als "Nachlassrichter" von einer falschen EV oder einer Urkundenfaelschung usw in einem von mir bearbeiteten Fall erfahre, dann begehe ich meines Erachtens keinen Geheimnisverrat, wenn ich mich direkt an die StA wende. Das Thema ist aber umstritten: https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…schung-anzeigen

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (21. Januar 2013 um 08:26)

  • Vielen Dank für eure ausführlichen Antworten und diese treffen auch genau den Kern meiner Frage.
    Zum einen gilt die Verschwiegenheitspflicht, auf der anderen Seite aber auch eine gewisse Pflicht die "Rechtsordnung" zu erhalten.

    Wie Jakintzale schon richtig bemerkte, kann ein Rpfl sicher nicht immer abschließend beurteilen, ob eine Straftat vorliegt, dazu ist er sicher auch nicht verpflichtet.

    Deshalb gehe ich auch der Einfachheit wegen von ganz offensichtlichen Delikten aus, wie z.B. Unterschlagungen, Diebstähle, Urkundenfälschung usw.. Also wenn etwas verschwindet was vorher da war, bzw. etwas auftaucht was Eingangs unterschlagen wurde oder mit einer verschwundenen Schußwaffe aus einem Nachlass 14 Tage später eine Tankstelle überfallen wird :eek:.... dann liegt es doch klar auf der Hand das etwas faul ist.

    Nach meiner Meinung können doch Straftaten jeglicher Art, gerade bei einer Justizbehörde, generell keinem Schutzbedürfnis (Verschwiegenheit) unterliegen. Das wäre ja Fatal! Da kann doch nur gesetzlich etwas "falsch formuliert" sein :gruebel:


  • Nach meiner Meinung können doch Straftaten jeglicher Art, gerade bei einer Justizbehörde, generell keinem Schutzbedürfnis (Verschwiegenheit) unterliegen. Das wäre ja Fatal! Da kann doch nur gesetzlich etwas "falsch formuliert" sein :gruebel:

    Nein, das glaube ich nicht.
    Um es zu verdeutlichen :
    Als Privatmann kann ich jederzeit eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstatten, wenn ich den Verdacht einer Straftat habe.
    Als Nachlassrechtspfleger habe ich einen solchen Verdacht aber nicht in meiner Eigenschaft als "Privatmann", sondern als "Beamter". Deshalb kann ich nicht handeln wie ein Privatmann - nach meinem Belieben also - sondern muss mich an die beamtenrechtlichen Vorschriften halten. Danach kann der Dienstvorgesetzte, also der Gerichtspräsident, einen ihm unterstellten Beamten von dessen Verschwiegenheitspflicht entbinden, folglich kann auch der Dienstvorgesetzte an Stelle des Beamten den entsprechenden Aktenvorgang an die StA geben, ohne dass dadurch die Verschwiegenheitspflicht des einzelnen Beamten verletzt würde.

    Abgesehen davon : weshalb sollte sich der einzelne Beamte direkt an die StA wenden dürfen, weshalb sollte die Vorlage an den Dienstvorgesetzten ihm nicht zuzumuten sein ?
    Und wenn es so wäre, dass ich mich gewaltig irrte - was ja durchaus möglich ist - würde dann nicht der Dienstvorgesetzte es sich verbitten, mit solchen Ansinnen belästigt zu werden ?

  • Das klingt einleuchtend.

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  • Ja ok, leuchtet mir jetzt ein.... die jeweiligen Eigenschaften als Privatmann und Beamten kann man in dem Sinne nicht in einen Topf werfen. Der korrekte Dienstweg ist unter den Gesichtspunkten sicher unerlässlich.

    Letztendlich spielt es aber keine große Rolle ob der Rpfl Delikte direkt der StA meldet oder zunächst dem Präsidenten. Dieser Dienstweg umgeht ja quasi "nur" die Pflicht zur Verschwiegenheit.
    Sicherlich ist auch die Aktenvorlage beim Dienstvorgesetzen zumutbar, das bezweifle ich ebenfalls nicht. Schlussendlich ist es vom Aufwand das gleiche wem man die Akte zur Prüfung vorlegt.... nuuuuuuur, wenn wir jetzt vom original Dienstweg über den Gerichtspräsidenten ausgehen, dann müsste ich die Eingangsfrage eigentlich umformulieren :cool: in: "Rechtspfleger zur Meldung von Straftaten beim Gerichtspräsidenten verpflichtet?" :D

  • dann müsste ich die Eingangsfrage eigentlich umformulieren :cool: in: "Rechtspfleger zur Meldung von Straftaten beim Gerichtspräsidenten verpflichtet?" :D

    Nein ! Nur bei den Straftaten, deren Nichtanzeige das StGB unter Strafe stellt.

    Es steht im rechtspflegerischen Ermessen, so zu handeln. Er wird bei seiner Ermessensausübung sicherlich berücksichtigen, dass zum Schutze der Geschädigten eine Anzeige bei der StA zur weiteren Ermittlung angebracht sein sollte. Er wird weiterhin den Gedanken berücksichtigen, ob ein Nichtstun mit der ihm obliegenden Verfahrensfürsorge zu vereinbaren sei.

    Ich hätte bei jedem mir aufgekommenen Verdacht einer Straftat die Akte dem Gerichtspräsidenten vorgelegt, auch um einen möglichen Verdacht einer Beteiligung an der Straftat meinerseits entgegen zu wirken. Aber der letzte Gedanke ist meiner in 16 Jahren Strafabteilungstätigkeit entwickelten überaus großen kriminalistischen Fantasie geschuldet ;) und ist vielleicht etwas weit hergeholt.

  • Also sooooooo weit hergeholt halte ich das gar nicht und viel kriminalistische Fantasie brauchste da nicht haben. In der Vergangenheit hat es tatsächlich Fälle gegeben, wo sogar die ganze Geschäftsstelle unterwandert war :teufel:
    Daher halte ich deine Einstellung keineswegs für übertrieben :daumenrau

  • Ich sehe es anders: Wenn ich (Gericht) einen Nachlasspfleger einsetze und der begeht eine Straftat im Rahmen seines Aufgabenkreise, dann ist das keine Privatsache die der Verschwiegenheit unterliegt. Ich bin verpflichtet, das der Staatsanwaltschaft anzuzeigen.

  • @ uschi

    ... das ist eben die große Frage... Aus reiner Logik heraus sehe ich das auch so, denn bei einer Justizbehörde kann theoretisch Schindluder jeder Art nicht geduldet werden.

    Deshalb wundert es mich ja, das so etwas nicht bzw. nicht eindeutiger geregelt ist...

  • @Uschi:Im Prinzip sind wir uns ja alle einig, dass man aktiv werden muss. Es geht nur darum, ob die Anzeige direkt moeglich ist oder wegen beamtenrechtlicher Vorschriften ueber den Dienstvorgesetzen gehen muss.

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (1. Februar 2013 um 14:30)

  • @Uschi:Im Prinzip sind wir uns ja alle einig, dass man aktiv werden muus...

    Ich würde mich ja anschließen, wenn denn eine Begründung, nicht nur eine Behauptung aufgestellt werden würde. Der BGH, 30.04.1997, 2 StR 670/96 sieht keine allg. Verpflichtung eines Beamten zur Anzeige. Es gibt sie in bestimmten Fällen, z.B. § 183 GVG; § 6 SubvG, Nr. 9 DSVollz, aber wieso hier?

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich finde die BGH-Entscheidung richtig. Ich bin nicht verpflichtet, eine Straftat eines Kollegen anzuzeigen, wenn ich sie erkennen konnte/musste, aber hier wurde die Straftat ja von jemandem begangen, den ich in das Amt eingesetzt habe und den ich überprüfen muss.
    Direkt oder auf dem Diesntweg? Ich habe einen guten Draht zu meinen Vorgesetzten und muss nicht befürchten, dass da jemand in die Sache verwickelt sein könnte, also würde ich natürlich zuerst Kontakt mit ihnen aufnehmen. Wenn ich aber weiß, dass der Täter ein Verwandter/Kumpel eines Vorgesetzten ist, dass würde ich mich direkt an die STA wenden, soviel Mumm muss sein.


  • Direkt oder auf dem Diesntweg? Ich habe einen guten Draht zu meinen Vorgesetzten und muss nicht befürchten, dass da jemand in die Sache verwickelt sein könnte, also würde ich natürlich zuerst Kontakt mit ihnen aufnehmen. Wenn ich aber weiß, dass der Täter ein Verwandter/Kumpel eines Vorgesetzten ist, dass würde ich mich direkt an die STA wenden, soviel Mumm muss sein.

    Es geht nicht um den Vorgesetzten, sondern um den Dienstvorgesetzten. Das ist derjenige, der für beamtenrechtliche Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der ihm nachgeordneten Beamten zuständig ist, z.B. Erteilung einer Aussagegenehmigung.

    Bei einem Nachlassgericht wird es der Amtsgerichtspräsident sein.

    Im übrigen gibt der Ausgangsfall zu #1 nicht her, dass mutmaßlicher Täter der Nachlasspfleger sei. Häufiger in der Praxis dürften doch Diebstähle und/oder Unterschlagungen von solchen Leuten begangen werden, die sich Zugang zu den Räumlichkeiten des Verstorbenen verschaffen konnten.

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