Erbrecht des Fiskus aufheben ? Erbannahme gemäß § 1943 BGB

  • Folgender Sachverhalt bereitet mir Entscheidungsschwierigkeiten:

    Erblasserin hinterlässt testamentarische und gesetzliche Erben. Die testamentarischen und gesetzlichen Erben (37 Erben in der 1. und 2. Ordnung) schlagen die Erbschaft in rekordverdächtiger Zeit aus; die Ermittlung der weiter entfernt verwandten Erben wurde durch präzise Angaben einer gesetzlichen Erbin der 1. Ordnung erheblich beschleunigt.

    Wie sich im Verlauf ergeben hat, gehört eine – erheblich belastete – Eigentumswohnung zum Nachlass. Da rasch klar war, dass wohl nur Erbausschlagungen erfolgen würden, wurde (kurz bevor der letzte Erbe der 2. Ordnung ausgeschlagen hat) parallel zum Verfahren gem. § 1953 III BGB eine öffentliche Aufforderung erlassen, um zeitnah das Erbrecht des Fiskus feststellen zu können.

    Das Erbrecht des Fiskus wurde auch durch Beschluss festgestellt und dem Fiskalvertreter gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Auf Antrag des Fiskalvertreters wurde ein Erbschein erteilt, damit die Grundbuchberichtigung erfolgen kann.

    3 ½ Monate nach der Zustellung des Beschlusses über die Feststellung des Erbrechts des Fiskus (und 2 Monate nach Erteilung des Fiskalerbscheins) hat sich dann der Fiskalvertreter zur Akte gemeldet und beantragt: „ ...den Beschluss über die Feststellung des Erbrechts des Fiskus aufzuheben und festzustellen, dass die XYZ (eine Tochter der Erblasserin) rechtmäßige Erbin geworden ist.“

    Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die XYZ die Erbausschlagung nicht wirksam erklärt habe, denn sie habe vor der Ausschlagung

    - am Tag des Todes der Erblasserin dreimal über Guthaben auf dem Girokonto der Erblasserin verfügt, und zwar über
    a) 1.500,00 € (Überweisungsauftrag)
    b) 1.300,00 € (Überweisungsauftrag)
    c) 7.00,00 € (Bargeldabhebung);
    das Konto hatte unter Berücksichtigung einer Einzahlung/Gutschrift auf das
    Erblasserkonto durch die XYZ dann einen Schluss-Kontostand von 0,02 € aus.

    - über einen Nachlassgegenstand verfügt, denn es sei in KFZ der Erblasserin veräußert worden; Grundlage des Antrags ist also § 1943 BGB.

    Die XYZ hat dem Fiskalvertreter mitgeteilt:

    - die Überweisungsaufträge a) und b) seien bereits drei Tage vor dem Tod der Erblasserin – auf deren Auftrag hin - in Auftrag gegeben worden, die Buchung sei aber erst am Todestag erfolgt. Die Überweisung a) habe die Ablösung eines Kredits zur Finanzierung des KFZ der Erblasserin betroffen, bei der Überweisung b) habe es sich um eine Darlehnsrückzahlung an die Enkelin (Tochter der XYZ) der Erblasserin gehandelt. Die Abhebung c) sollte Betreuungsaufwendungen der XYZ für die Erblasserin abgelten; diesen Wunsch habe die Erblasserin zu Lebzeiten geäußert.

    - die Bargeldabhebung vom Geldautomaten sei am Todestag vormittags erfolgt, die Erblasserin ist aber in den frühen Morgenstunden desselben Tages verstorben. XYZ habe vom Tod der Erblasserin aber erst am Nachmittag erfahren.

    - Das KFZ sei nach Ablösung des KFZ-Finanzierungskredits veräußert worden, um die Beerdigung der Erblasserin zu bezahlen

    - Einzahlung/Gutschrift auf das Erblasserkonto sei erfolgt, um ein „Minus“ auf dem Konto zu vermeiden


    Meine spontanen Gedanken zum Fall:

    1.
    Eine Beschwerde des Fiskalvertreters gegen den Fiskuserbrechtsfeststellungsbeschluss ist den genannten Anträgen wohl nicht zu sehen – die Frist dazu ist auch schon abgelaufen.

    2.
    Der Fiskuserbrechtsfeststellungsbeschluss stellt aber nur eine widerlegbare Vermutung dar, eine Aufhebung also möglich (nach meinem Dafürhalten auch nach RK des Beschlusses). Im Antrag des Fiskalvertreters ist zudem eine Anregung auf Einziehung des Fiskalerbscheins zu sehen (Aber Einziehung erst dann veranlassen, wenn der „Aufhebungs-Beschluss“ rechtskräftig ist?).

    3.
    Eine Feststellung – durch Beschluss – das XYZ Erbin geworden ist, kann das Nachlassgericht nicht treffen (also Teil-Rückweisung beschließen?).


    Die Aufhebung des Fiskuserbrechtsfeststellungsbeschlusses und anschließende Einziehung des Erbscheins müsste erfolgen, wenn ich zu dem Schluss käme, dass die XYZ die Erbschaft (durch Verfügung über den Nachlass bzw. Nachlassgegenstände) angenommen hat.

    Die Begründung der XYZ für die Verfügungen über das Guthaben legt zumindest den Verdacht nahe, dass eine Erbannahme vorliegt. Das Konto der Erblasserin war durch die Verfügungen praktisch leer geräumt. Ein KFZ wurde ebenfalls veräußert – die Erlössumme soll aber für die Beerdigung verwendet worden sein. Und dann auch noch die Darlehnsrückzahlung an die Enkelin und das „Pflegegeld“, das die XYZ sich selbst abgeholt hat (zu einem Zeitpunkt, als sie angeblich vom Tod der Erblasserin noch nicht gehört haben will).

    Aber liegt ein Annahmewillen der XYZ vor – oder braucht es den gar hier nicht?

    Oder ist XYZ gar nicht Erbin geworden – und muss der Erbe seine Ansprüche gegen die XYZ geltend machen?

    Egal wie ich entscheide – entweder XYZ oder der Fiskalvertreter – wird sehr wahrscheinlich ins Rechtsmittel gehen ... was passiert in der „Zwischenzeit“? Ich habe zwar einen Erben (sogar edurch Erbschein ausgewiesen) – aber diesen möglicherweise nur auf Zeit (je nachdem, was dann in der Beschwerdeinstanz entschieden wird) ...


    Kann mir das Forum bei der Meinungsbildung helfen?

  • Die Bankgeschäfte dürften nicht als Erbannahme zu werten sein, weil die betreffenden Verfügungen mangels Erbnachweis nicht "als Erbe", sondern -soweit die Tochter selbst und nicht noch die Erblasserin gehandelt hat- allenfalls als Kontobevollmächtigte gehandelt haben kann und Bankvollmachten in der Regel über den Tod hinaus erteilt sind. Im Fall angeordneter Betreuung könnten auch die §§ 1908i Abs.1 S.1 BGB i.V.m. §§ 1698a, b BGB einschlägig sein.

    Im Hinblick auf den PKW könnte es sich um ein Geschäft i.S. des § 1959 BGB gehandelt haben.

  • Im Erbfall fuehren Banken kulanter Weise auch dann eine Kontoverfuegung ohne Erbnachweis durch, wenn der Auftraggeber beispielsweise die Ueberweisung von Beerdigungskosten bzw. sonstigen Nachlassregelungskosten durch Vorlage der Rechnungen wuenscht. Eine Erbschaftsannahme ist mit solchen "Verwaltungshandlungen" meines Erachtens noch nicht verbunden. Gegebenenfalls koennte die XYZ auch die potentielle Annahme anfechten und dann bleibt ohnehin alles beim Alten. Ich sehe es daher wie Cromwell.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Zustimm! =)

    Aber erzähl mal, wie du weiter verfahren bist. Der Fall ist ja schon ein bisschen außergewöhnlicher.

  • Zur Ergänzung:

    Damrau/Boeken, Praxiskommentar Erbrecht 2. Auflage 2011 § 1960 Rn 4
    "Das Verhalten des Erben muss den eindeutigen Willen erkennen lassen, die Erbschaft anzunehmen (abzugrenzen ist hiervon etwa der bloße Wille, die Verwaltung der Erbschaft zu übernehmen; siehe näher zum Begriff der Erbschaftsannahme § 1942 Rn 5 und § 1943 Rn 1 f.)."


    Kroiß/Ann/Mayer, BGB | Erbrecht, NK-BGB, Bd 5 / 3. Auflage 2010 Rn 5
    "Da die Erbschaftsannahme durch schlüssiges Verhalten lediglich verlangt, dass der Erbe eine Handlung vornimmt, die objektiv die Schlussfolgerung zulässt, er wolle den Nachlass endgültig behalten (siehe § 1943 Rn 10), begründet das Fehlen des Annahmewillens zwar keinen Erklärungs-, wohl aber einen Inhaltsirrtum, so zB, wenn der vorläufige Erbe einen Nachlassgegenstand veräußert, ohne zu wissen, dass er damit die Erbschaft annimmt (siehe § 1943 Rn 12)."


    Vgl. Zutreffend MüKo/Leipold, § 1954 Rn 5 mit Beispielen; Soergel/Stein, § 1954 Rn 2; aA Erman/Schlüter, § 1954 Rn 3: Erklärungsirrtum.
    und dazu BayObLGZ 1987, 356 f = DNotZ 1988, 443 = Rpfleger 1988, 107

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