Räumungsschutz § 765a ZPO

  • Was würdest Du anders machen?

    Wir sind da wohl unterschiedlicher Ansicht, aber ich würde vor der Entscheidung über den Vollstreckungsschutz 2 Dinge tun:

    1. mit der Kommune Rücksprache halten, ob die sich wirklich außerstande sehen den Betroffenen vor Obdachlosigkeit zu schützen und wenn das der Fall ist

    2. auf die Bestellung eines vorläufigen Betreuers dringen.


    Sollte auch das scheitern, würde ich mich gezwungen sehen, den Vollstreckungsschutz zu gewähren!

  • Dann hätten wir, wie längst geschrieben, mutmaßlich ähnliches angeregt, vielleicht in anderem Stil, das kann ich schwer abschätzen. Der Entscheider hat immer auch seine Unbefangenheit zu wahren. Die droht aber verloren zu gehen, wenn in einem Antragsverfahren stattdessen amtswegig Sozialarbeit für eine Partei betrieben wird. Das würde der Gläubiger völlig zu Recht rügen.

    Wir hätten eventuell ganz unterschiedlich entschieden. Wie gesagt: Eine sittenwidrige Härte erkenne ich in dem Fall bislang nicht und Du - wenn ich Dich richtig verstehe - vermutlich selbst nicht.

    Ich sehe höchstens abstrakt die Möglichkeit, über das Vehikel einer etwas menschelnden Sachverhaltsaufklärung die Vollstreckung unter strengen Auflagen (laufende Miete, Nachweis der Wohnungssuche, Atteste) einstweilen einzustellen - in diesem konkreten Fall aber wie gesagt eigentlich auch nicht, weil der ehemalige Mieter zu erkennen gegeben hat, selbst nicht konstruktiv am Verfahren mitzuwirken.

    Derartiges Betreiben des Geschäfts des Schuldners birgt jedenfalls immer die Gefahr, selbst eine sittenwidrige Härte für die Nachbarn und den Gläubiger zu erzeugen. Ich glaube deswegen gerade nicht, dass Entscheidungen über solche ambivalenten und komplexen Dilemmata zu leicht gemacht werden, zumal wenn man mit der Erkenntnis arbeitet, dass manche der Schuldner (wie manche Gläubiger) durch das Soziale Netz fallen können.

    p.s.: Vielleicht ist unklar, weswegen die vorgetragene Ersatzwohnraum-Situation keine Härte darstellt.
    Eine berücksichtigungsfähige Härte wäre entweder, wenn Ersatzwohnraum zwar vorhanden ist, aber erst binnen kurzer Zeit nach dem Räumungstermin bezogen werden kann. Oder wenn trotz intensiver Suche kein Ersatzwohnraum beschafft werden kann.
    Beides ist hier nicht der Fall.


  • Das ist beides nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichtes.

    Du ergreifst Partei.


  • Damit sagst du im Endeffekt, es sei nicht Aufgabe des Vollsteckungsgerichts zu prüfen, ob eine vom sittenwidrige Härte vorliegt und es sei zudem unbedeutend ob der Schuldner seine Rechte überhaupt selbst wahrnehmen kann

    Mag ja sein, dass meine Vorgehensweise menschlich und teilweise pateiisch wäre - einfach nur zu sagen: DAS ist nicht meine Aufgabe hat m.E. sehr wenig mit einem rechtsstaatlichen Verfahren zu tun.

    DAMIT MÖCHTE ICH NIEMANDEN PERSÖNLICH ANGREIFEN!!!

  • p.s.: Vielleicht ist unklar, weswegen die vorgetragene Ersatzwohnraum-Situation keine Härte darstellt.
    Eine berücksichtigungsfähige Härte wäre entweder, wenn Ersatzwohnraum zwar vorhanden ist, aber erst binnen kurzer Zeit nach dem Räumungstermin bezogen werden kann. Oder wenn trotz intensiver Suche kein Ersatzwohnraum beschafft werden kann.
    Beides ist hier nicht der Fall.

    Ich sehe HIER nur dann eine sittenwidrige Härte, wenn auch die Kommune nicht handeln kann oder sich weigert

  • Als Vollstreckungsgericht habe ich zu prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für den Räumungsschutz vorliegen. Mehr nicht. Vor allem habe ich mich nicht darum zu kümmern, ob der Schuldner Ersatzwohnraum bekommt.

    Die Prüfung, ob eine sittenwidrige Härte gegeben ist, hat grundsätzlich nichts mit der drohenden Obdachlosigkeit zu tun, da die drohende Obdachlosigkeit alleine keine sittenwidrige Härte darstellt. Sittenwidrige Härte wäre, wenn der Schuldner mit Suizid droht, falls er geräumt wird. Da ist das BVerfG eindeutig.

    Der §765a ZPO ist ein Strohhalm und darf nicht dazu führen, den Vollstreckungsgläubiger von seinem titulierten Anspruch abzuhalten.

  • Damit sagst du im Endeffekt, es sei nicht Aufgabe des Vollsteckungsgerichts zu prüfen, ob eine vom sittenwidrige Härte vorliegt und es sei zudem unbedeutend ob der Schuldner seine Rechte überhaupt selbst wahrnehmen kann

    Mag ja sein, dass meine Vorgehensweise menschlich und teilweise pateiisch wäre - einfach nur zu sagen: DAS ist nicht meine Aufgabe hat m.E. sehr wenig mit einem rechtsstaatlichen Verfahren zu tun.

    Ein rechtsstaatliches Verfahren setzt ein neutrales, unparteiisches Gericht voraus. Ein Gericht, dass exekutive oder legislative Tätigkeiten an sich heranzöge, untergrübe die Gewaltenteilung.
    Wesentliche Voraussetzung eines fairen Verfahrens ist natürlich auch, nicht verfahrensfäigen Personen ausreichenden Rechtsschutz zu gewähren. Woraus schließt Du im hiesigen Fall, dass der Schuldner nicht verfahrensfähig wäre oder er seine Rechte nicht wahrnehmen kann? Hat er etwas für die Begründung seines Antrags Erhebliches nicht vortragen können?

  • Ich sehe HIER nur dann eine sittenwidrige Härte, wenn auch die Kommune nicht handeln kann oder sich weigert


    Das müßte der Schuldner zunächst einmal schlüssig vortragen und glaubhaft machen. Ersteres scheint mir faktisch unmöglich, weil z. B. ein Hotelzimmer immer angemietet werden kann. Letzteres wäre im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären. Also Beratungshilfeschein holen und los geht´s.

  • Ich sehe HIER nur dann eine sittenwidrige Härte, wenn auch die Kommune nicht handeln kann oder sich weigert


    Das müßte der Schuldner zunächst einmal schlüssig vortragen und glaubhaft machen. Ersteres scheint mir faktisch unmöglich, weil z. B. ein Hotelzimmer immer angemietet werden kann. Letzteres wäre im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu klären. Also Beratungshilfeschein holen und los geht´s.

    Das würde dann aber zumindest voraussetzen, dass er steht was mit "schlüssig vortragen und glaubhaft machen gemeint ist" oder in der Lage ist die Beratungshilfe auch in Anspruch zu nehmen. Das zu prüfen wäre also offenbar auch für dich erforderlich - wenn ich dich richtig verstehe...


    dann würden wir im Ergebnis nicht soweit auseinander liegen.


  • Ach naja, welche Interessen des Gl. überwiegen denn hier ?
    Die lfd. Nutzungsentsch. wird offenbar gezahlt.
    Der Gl. hat sich zum Schutzantr. nicht eingelassen, überwiegende gegenteilige Belange sind also nicht vorgetragen und ersichtlich.
    Ein ärztliches Attest wäre zwar sicher immer hilfreich.
    Letztlich hier Vortrag aber vom Gl. zugestanden.

    Sofern 2. Satz zutreffend sein sollte,
    würde ich mich hier gar nicht so recht quer stellen wollen:
    Für 3 Monate einstellen und parallel beim Betreuungsgericht Dampf machen.

  • Nachdem ich jetzt den SV noch mal gelesen habe, sage ich, ich bleibe dabei: Bei DIESEM SV hätte ich mit einer Ablehung strake Bauchschmerzen!


  • Na, ich hätte jedenfalls mit einer Einstellung und einem parallelem
    In-die-Spur-Schicken des BG auch keine.

  • Ach naja, welche Interessen des Gl. überwiegen denn hier ?
    Die lfd. Nutzungsentsch. wird offenbar gezahlt.
    Der Gl. hat sich zum Schutzantr. nicht eingelassen, überwiegende gegenteilige Belange sind also nicht vorgetragen und ersichtlich.
    Ein ärztliches Attest wäre zwar sicher immer hilfreich.
    Letztlich hier Vortrag aber vom Gl. zugestanden.

    Man kann das so machen, aber die Begründung halte ich für nicht überzeugend.

    Worin siehst Du überhaupt ein Zugeständnis? Am Zugeständnis müßte man konsequenterweise auch in 3 Monaten festhalten, auch wenn keine Betreuung eingerichtet und kein Ersatzwohnraum vorhanden sein sollte.

  • Ich danke für die Rege Anteilnahme an meinem Fall.

    Nunmehr hat sich die Gläubigerin gemeldet. Sie teilt mit, dass bereits mehrere Mietverhältnisse bestanden und bei allen nur unregelmäßige und auch in der Höhe unterschiedliche Zahlungen erfolgten, wodurch mittlerweile hohe Mietrückstände entstanden sind. Dies führte zur Beendigung des Mietverhältnisses und letztlich zum Räumungstitel.

    Darüberhinaus liegen eine Vielzahl von Beschwerden der anderen Mieter vor. Der Schuldner wurde von diesen oftmals alkoholisiert und pöbelnt im Treppenhaus angetroffen. Außerdem neigt der Schuldner dazu oft laut Musik zu hören und Partys zu feiern. Auch widerspricht die Gläubigerin der Tatsache, dass eine Unterbringung im Obdachlosenheim nicht möglich ist.

    Weiterhin wurde mir durch den Gerichtsvollzieher noch mitgeteilt, dass der Räumungstermin um 2 Wochen nach hinten verschoben wurde. Eigenbemühungen des Schuldners sind weiterhin nicht festzustellen, obwohl dieser mitgeteilt hatte, sich eine Wohnung zu suchen. Der Betreuungsrichter hat natürlich Kenntnis von meinem Fall. Die Frist bleibt allerdings die gleiche.

    Nach Auskunft vom Obdachlosenheim ist eine Unterbringung bereits für mehrere Tage schwierig bis unmöglich, da sich die sanitären Anlagen, Küche, Schlafräume usw. sich auf jeweils von unterschiedlichen Etagen befindet. Wie bereits erwähnt stehen der Kommune aber auch andere Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung.

  • Mein LG hat gerade entschieden, dass lediglich der Hinweis auf einen möglichen Suizid nicht ausreicht, das Verfahren einstweilen einzustellen. Das Gericht stellte keine Ermittlungen mehr an. Der Hinweis auf die BGH-Entscheidung reicht nicht, es muss konkret vorgetragen werden, warum der Sachverhalt vergleichbar ist. :daumenrau

  • Mein LG hat gerade entschieden, dass lediglich der Hinweis auf einen möglichen Suizid nicht ausreicht, das Verfahren einstweilen einzustellen. Das Gericht stellte keine Ermittlungen mehr an. Der Hinweis auf die BGH-Entscheidung reicht nicht, es muss konkret vorgetragen werden, warum der Sachverhalt vergleichbar ist. :daumenrau

    Kannst Du die Entscheidung mal hier einstellen?

  • Ist leider nicht der klassische Fall: Der Anwalt murmelte nur was von Suizid und BGH, der Sch selbst hat einen umfangreichen Schriftsatz eingereicht ohne den geringsten Hinweis auf Suizid. :( Akte ist, wegen des Hinweises des Anwalts (obwohl die Räumung erst in einer Woche erfolgen soll) auf dem Weg zum LG.

  • Ich habe hier auch mal wieder einen Antrag auf Räumungsschutz vorliegen. Der Antrag wurde gerade noch fristgerecht gestellt, die Räumung soll nächste Woche stattfinden. Der Schuldner hat wohl eine Ersatzwohnung zum 01.04.24. Bei der Anforderung einer Kopie des Mietvertrages habe ich dem Schuldner mitgeteilt, dass Voraussetzung für Räumungsschutz auch die Zahlung einer Nutzungsentschädigung an den Vermieter ist. Mit Vorlage des neuen Mietvertrages wurde dann auch auch ein Nachweis über die Zahlung der Nutzungsentschädigung für Dezember vorgelegt.

    Nun hat der Gläubiger vorgetragen, dass er dem Antrag widerspricht. Es gibt Mietrückstände, Zahlungen würden schon lange nicht mehr erfolgen. Es gibt nächtliche Ruhestörungen und der Mieter gefährde den sozialen Frieden im Haus (mehrere Mietparteien). Der Vermieter ist durch die Situation nervlich belastet. Darüber hinaus wurde mündlich bereits ein neuer Mietvertrag für Anfang nächsten Jahres geschlossen.

    Der Vortrag des Gläubigers kam quasi, als ich gerade den Beschluss zur Bewilligung des Antrags verfassen wollte. Jetzt bin ich doch eher am Zweifeln. Wie würdet ihr das sehen? Liegt hier - unter Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers - für den Schuldner eine sittenwidrige Härte vor? Einziger Punkt dafür wäre ja der zweimalige Umzug. Der Schuldner hat nach Aussage des Gläubigers ein Kind. Im Antrag des Schuldners stand dazu nichts.

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