Teilnachlasspflegschaft oder Abwesenheitspflegschaft?

  • Hallo miteinander,

    ich habe folgenden Fall:

    Erben des Erblassers sind seine 4 Kinder. 3 Kinder haben die Erbschaft angenommen (es liegt ein formloser Erbscheinsantrag vor), das 4. Kind (dessen Existenz erst jetzt durch eine Mitteilung des Standesamts bekannt geworden ist) ist im Jahr 2008 unbekannt verzogen. Es besteht insofern Handlungsbedarf, als dass die Erben verklagt werden sollen bzw. ein durch den Tod des Erblassers unterbrochenes Klageverfahren fortgeführt werden soll und auch Grundbesitz vorhanden ist. Es liegt bereits ein Antrag nach § 1961 BGB vor, über den ich bislang nicht rechtsmittelfähig entschieden habe.

    Ist hier eine Nachlasspflegschaft bzgl. 1/4 des Nachlasses anzuordnen (Wirkungskreis Klagpflegschaft, aber auch Sicherung /Verwaltung des Nachlasses und Ermittlung des unbekannten Erben)? In diesem Fall bedürften die übrigen Erben einen Erbschein - notfalls müsste dieser (falls die Erben das nicht freiwillig machen) formgerecht durch einen Gläubiger beantragt werden.

    Oder sollte ich alle Beteiligten auf die Bestellung eines Abwesenheitspflegers verweisen?

    :gruebel:

  • Bei der Bestellung eines Abwesenheitspflegers gehst du zwingend davon aus, dass das 4. Kind Erbe geworden ist.
    Ich persönlich finde, dass man dies bei dieser Konstellation nicht so sicher weiß. Das 4. Kind könnte auch mittlerweile verstorben sein. Ich würde daher eher zu Teilnachlasspflegschaft tendieren.

  • Darüber haben wir schon öfter diskutiert, ohne dass eine eindeutige Linie erkennbar war. Ich habe den Weg der Nachlasspflegschaft für einen Bruchteil gewählt. Ob ichs wieder so machen würde, weiß ich nicht. Es war für den Nachlasspfleger nicht leicht, seine Aufgaben zu erfüllen und nur eingeschränkt für den Nachlass handeln zu können.

  • Das 4. Kind ist noch recht jung - ein Versterben ist also nicht so wahrscheinlich. Der Abwesenheitspfleger könnte die Erbschaft annehmen und dann sogar einen Erbschein beantragen. Habe mir auch schon überlegt, dass ein Nachlasspfleger recht überfordert sein dürfte...

  • Versterben hat leider nichts mit dem Alter einer Person zu tun...

    ich hab es immer so gelöst, dass ich die Nachlasspflegschaft für den Bereich der Person X bzw. dessen Rechtsnachfolger beschränkt habe. (also indirekt auf den Anteil beschränkt..)

    Tack för hjälpen

    Katharina [SIGPIC][/SIGPIC]

    Delad glädje är dubbel glädje, delad sorg är halv sorg.

    Geteilte Freud´ ist doppelte Freud´, geteilte Sorgen sind halbe Sorgen.

  • Warum sollte ich davon ausgehen, dass eine Person Anfang 40 bereits verstorben ist? Natürlich ist dies möglich und muss in Betracht gezogen werden - aber es ist doch wahrscheinlicher, dass sie noch am Leben ist...

    Ich hatte bereits Teilnachlasspflegschaften, bei welchen jedoch unklar war, wer die übrigen Erben sind. Hier weiß ich es ja grundsätzlich, kann den Aufenthaltsort der Person jedoch nicht ermitteln. Deshalb ist die Lösung mit dem Abwesenheitspfleger doch gar nicht so verkehrt?

  • Wie gesagt, beides ist sicher möglich - man muss es eben jeweils in die richtige Richtung begründen. Was aber zweckmäßiger ist, weiß ich nicht.

  • Eine Abwesenheitspflegschaft geht streng genommen nur dann, wenn das Kind die Erbschaft bereits angenommen hat und dann nach unbekannt verzieht. Hier ist es jedoch eindeutig so, dass die Voraussetzungen für den "Spezialfall" einer solchen Pflegschaft, nämlich der Nachlasspflegschaft nach § 1961 iVm. § 1960 BGB vorliegen, weil nicht bekannt ist, ob und wer den restlichen Erbteil erbt.

    Alle Überlegungen mit "könnnte verstorben sein" usw. sind völlig fehl am Platz, denn es könnten ja Abkömmlinge vorhanden sein oder aber das Kind schlägt erst nach Bekanntwerden der Erbschaft aus usw.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ich hänge mich mal hier an den thread ran, da ich eine ähnlich gelagerte Frage habe: Wie wäre es, wenn das Kind bekannt verzogen ist z. B. nach Süd-Amerika und dort verstorben ist. Die Nacherben (verstreut in der ganzen Welt...:() antworten nicht auf Briefe der Erbengemeinschaft, die den Grundbesitz verkaufen will? Dies geht ja nur, wenn alle Erben mitwirken, ansonsten haben wir eine handlungsunfähige Erbengemeinschaft. Könnte hier eine Abwesenheitspflegschaft nach § 1911 Abs. 2 BGB eingeleitet werden?

  • "Nacherben" ???

    Du meinst wohl Rechtsnachfolger des nachverstorbenen Erben.

    Hier kann, wenn der Tod des in Südamerika verstorbenen (im Erbschein stehenden) Erben urkundlich nachgewiesen ist, auch eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB für diese "unbekannten" Erben durch ein deutsches Gericht angeordnet werden. Zuständig wäre dann wohl Schöneberg bzw. das NLG, in dem das besagte Grundstück liegt.

    Liegt ein Todesnachweis des in Südamerika verstorbenen Erben nicht vor, bzw. ist dieser nicht sicher, wäre es ein Fall für eine Abwesenheitspflegschaft.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Nacherben ist natürlich Blödsinn...:oops:. Wenn die Rechtnachfolger aber postalisch bekannt sind, kann doch keine Nachlasspflegschaft eingeleitet werden bzw. eine Abwesenheitspflegschaft. Die Anschriften sind bekannt, es wird halt nur nicht reagiert und die Erbengemeinschaft steht dumm da...

  • Wenn man (vielleicht leider) schon zuviel dem Gericht erzählt hat und die Anschriften bekanntgegeben wurden, dann ist die Lösung über eine Nachlasspflegschaft für die "unbekannten" Erben des nachverstorbenen Erben nicht mehr so einfach möglich. Man kann höchstens noch damit argumentieren, dass ggf. ein Testament im Ausland existiert und damit letztlich nicht sicher ist, ob die mitgeteilten potentiellen Erben auch die wirklichen Rechtsnachfolger sind.

    Zur Not bleibt nur die Lösung, dass die restlichen Erben sich einen Titel verschaffen (für die Erbauseinandersetzung) und mit diesem Titel den Erbschein nach dem nachverstorbenen Erben beantragen. Dann wiederum stehen in dessen Erbschein die im Ausland wohnhaften Rechtsnachfolger (die dann wohl noch immer nicht reagieren) und für die dann wieder jedweils ein Abwesenheitspfleger bestellt werden könnte.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ich habe noch eine Idee:

    Wenn sich das NLGericht bei Beantragung der Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB auf den Standpunkt stellt, dass die Erben (weil Anschriften bekannt sind) ja bekannt sind und es daher keinen Grund für eine Pflegschaft gibt, dann könnte man (sofern zeitlich noch möglich vgl. § 1981 II BGB) den Antrag abändern und stattdessen als Gläubiger die Bestellung eines Nachlassverwalters (§ 1975 BGB) beantragen.

    ....da kommt das Gericht dann nicht mehr raus, denn wenn es einerseits die Nachlasspflegschaft wegen bekannter Erben verweigert, dann muss es bei entsprechendem Antrag andererseits einen Nachlassverwalter bestellen, zumal die Erben sich ja nicht rühren und dadurch § 1981 II Satz 1 BGB erfüllt sein dürfte.

    Leider kann das Gericht für eine NLVerwaltung aber einen Kostenvorschuss erheben. Den wird man jedoch nach der Verwertung der Immobilie wohl wieder erstattet bekommen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Eine Abwesenheitspflegschaft geht streng genommen nur dann, wenn das Kind die Erbschaft bereits angenommen hat und dann nach unbekannt verzieht.

    :gruebel: Ein Abwesenheitspfleger kann doch die Erbschaft für den Abwesenden annehmen.

  • Wenn man (vielleicht leider) schon zuviel dem Gericht erzählt hat und die Anschriften bekanntgegeben wurden, dann ist die Lösung über eine Nachlasspflegschaft für die "unbekannten" Erben des nachverstorbenen Erben nicht mehr so einfach möglich. Man kann höchstens noch damit argumentieren, dass ggf. ein Testament im Ausland existiert und damit letztlich nicht sicher ist, ob die mitgeteilten potentiellen Erben auch die wirklichen Rechtsnachfolger sind.

    Als Nachlassgericht bin ich doch sehr erstaunt, dass Du solche Lösungsvorschläge erwägst. :mad:

  • @uschi:

    Meines Erachtens ist § 1960 BGB eine Spezialvorschrift und der Bestellung eines Abwesenheitspflegers vorzuziehen. Ein Abwesenheitspfleger soll nur bestellt werden, wenn der bekannte Erbe die Erbschaft angenommen hat und dann abwesend ist.

    Es besteht Streit darüber, ob ein Abwesenheitspfleger eine Erbschaft annehmen und oder ausschlagen kann. Meines Erachtens nicht.

    Und: Ich bin erstaunt, dass dich als NLG meine "Idee" erstaunt, denn ich erkenne in dem Vorschlag keinerlei rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise oder etwas Verwerfliches. Was ist das Problem? Bitte kläre mich auf....

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    Einmal editiert, zuletzt von TL (17. April 2013 um 08:20)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!