Schuldnerverzug

  • Hallo, ich habe schon oft Problemfälle in der Kanzlei durch das Forum lösen können. Nun ist in der Kanzlei wieder einmal das Thema Schuldnerverzug gem. § 286 Abs. 2 S. 1 BGB präsent. Ich hatte im Mahnbescheid für einen Gläubiger die Zinsen aus einer Rechnung ab den darauffolgenden Tag des in der Rechnung angegebenen Zahlungsziels berechnet. Meines Erachtens nach ist der Rechnungsempfänger (Gegner/Schuldner) automatisch in Verzug gesetzt, wenn er die Zahlungsfrist, d.h. den Tag der Fälligkeit, fruchtlos verstreichen lässt. Ist jemand der gleichen Meinung oder befinde ich mich auf dem Holzweg?:gruebel:

  • Zitat

    Auf der Rechnung vom 20.09.2010 steht, dass der Rechnungsbetrag bis zum 30.09.2010 zu zahlen ist.

    Und was ist vertraglich (ggfs. AGB) vereinbart? Ansonsten: sofort (§ 271 Abs. 1 BGB). Die Zahlungsfrist laut Rechnung hat mit dem Verzug erstmal nichts zu tun.

    Um Missverständnissen vorzubeugen: Für § 286 Abs. 2 Satz 1 BGB genügt die Bestimmung des Zahlungsziels durch den Gläubiger (z.B. in der Rechnung) nicht (BGHZ 174, 80).

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Es wurde nichts gesondertes vertraglich festgelegt. Es hieß lediglich zahlbar bis spätestens .... Also befinde ich mich doch auf dem Irrweg und der Gläubiger müsste trotz festgelegtem Zahlungstag den Schuldner (immer) erst durch Mahnung in Verzug setzen und ich kann nicht ab dem darauffolgendem Tag schon die Zinsen berechnen, da er sich <u>doch nicht </u>automatisch in Verzug befindet. Ich hatte dies anders in Erinnerung. Allerdings frage ich mich dann, wozu man den Tag der Zahlung genau bestimmen sollte. Was ist eigentlich mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen? http://www.mahnung-online.de/mahnwesenneu.html#top1

  • Zitat

    Es wurde nichts gesondertes vertraglich festgelegt. Es hieß lediglich zahlbar bis spätestens ....

    Jetzt handelt es sich wieder um einen anderen Sachverhalt: Wenn VERTRAGLICH (und nicht bloß durch Nennung des Zahlungsziels in der Rechnung) vereinbart wurde "zahlbar bis spätestens" ist das m.E. schon eine Fälligkeitsbestimmung. Also greift § 286 Abs. 2 Satz 1 BGB.

    Wenn kein Fälligkeitszeitpunkt bestimmt wird gilt: Fälligkeit sofort. Also: Verzug mit Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) oder 30 Tage nach Rechnungszugang (§ 286 Abs. 3 BGB).

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Auch in einem anderen Fall steht auf den Rechnungen zahlbar innerhalb von 7 Tagen netto ab Rechnungseingang. Dann trifft hier auch definitiv § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Zustimm? Ich glaube es verstanden zu haben.

    Nein, siehe # 6.

    Wir können hier ganz grundsätzlich werden. Ethischer Personalismus nach Immanuel Kant. Warum hafte ich? a) Weil ich es will (Vertrag) oder b) weil ich es muss (Gesetz). Was Du aber machst ist: der Schuldner haftet, weil es der Gläubiger will.

    Entweder hat sich der Schuldner mit dem Gläubiger vertraglich auf einen Fälligkeitstermin kalendarisch geeinigt, dann knüpft das Gesetz daran den Verzugseintritt an. Die Rechnung beantwortet diese Frage nicht, Papier ist geduldig. Es kann natürlich sein, dass die Rechnung (zufällig oder absichtlich) die vertragliche Regelung wiedergibt. Entscheidend ist aber trotzdem die vertragliche Regelung und nicht die Rechnung.

    Oder aber der Verzugseintritt ergibt sich aus dem Gesetz (30 Tage nach ...).

  • Entweder hat sich der Schuldner mit dem Gläubiger vertraglich auf einen Fälligkeitstermin kalendarisch geeinigt, dann knüpft das Gesetz daran den Verzugseintritt an. Die Rechnung beantwortet diese Frage nicht, Papier ist geduldig. Es kann natürlich sein, dass die Rechnung (zufällig oder absichtlich) die vertragliche Regelung wiedergibt. Entscheidend ist aber trotzdem die vertragliche Regelung und nicht die Rechnung. Oder aber der Verzugseintritt ergibt sich aus dem Gesetz (30 Tage nach ...).

    Ich dachte bisher immer, wenn eine vertragliche Einigung vorliegt oder ein Gesetz (beispielsweise § 17 StromGVV) vorsieht, dass eine Rechnung binnen 14 Tagen fällig sei, dann würde eine Nichtzahlung seitens des Schuldners den Verzug ohne Mahnung gemäß § 286 Abs 2 Nr 1 BGB begründen.
    Mein alter Palandt von 2008 (§ 286 Rz 32) sagt:

    Zitat von Palandt/Hinrichs

    Wenn es möglich ist, eine Leistungszeit kalendarisch zu bestimmen, (ob durch Vertrag oder weil das Gesetz es eben so sagt - Einschub von mir), dann tritt der Verzug mit Ablauf des Tages ein, an dem die Leistung spätestens zu erbringen war.

    Also kommt hiernach der Schuldner am 15. Tag in Verzug. Oder nicht?


    Das AG Bad Segeberg vertritt die Auffassung (u.a. im Urteil vom 01.12.2011, Az 17a C78/11 ) , dass

    Zitat

    Durch die Fälligkeit alleine wird aber der Verzug nicht begründet, vielmehr ist gemäß § 286 Abs. 1 BGB hierfür grundsätzlich eine Mahnung erforderlich.

    Diese Meinung tauchte, in einem weiteren Urteil des AG vom 12.03.2014 Az 17a C 209/13 erneut auf - allerdings bezog sich diese Entscheidung in erster Linie auf Geschäfte, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist. Hiernach

    Zitat

    stellt das in einer Rechnung, nicht als bloße Bitte formulierte Zahlungsziel (hier: “Zahlung: Bis zum … ohne Abzug”) eine befristete Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB dar

    Die Entscheidung schließt sich ausdrücklich an eine Entscheidung des BGH vom 12.07.2006 X ZR 157/05 an, wobei diese jedoch meiner Meinung nach gerade nicht auf ein Rechtsverhältnis ohne Verbraucher abstellt, sondern versucht, die Frage des Verzugseintrittes als solche zu klären.

    Ich finde auch nichts, was die Meinung des AG Bad Segeberg untermauert, dass Fälligkeit und Verzug so strikt zu trennen sind, dass die Entbehrlichkeit der Mahnung im Sinne des 286 Abs 2 Nr 1 BGB ausgehebelt würde.

    Vielleicht bin ich einfach nur verbohrt und sehe das auch nur unter dem Aspekt:

    Zitat von Valerianus

    Wir können hier ganz grundsätzlich werden. Ethischer Personalismus nach Immanuel Kant. Warum hafte ich? a) Weil ich es will (Vertrag) oder b) weil ich es muss (Gesetz). Was Du aber machst ist: der Schuldner haftet, weil es der Gläubiger will.

    Es wäre sehr lieb von euch, wenn ihr mir weiterhelfen und den richtigen Weg des zivilrechtlichen "PillePalles" (Verzugseintritt ohne Mahnung) weisen könntet!

  • Schöne Zusammenfassung zu diesem Streitkomplex bei Lorenz (in: Bamberger/Roth, BeckOK-BGB, § 286 Rn. 26):


    "Wird in einer erstmalig zugesendeten Rechnung einseitig ein bestimmtes Zahlungsziel genannt und ist die darin enthaltene Zahlungsaufforderung eindeutig kann dies idR als befristete Mahnung aufgefasst werden, da anders als bei Abs 3 auch bei Verbrauchern ein Hinweis auf den Verzugseintritt gerade nicht erforderlich ist (Gsell NJW 2008, 50, 52; die Rspr differenziert insofern ohne jede Stütze in Abs 1 danach, ob der Schuldner Verbraucher ist: vgl einerseits BGH NJW 2006, 3271 Tz 10: Mahnung; andererseits BGHZ 174, 77 = NJW 2008, 50 Tz 11: keine Mahnung bei Verbraucher; die Differenzierung befürwortend Schmidt-Kessel LMK 2008, 254603; krit Faust JuS 2008, 373)."

    Diese undifferenzierte Rechtsprechung wiedermal. Also, Laurana, mach' das Beste draus:D!

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)


  • Diese undifferenzierte Rechtsprechung wiedermal. Also, Laurana, mach' das Beste draus:D!

    :binsauer:motz: Na super! Warum habe eigentlich immer ich so komische Sachen?! :behaemmer

    Dann schau ich mal, ob ich noch ein paar Argumente gegen das Erfordernis einer Mahnung finde.

    Die BGH-Entscheidung von 2007 mit der Physiotherapeutin habe ich schon mehrfach gelesen, habe sie (laut meiner Erinnerung) allerdings so gelesen, dass der Gläubiger (die Therapeutin) eben kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hat. Ich hätte dies aber eben über die StromGVV bzw den Vertrag schon.
    In der Folge fiel es mir, glaube ich, ziemlich schwer, den entschiedenen Fall quasi umzudrehen. :gruebel:

    ... ... *les* *les* *les* ... ...

    Aber wenn ich ihn mir jetzt noch einmal zu Gemüte führe, insbesondere die von Dir netterweise ausgewählte Tz 11, dann sieht es irgendwie wieder anders aus. :( Um mich also zu wiederholen: :behaemmerIch geh mir erst einmal einen Kaffee machen...

  • :cup: Bei mir gibt's auch gerade einen leckeren doppelten Espresso. Damit kann man vieles besser ertragen. Mandanten, Gegenanwälte, Richter... Und auch diese undifferenzierte Rechtsprechung.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Silberkotelett, dafür müßte sie einen aber auch loslassen... :( Irgendwie könnte ich mich gerade selbst kreuzweise und angiften, dass ich das Urteil und das andere und alles nicht mal zumachen kann! :mad:

    edit: Den Kaffee habe ich auch vergessen!!! :mad:

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