Nachlasspflegschaft trotz Erben nicht aufheben?

  • Die Erben waren unbekannt. Es wurde ein Nachlasspfleger bestellt. Danach wurden Erben zunächst aus einer Linie ermittelt, die einen Teil-Mindesterbschein erhielten. Das Nachlassgericht hob die Nachlasspflegschaft nicht (teilweise) auf, sondern wies den Nachlasspfleger an, an die Erben einen anteiligen Betrag auszuzahlen. Gibt es dafür eine Grundlage?

  • Nein! Für eine Anweisung zur Teilauszahlung besteht m.E. keine Rechtsgrundlage. Ich hebe bei derartigen Sachverhalten die NP teilweise auf. Sofern die Erben teilweise ermittelt sind und keine Zweifel über die Annahme der Erbschaft besteht (z. Bsp. Erbschein erteilt), sind die Erben teilweise bekannt. Eine Teilaufhebung muss erfolgen. Diese Ansicht wird von der gängigen Literatur geteilt.

  • Mit dieser Frage sind einige umfangreiche Unterfragen verbunden, die ich gerne im Detail aus meiner Sicht darstellen möchte:

    Zunächst läßt sich festhalten, dass der Nachlasspfleger nicht durch das (Nachlass-)Gericht zu einer Auszahlung (egal warum und an wen) angewiesen werden kann. Hier handelt der NLP eigenverantwortlich und kann nicht mit Zwangsgeld (oder Entlassungsandrohungen) zu derartigen Zahlungen angehalten werden. Das ist absolut herrschende Meinung.

    Dass jedoch der Pfleger ggf. eine nachlassgerichtliche Genehmigung zum Abschluss eines Erbauseinandersetzungsvertrages (wenn die Erben teilweise ermittelt/durch ES ausgewiesen sind) und Auszahlung des Teilnachlasses an diese Erben benötigt, ist eine andere Sache.

    Die weit wesentlichere Frage ist die, ob die Pflegschaft (teilweise) aufgehoben werden soll, wenn die Erben (teilweise) bekannt sind.

    Hier sind unterschiedliche Konstellationen zu unterscheiden und folglich kann damit auch keine pauschale und auf alle Fallgestaltungen passende Antwort gegeben werden. Leider wird dies in der Literatur jedoch gerne oft getan, ohne dass man die verschiedenen Fälle aufzeigt oder sich von Seiten der „Schreiber“ Gedanken gemacht werden, die über die Fragestellung selbst hinausgehen. So ist die Literatur eben die Literatur und die Praxis manchmal eben eine andere Welt, wenngleich die Literatur vom Schreibtisch aus theoretisch alles richtig macht, aber die Praxis mit kleinen „Unrichtigkeiten“ allen Beteiligten viel Aufwand erspart.

    Grundsätzlich stimme ich überein, dass eine Nachlasspflegschaft aufgehoben werden kann, wenn die Erben (alle) mit (großer) Sicherheit feststehen und diese aber z.B. keinen Erbschein beantragen. Fraglich aber, wie in einem solchen Fall, wenn kein ES erteilt wurde, der Nachlasspfleger nach § 1890 BGB den Nachlass an die Erben herausgeben soll, wenn er nicht durch ES nachgewiesen bekommt, wer denn nun wirklich Erbe ist. Hier käme m.E. für den NLP eigentlich nur die Hinterlegung des Nachlasses als Herausgabe an die Erben in Frage, weil er und das Gericht so die Zahlungsforderung auch tatsächlich erfüllt hat und damit dann durch Wegfall des Sicherungsbedürfnisses die Pflegschaft einfach aufgehoben werden kann.

    Die Aufhebung der NLP ohne ES und ohne anschließende Hinterlegung ist daher m.E. nicht möglich, wenngleich die Erfüllung einer Forderung eigentlich nicht von der Legitimation des Gläubigers abhängig gemacht werden kann. So wie also der Schuldner eines Erlassers die Zahlung an den Erben nicht deswegen verweigern kann, weil dieser Erbe nicht durch Erbschein legitimiert ist, kann dennoch in der Nichtvorlage des Legitimationspapiers der Grund für die Gläubigerungewissheit gesehen werden, die eine Hinterlegung rechtfertigt. Egal ob es sich um eine Teilzahlung an einen Teil der Erben oder die Gesamtherausgabe des Nachlasses an alle Erben handelt, wenn diese keinen ES beantragen.

    Ein ES muss her um die Pflegschaft ordentlich abwickeln zu können, oder es muss hinterlegt werden.

    Nach Erteilung eines Erbscheins ist also umso mehr die Pflegschaft aufzuheben, wobei auch hier die Praxis dazu übergegangen ist, regelmäßig mit der Aufhebung der NLP noch solange zu warten, bis der NLP den Nachlass an die Erben herausgegeben hat und eine Schlussrechungslegung bzw. Entlastungserklärung der Erben erfolgt ist. Dass dies praktikabel ist, kann von mir –sofern gewünscht- gerne noch näher erläutert werden.

    Was aber nun, wenn nur ein Teil der Erben bekannt ist? Folgende Konstellationen und meine Gedanken dazu:

    Grundsachverhalt ist der, dass die NLP über den gesamten NL angeordnet war und dann der NLP die mütterliche Linie in III. Erfolgeordnung ermittelt hat. Die Erben väterlicherseits sind noch unbekannt.

    1. Die bekannten Erben beantragen keinen ES:

    Die NLP kann nicht im Ganzen aufgehoben werden, weil ein Teil der Erben noch unbekannt ist. Hier gibt es zwar Meinungen, die eine Aufhebung dann vertreten, wenn Erben bekannt sind auf die mehr als 50 % des Erbrechts entfällt (dann könnten diese mit Mehrheitsbeschluss den NL verwalten – vgl. diverse BGH- und OLG-Rechtsprechung zu diesem Thema), aber letztlich wäre es dem NLP dann nicht möglich, den Nachlass nach § 1890 BGB an „die Erben“ als Gesamthandsgemeinschaft herauszugeben, weil die Herausgabe des Nachlasses hier wohl nicht unter eine „Verwaltungsmaßnahme“ der handelnden Erben fallen würde.

    Die NLP kann auch nicht im Teil aufgehoben werden, weil hier die gleichen Probleme entstehen, wie vorstehend erläutert.

    Hinzu kommt aber ein ganz wesentlicher Punkt, nämlich die Frage, was denn die Folge wäre, wenn die Pflegschaft teilweise aufgehoben bzw. auf den hälftigen Nachlass reduziert werden würde.

    Nun die Folge wäre die, dass der Teilnachlasspfleger zu ½ des Nachlasses nicht mehr den Nachlass verwalten kann, denn er ist ja nur zu ½ berechtigt und die übrige Hälfte des Nachlasses wird von Erben vertreten, die sich mangels eines ES nicht legitimieren können. Also ist ein Handeln für den Nachlass unmöglich geworden. Das ist denke ich einleuchtend und kann auch nicht mit einer gerichtlichen Befugung oder ähnlichen Kunstgriffen in Form von Beschlüssen irgendwelcher Art abgeholfen werden. Diese Beschlüsse wären zudem inkonsequent, denn wenn die Erben aus der Sicht des Gerichts bekannt sind, dass Ihnen der Pfleger wieder entzogen wird, dann kann Ihnen nicht über einen Befugungsbeschluss die Verfügungsmacht wieder genommen oder beschränkt werden. So ist das eben in einer Gesamthandsgemeinschaft.

    2. Die bekannten Erben beantragen einen ES:

    Die durch ES ausgewiesenen Erben haben nun eine Legitimation und können damit ihren in § 2042 BGB festgeschriebenen Auseinandersetzungsanspruch ggü. allen Erben geltend machen. Für die noch unbekannten Erben ist hier der NLP der Ansprechpartner und er hat zu prüfen, ob der dem Anspruch nachkommt und an der Auseinandersetzung des Nachlasses für die von Ihm vertretenen und noch nicht durch Teil-ES ausgewiesenen Erben mitwirkt. Das NLG hat (wie eingangs geschrieben) hier keine Druckmittel ggü. dem NLP

    Und hier kommt nun das ganze Dilemma, bei dem die Praxis sehr pragmatisch vorgeht.

    Eigentlich müsste hier nun die NLP auf ½ des Nachlasses für die noch unbekannten Erben reduziert werden und dann der NLP einerseits mit den durch ES ausgewiesenen Erben andererseits, einen Auseinandersetzungsvertrag schließen. Dieser Vertrag muss dann durch das NLG genehmigt werden.

    Wenn man aber die Pflegschaft hier auf ½ reduziert und auseinandergesetzt hat, dann ist der vom NLP verwaltete Restnachlass auch nur noch ½ des Nachlasses. Die Banken haben damit ein Mega-Problem. Dort kennt man in Nachlasssachen nur eine Erbengemeinschaft oder einen alleinigen Erben. Jetzt liegt aber Geld bei der Bank auf einem Nachlasskonto, das nur noch sozusagen einer halben Erbengemeinschaft gehört.

    Nach späterer Erteilung des weiteren Teilerbscheins für die väterliche Linie kommen daher die Banken gerne auf die Idee, wieder alle Erben (und damit auch die, die Ihren Erbteil längst erhalten haben), an der Auszahlung des Nachlasses (weil aus dortiger Sicht alles noch Gesamthandsvermögen ist) zu beteiligen. Das ist dann immer wieder lustig und macht so richtig Laune, wenn man sich mit der Bank zofft….

    Natürlich bleibt das Problem, dass auch alle anderen Stellen, mit denen der NLP dann als Teilnachlasspfleger zu tun hat, immer die übrigen Erben an Entscheidungen und Verwaltungsmaßnahmen mitbeteiligen wollen, weil ja der NLP als TeilNLP (über ½ des Nachlasses) nicht alleine wirksam handeln kann.

    In der Praxis gibt es daher für einen NLP (und letztlich auch für das Gericht) nichts blöderes, als eine Teilnachlasspflegschaft (über weniger als > 50 %).


    Daher heben viele mir bekannte Gerichte auch bei der unter Ziff. 2 genannten Konstellation die NLP nicht teilweise auf, sondern lassen den NLP einen Auseinandersetzungsvertrag mit den durch ES ausgewiesenen Erben machen, genehmigen die Auszahlung des anteiligen Nachlasses an diese Erben und lassen den NLP als NLP (formell über den gesamten Nachlass / tatsächlich wegen der Auseinandersetzung aber nur über den anteiligen NL) weiterhin handeln, bis alle Erben ermittelt sind und die Pflegschaft im Ganzen aufgehoben werden kann.

    Vielleicht nicht 100 % richtig und von der Literatur widersprochen – in der Praxis aber regelmäßig als „gangbar“ und „gut so“ behandelt.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (4. Juni 2013 um 08:27)

  • Danke TL, damit es nicht langweilig wird, habe ich dann einen Fall, in dem der Nachlasspfleger einen Betrag auszahlt, ohne vorher einen Erbauseinandersetzungsvertrag zu schließen und ohne Rechnung zu legen. Zudem stehen diverse Pflichtverletzungen im Raum, z.B. das Verschenken von ggf. werthaltigen Möbeln an ein Museum.


  • In der Praxis gibt es daher für einen NLP (und letztlich auch für das Gericht) nichts blöderes, als eine Teilnachlasspflegschaft (über weniger als > 50 %).

    Dem stimme ich voll und ganz zu.
    Im Übrigen sehe ich regelmäßig auch keinen Grund, eine Teilnachlassauseinandersetzung zu genehmigen.

  • Es geht in diesen Fällen oft nicht um eine Teilauseinandersetzung des Nachlasses, sondern um eine Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses zwischen den bekannten Erben (einerseits) und den unbekannten Erben (andererseits). Da jeder Miterbe die Erbauseinandersetzung verlangen kann, können sich Nachlasspfleger und Nachlassgericht einer solchen Erbauseinandersetzung nicht widersetzen.

    Anders liegt es, wenn nicht nur Geldvermögen, sondern neben Geldvermögen auch Grundbesitz vorhanden ist und vorläufig nur ein wesentlicher Teil des Geldvermögens in die Auseinandersetzung einbezogen werden soll. In diesem Fall handelt es sich um eine Teilauseinandersetzung des Nachlasses zwischen den bekannten und den unbekannten Erben. Wenn klar ist, dass die ein wesentlicher Teil der liquiden Nachlassmittel nicht zur weiteren Verwaltung des Nachlasses benötigt wird, sollte man sich aber auch in diesen Fällen einer Teilauseinandersetzung nicht widersetzen. Klar ist aber, dass der Nachlasspfleger dann "verschiedene Kassen" führen muss (Grundbesitz für alle Erben, Anteil der unbekannten Erben an den auseinandergesetzten Geldmitteln alleine für die unbekannten Erben und nicht auseinandergesetzte Rücklagen wieder für alle Erben). Nicht gerade angenehm, aber ohne weiteres beherrschbar.

  • Wie ich in meinem Beitrag #3 schon sagte, haben die bekannten Erben (insbesondere wenn diese durch TeilES eine Legitimation haben - Erbschein ist für Anspruch aber nicht notwendig, da ES nur deklaratorisch ist) einen Anspruch nach § 2042 BGB, den diese gegenüber allen Erben geltend machen können. Die dann noch unbekannten Erben werden vom NLP vertreten und dieser (wie auch das Gericht) kann sich diesem jederzeit fälligen Anspruch mit keinem Argument (sofern nicht in § 2043 ff. BGB begründet) widersetzen.

    Genehmigt er oder das Gericht die Auseinandersetzung nicht, wäre die Folge, dass die übrigen Erben auf Auseinandersetzung klagen könnten und wohl 100 % Recht bekämen. Um einen so drohenden oder entstehenden Schaden abzuwenden, muss der Pfleger -bei Genehmigungsverweigerung des Gerichts- m.E. sogar in die Beschwerde gehen, weil er sich sonst wohl für diesen Schaden haftbar macht.

    Zum besseren Verständnis:
    Hiervon abzugrenzen sind die Fälle, in denen alle Erben ermittelt/bekannt sind. Hier ist es nicht die Aufgabe des Pflegers, die Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Erben durchzuführen. Wenn diese das jedoch so wünschen (kommt in der Praxis häufig vor), dann muss sich der NLP dazu (unter Ausschluss von § 181 BGB) extra bevollmächtigen/beauftragen lassen. Er handelt dann aber nicht in seiner Eigenschaft als NLP sondern als Bevollmächtigter der Erben.

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    3 Mal editiert, zuletzt von TL (4. Juni 2013 um 11:08)

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