Gemeinschaftliches Testament - eine Unterschrift fehlt

  • Hallo, ich habe hier ein Problem mit der Auslegung eines Testaments:

    Der A und die B wollen gemeinsam ein Testament errichten. Sie formulieren:

    "Wir setzen uns gegenseitig als alleinige Erben ein. nach dem Tode des Längstlebenden von uns soll der Nachlass an meinen Enkel E fallen. Mein Sohn S ist wird hiermit enterbt."

    Die B ist die Mutter des Sohns S, der A hat damit im Prinzip nichts zu tun, er war zwar der Ehemann der B, aber nicht der Vater des Sohns S. Der A selbst hat keine Kinder.
    Nur die B hat das Testament unterschrieben und sie ist auch diejenige, die verstorben ist. Jetzt ist meine Frage, ob das unwirksame gemeinschaftliche Testament von A und B in ein wirksames Einzeltestament nach der B ausgelegt werden kann. Ist es sinnvoll, den A dazu anzuhören, ob sie wirklich ein gemeinschaftliches Testament errichten wollten? Ich weiß grade nicht weiter und könnte ein wenig Hilfe gebrauchen.

    Falls noch Informationen zum Sachverhalt fehlen, werde ich diese schnellstmöglich nachreichen.

  • Nach dem Sachverhalt gehe ich davon aus, dass das Testament (nur) von der Erblasserin ge- und unterschrieben wurde und damit als Einzeltestament formgültig errichtet wäre. Es stellt sich somit die Frage, ob das misslungene gemeinschaftliche Testament im Wege der Umdeutung als wirksames einseitiges Testament der Erblasserin angesehen werden kann (vgl. Bestelmeyer Rpfleger 2012, 666, 668 m.w.N.). In diesem Fall wäre es wohl dahin auszulegen, dass der Ehegatte alleiniger Vorerbe und der Enkel Nacherbe ist, wobei von einer befreiten Vorerbschaft auszugehen sein dürfte, weil der Ehemann nach der Intention des misslungenen gemeinschaftlichen Testaments ohne jede Verfügungsbeschränkung alleiniger Vollerbe und der Enkel lediglich Schlusserbe geworden wäre.

  • Wie Cromwell sagt, hat die Erblasserin das Testament geschrieben. Danke für die Ausführungen, habe den guten Bestelmeyer jetzt bestimmt schon zum dritten mal gelesen im Bezug auf Auslegung von Testamenten, hab ich immer hinter mir liegen, hätte ich gleich mal reinschauen sollen, sehr hilfreicher Artikel :) Werde nochmal ein bissel Kommentare nachschlagen, damit ich noch ein paar mehr Quellen angeben kann, die diese Meinung verfestigen und vllt noch eine Gegenmeinung anschauen, und dann sollte ich in dem Sachverhalt fundiert entscheiden können.

  • Ich würde sagen, als Einzeltestament müsste es auf jeden Fall ausgelegt werden können. Es ist davon auszugehen, dass die B wohl auch ohne die gegenseitige Einsetzung auf jeden Fall die Enterbung des Sohnes gewollt haben wird und der wäre ja sonst gesetzlicher Erbe. Ist der Sohn das einzige Kind der B?

  • Ja, der Sohn ist der einzige Sohn der B. Der, bzw. dessen Anwalt fragt nämlich auch nach, ob er "nur" Pflichtteilsansprüche geltend machen kann oder einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge stellen kann.

    Nach weitere Nachforschung im MüKo werde ich ihm jetzt mitteilen, dass ich das Testament in ein formgültiges Einzeltestament umdeuten werde, dann soll er sehen, wie er weiter verfährt.

  • Nach weitere Nachforschung im MüKo werde ich ihm jetzt mitteilen, dass ich das Testament in ein formgültiges Einzeltestament umdeuten werde, dann soll er sehen, wie er weiter verfährt.

    Wie machst Du das, es liegt doch kein Erbscheinsantrag vor, oder?

  • Hab ich mich auch schon gefragt, könnt aber sein, dass eine landesrechtliche Pflicht zur Erbenermittlung v.a.w. besteht.
    Vielleicht soll ein Erbscheinsantrag vorbereitet werden , wie das hier auch üblich ist.

  • Der Anwalt(auch Notar) vertritt ja den enterbten Sohn S, und er möchte halt vor Antragsstellung wissen, ob es lohnenswert íst oder ob er seinem Mandanten raten sollte, lediglich Pflichtsteilsansprüche geltend zu machen. Er schreibt mir also seine Ansicht bzw. Auslegung des Testaments und meint, dass es unwirksam ist und daher gesetzliche Erbfolge eingetreten sei und fragt, ob das Gericht diese Meinung auch vertritt.

    Ist es in so einem Fall etwa nicht legitim, die Meinung des Gerichts zu erläutern?

  • Ich fragte nur deshalb, weil im Falle des Vorhandenseins von Grundbesitz ohnehin ein Erbschein erforderlich wäre und sich die Frage nach der eingetretenen Erbfolge dann im Erbscheinsverfahren klären würde.

    Der Anwalt muss selbst entscheiden, ob sein Mandant einen Erbscheinsantrag stellt oder ob er von vorneherein auf den Pflichtteilsanspruch "losgeht". Außerhalb eines Erbscheinsverfahrens würde ich mich mit Äußerungen über die eingetretene Erbfolge zurückhalten und zwar insbesondere dann, wenn für die Erbscheinserteilung der Richter zuständig wäre. Man kann zwar seine Meinung kundtun, aber natürlich stets unter dem Vorbehalt, dass die endgültige Klärung dem Erbscheinsverfahren vorbehalten ist. In diesem Fall ist der Anwalt aber ohnehin so schlau wie vorher.

    Im Ergebnis bin ich allerdings aus den bereits erörterten Gründen nach wie vor der Ansicht, dass das unwirksame Testament im Wege der Umdeutung als einseitiges wirksames Testament aufrecht erhalten werden kann und dass der Ehegatte alleiniger Vorerbe und der Enkel alleiniger Nacherbe ist (mit Ersatznacherbfolge i. S. des § 2069 BGB). Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Enterbungsintention im Hinblick auf die Person des Sohnes völlig eindeutig ist.

  • Ich hatte letztes Jahr als Vertreter eines Nachlassgläubigers (Kläger) ebenfalls einen Fall mit so einem Testament. Der dort genannte Erbe (Beklagter) war aus nachvollziehbaren Gründen der Auffassung, dass er wirksam eingesetzt sei. Besser Erbe als Nichterbe. Ich schloss mich dem an und habe ihn verklagt. Seine Erbenstellung war daher prozessual unstreitig und wurde auch vom Richter nicht thematisiert; der Rechtsstreit über die Forderung selbst wurde verglichen.

    Was mich an der Diskussion in vorliegendem Thread etwas irritiert, ist allerdings der dogmatische Ansatz, erst über Nichtigkeit und Umdeutung zur Erbenstellung zu gelangen. In meinem Fall waren schon in der vorgerichtlichen Korrespondenz beide anwaltlich vertretenen Parteien unabhängig voneinander zum Ergebnis gekommen, dass die bekannte Rechtsprechung, wonach ein wegen Geschäftsunfähigkeit einer Partei unwirksamer Erbvertrag in ein Testament des geschäftsfähigen Vertragsteils umgedeutet werden kann, nicht herangezogen werden muss, weil schon die Auslegung ergibt, dass das vermeintlich gemeinschaftliche Testament eines ist, das der es errichtende und unterschreibende Testator verfasste.

    Daher mal eine dogmatische Frage (der Rpfleger 2012 mit dem Aufsatz auf S. 666 ist beim Buchbinder): Handelt es sich hier tatsächlich um eine Nichtigkeit des gemeinschaftlichen Testaments mit der Folge der Umdeutung (§ 140 BGB) unter deren Voraussetzungen?

  • Die maßgebliche Passage aus meiner Abhandlung (Rpfleger 2012, 666, 669) lautet wie folgt:

    Ist die Errichtung eines wirksamen gemeinschaftlichen Testaments wegen der Testierunfähigkeit eines
    der Ehegatten gescheitert, können die Verfügungen des anderen Ehegatten, in dessen Person die förmlichen Anforderungen des § 2247 BGB erfüllt sind, im Wege der Umdeutung als Einzeltestament
    aufrecht erhalten werden.45 Das Gleiche gilt, wenn das gemeinschaftliche Testament nur von einem der Ehegatten ge- und unterschrieben und des Weiteren von diesem Ehegatten auch für den anderen Ehegatten mit dessen Namen mitunterschrieben wurde.46

    45 OLG München FamRZ 2010, 1769 = FGPrax 2010, 195 = ZEV 2010, 471 m. Anm. Zimmer; ebenso OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1587 (Analphabetismus eines Ehegatten).
    46 OLG Frankfurt FamRZ 2012, 330 = NJW-RR 2012, 11.

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    Ich denke nicht, dass es dogmatisch einen Unterschied macht, ob ein Ehegatte testierunfähig war oder ob für seine Person mangels Unterschrift nur die Formvorschriften nicht erfüllt waren. Denn in beiden Fällen geht es darum, ob eine einseitige wirksame letztwillige Verfügung des jeweils anderen Ehegatten vorliegt, der testierfähig war und für dessen Person die Formvorschriften erfüllt sind. Zutreffend ist allerdings, dass im Schrifttum kontovers diskutiert wird, ob man aufgrund einer Umdeutung oder bereits aufgrund einer Auslegung zu einer wirksamen einseitigen Verfügung gelangen kann.

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