Hallo liebe Leute,
bin ganz neu dabei, zum einen hier, zum anderen im Bereich Beratungshilfebewilligung. Und gleich liegt mir ein - zumindest mir - ungewöhnlich erscheinender Fall vor. Dazu muss ich etwas ausholen, weil mir viel Schriftverkehr vom Ratsuchenden vorliegt. Ich überlege derzeit, ob ich ausnahmsweise nachträgliche Beratungshilfe bewilligen will.
Der Ratsuchende hat sich mit seinem Problem zuallererst an einen Rechtsanwalt gewendet. Dieser ist sogleich für ihn tätig geworden, und hat auch schon zwei Schreiben an die gegnerische Seite aufgesetzt. 2 Monate später liegt auf meinem Tisch vom Ratsuchenden der Antrag auf nachträgliche Beratungshilfe. Für mich ganz klar geht es um "nachträgliche Beratungshilfe". Da mit dem Rechtsanwalt bei der ersten Vorsprache auch kein Mandat auf Beratungshilfebasis vereinbart wurde, ist für mich der Fall eigentlich klar: Antrag ablehnen.
Nun aber trägt der Ratsuchende folgendes vor:
Er habe schon ca. 1 Monat vor Aufsuchen des Rechtsanwalts hier im Amtsgericht angerufen und sich nach den Voraussetzungen für Beratungshilfe erkundigt. Mit mir persönlich sprach er nicht. Irgendjemanden will er aber gesprochen haben. Wen, lässt sich nicht ermitteln. Dabei will er sich nach den Freigrenzen für Beratungshilfe erkundigt haben. Diese seien ihm nicht genannt worden, habe er eher das Gefühl gehabt, man habe ihn "abwimmeln" wollen. Er hat sich daraufhin versucht, die materiellen Voraussetzungen für die Bewilligung anzulesen, und kam zu dem Entschluss, dass er wohl keinen Anspruch auf Beratungshilfe hat. Er hätte herausgefunden, dass man schon ALG II Empfänger sein müsste, um die Beratungshilfe zu erhalten.
In der Folge machte er sich Gedanken über die Bezahlung des Rechtsanwalts, weil er den Beratungsbedarf weiter sah. Er erhielt dann Zusagen von Verwandten, die ihm unter die Arme greifen wollten.
Dann ging er zum Rechtsanwalt und ließ sich beraten. Er hätte dort, so sagt er, die Beratungshilfe nicht angesprochen, weil ihn nun seine Verwandten dabei unterstützen wollten. Trotzdem habe er aber ausdrücklich erwähnt, dass es ihm wichtig sei, dass die Kosten der Anwaltskonsultierung schließlich von der gegnerischen Seite getragen werden. Außerdem hätte der Rechtsanwalt in dem Gespräch mitgeteilt bekommen, dass seine Lebensgefährtin ohne Einkommen sei, und er diese als auch das gemeinsame Kind als Alleinverdiener mitfinanziere. Er hätte außerdem die wesentlichen Kostenpunkte seines monatlichen Alltags aufgezählt und beziffert, so die Miete, Verbrauchskosten und Kredite. Ohne jetzt das Anliegen des Ratsuchenden umfangreich darzulegen, hat er wohl auch dem Rechtsanwalt mitgeteilt, weil es um einen Umzug ging, der nicht stattfand, 60 € "Umzugskosten" für den Telefon- und Internetanschluss gehabt zu haben. Jetzt wäre er seit 2,5 Monaten ohne Telefon- und Internetanschluss. Da aber der Umzug evtl. doch noch stattfindet, hat er den Anschluss bisher nicht zurückgeholt. Dies würde ihm zudem erneut 60 € Kosten, und dies sei ihm zu viel Geld.
9 Tage später schickte er dem Rechtsanwalt (nachweisbar) eine E-Mail, worin er nochmals darauf hinwies, dass er Alleinverdiener sei und nicht genau wisse, ob er sich den Rechtsanwalt weiter leisten könne, wenn nicht klar sei, dass letztlich die gegnerische Seite die Anwaltskosten tragen müsse.
2 Monate nach erstmaliger Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Sache hätte er dann erfahren, dass er evtl. doch Anspruch auf Beratungshilfe hätte. Er fragte seinen Rechtsanwalt jetzt erstmals direkt, ob er Anspruch auf Beratungshilfe hätte (Nachweis per E-Mail). Dieser verwies ihn dann an das Amtsgericht. Hier will er dann ein zweites Mal angerufen haben, und wollte persönlich vorbeikommen. Wieder sprach er nicht mit mir, sondern wohl irgendjemand anderem. Dort sei ihm gesagt worden, er solle sich schriftlich nach hier wenden, was er auch tat. Wieder hätte er den Eindruck gehabt, "abgewimmelt" werden zu sollen.
Soweit dazu. Vielleicht sei noch erwähnt, dass der Beratungshilfefall noch andauert und die Sache als solches noch nicht erledigt ist.
Der Ratsuchende beruft sich nun darauf, er hätte doch schon beim allerersten Anruf hier im Gericht konkludent Beratungshilfe beantragt. Insoweit wäre es kein "nachträglicher" Antrag.
Außerdem hätte der Rechtsanwalt gegen § 16 BORA verstoßen und ihn nicht auf die Beratungshilfe hingewiesen, obwohl dieser doch hätte erkennen müssen, dass er offensichtlich finanzielle Schwierigkeiten hätte. Dies sei zum einen im ersten Gespräch deutlich geworden, spätestens aber durch die E-Mail 9 Tage später. Insoweit wäre auch hier rechtzeitig Beratungshilfe "beantragt" worden, zumindest aber in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang.
Nebenbei sei bemerkt, dass die materiellen Voraussetzungen für die Beratungshilfe vorliegen. Damals wie heute. Dazu liegen mir alle Unterlagen vor.
Wie seht Ihr nun den Fall in Hinblick auf die eigentlich notwendige Unterzeichnung eines Beratungshilfemandats zu Beginn der Beratung? Ist der Fall tatsächlich abzulehnen?
VG,
Heidi