Anfechtung und Nachlasspflegschaft

  • Der Erblasser hat in notariellem Testament aus 2010 Frau X eingesetzt.
    Seine Betreuerin überreicht nun mit den Eröffnungsunterlagen ein Konvolut von Schriftsätzen, aus denen sich ergibt, dass er sich von der Begünstigten getäuscht fühlte bis hin zu Strafanzeigen wegen Betruges und Untreue.
    In diesen Verfahren, die mangels Beweises eingestellt worden sind, war er anwaltlich vertreten.
    Ferner liegt ein 6 Monate altes Protokoll des Gemeindepfarrers vor, wonach der Erblasser sein Testament unbedingt ändern wollte, weil die Begünstigte ihn betrogen habe. Auch die amtliche Betreuerin war über die Änderungswünsche informiert.
    Zu einer Testamentsänderung ist es jedoch nicht gekommen.
    Gesetzliche Erben sind nicht bekannt und in den weiteren Ordnungen zu ermitteln.
    Ist die Einrichtung einer Pflegschaft geboten zur Wahrung eines evt. Anfechtungsrechtes?
    Es ist Grundbesitz und bewegliches Vermögen vorhanden.

  • Und wenn denn nun der lieber Testator überall herumerzählt hat, dass er die eingesetzte Person so schlimm findet, warum hat er dann nicht einfach sein Testament geändert?

    Ich sehe hier noch keinen echten Anfechtungsgrund....

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Oh wie schön, und keiner hat ihm gesagt, dass er das Testaament nur aus der besonderen amtlichen Verwahrung nehmen muss...! ...oder war er vielleicht doch nicht mehr so fit im Oberstübchen, dass dies nicht mehr möglich war? Da würde ich zuerst mal anfangen zu prüfen.

  • Anfechtungsgrund wäre § 2078 Abs. 2 BGB und anfechtungsberechtigt sind die gesetzlichen Erbprätendenten (§ 2080 Abs. 1 BGB). Wenn der Erblasser sein Testament nicht mehr aufheben/ändern konnte, weil er bereits testierunfähig war, spricht dies - abgesehen vom Anfechtungsgrund - für eine Anfechtbarkeit, weil die Nichtänderung dann kein Indiz für den Aufrecherhaltungswillen darstellen kann. Unter § 2078 Abs. 2 BGB fällt auch der durch arglistige Täuschung herbeigeführte Irrtum.

    Für noch nicht ermittelte gesetzliche Erbprätendenten wäre zum Zweck der Ausübung des Anfechtungsrechts ein Pfleger nach § 1913 BGB zu bestellen. Da die Testamentserbin aufgrund der vorliegenden notariellen letztwilligen Verfügung (samt Eröffnungsprotokoll) über den beweglichen und unbeweglichen Nachlass verfügen kann, dürfte eine solche Pflegerbestellung geboten erscheinen. Wäre zur Verfügung über den Nachlass ein Erbschein erforderlich, könnte man dies gelassener sehen, weil die gesetzlichen Erbprätendenten zu diesem Antrag anzuhören wären und vor ihrer Ermittlung und Anhörung (und damit auch vor ihrer eigenen Entscheidung über eine etwaige Anfechtung) ohnehin keine Erbscheinserteilung in Betracht kommt.

    Wenn der Erblasser noch testierfähig war und demzufolge noch rechtlich im Stande gewesen wäre, das Testament aufzuheben oder zu ändern, könnte das Ganze auch auf eine haftungsrechtlichen Komponente hinauslaufen. Denn der Erblasser war in den betreffenden Verfahren anwaltlich vertreten und es mutete schon sehr eigenartig an, falls ihm sein Anwalt nicht die Aufhebung des Testaments angeraten hat.

  • Und wenn denn nun der lieber Testator überall herumerzählt hat, dass er die eingesetzte Person so schlimm findet, warum hat er dann nicht einfach sein Testament geändert?

    Ausnahmsweise ein Selbstzitat :)

    Denn wenn der Erblasser bis hin zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen alles Mögliche unternommen hat, um die eingesetzte Person "abzustrafen", dann darf man als Gericht wohl davon ausgehen, dass insoweit eine Testierfähigkeit vorhanden war (gg. Betreuer zur Testierfähigkeit anhören) und wenn dies so war, dann hätte der Erblasser ganz einfach sein Testament aufheben/ändern können. Wenn er dies aber trotz Testierfähigkeit und auch trotz dem, dass kein anderer Hinderungsgrund ersichtlich ist, eben nicht gemacht hat, dann ist das halt so. Dann aber ist auch kein Grund gegeben, einen Anfechtungsgrund zu sehen und dafür zur Sicherung der Rechte der gesetzlichen Erben einen Pfleger zu bestellen.

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  • nun, möglichweise hat sich das Problem der Pflegerbestellung nach § 1913 BGB gelöst: die Betreuerin hat beim Aufräumen 2 privatschriftliche Testamente früheren Datums gefunden und eingereicht.
    Die hierin eingesetzten Erben wären anfechtungsberechtigt, wenn auch der im notariellen Testament ausdrücklich enthaltene Widerruf aller früheren VvTw durch eine Anfechtung des Testamentes gegenstandslos würde.
    Ist das so?

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