fehlende Ersatznacherben/ Vererblichkeit des Nacherbenrechts

  • Hallo,

    mein Erblasser hat seine Ehefrau zur Vorerbin und die Kinder zu Nacherben eingesetzt.
    Zum jetzigen Zeitpunkt des Erfalls hat der Erblasser noch keine Enkelkinder.
    Der Notar hat nun einen Erbschein wie folgt beantragt:
    A ist von seiner Ehefrau allein beerbt worden. Es ist Nacherbfolge angeordnet. Die Nacherbfolge tritt ein beim Tod der Vorerbin. Die Vorerbin ist von den gesetzlichen Beschränkungen befreit.
    Nacherben sind die XYZ (die Kinder des Erblassers).
    Das Nacherbenrecht ist vererblich.

    Die Kinder XYZ haben bislang keine Kinder, der Erblasser hat also keine Enkel.

    Der Notar hat keine Ersatznacherben angegeben.
    Haltet ihr das für richtig? Es könnten ja noch Ersatznacherben geboren werden.

  • Unabhängig davon, dass natürlich zunächst versucht werden muss, den Erblasserwillen zu ermitteln, halte ich den Erbscheinsantrag - wenn die Ermittlungen ergebnislos bleiben - nicht für begründet. Denn für den Regelfall dürfte es als ausgeschlossen gelten, dass nach dem Willen des Erblassers mittels der Vererblichkeit des Nacherbenrechts ein zum Alleinerben eingesetzter Ehegatte eines vor dem Eintritt des Nacherbfalls versterbenden Kindes in die Nacherbenstellung einrückt, wenn das verstorbene Kind (auch erst nach dem Eintritt des Vorerbfalls geborene) Enkel hinterlässt. Hier liegt es nach meiner Ansicht wesentlich näher, dass die Auslegungsregel des § 2069 BGB zum Zuge kommt. Aber auch wenn sie zum Zuge kommt, ist damit noch nicht geklärt, wem die Nacherbschaft zufallen soll, wenn ein Vorerbe ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstirbt. Denn in diesem Fall kann das Nacherbenrecht vererblich sein (wiederum mit der Gefahr, dass ein Familienfremder in die Nacherbenstellung einrückt) oder es sollen die anderen Kinder Ersatznacherben sein, so dass das gleiche Ergebnis wie bei der Anwachsung eintritt.

  • Ich schließe mich mit meinem Fall und dem Spannungsfeld zwischen § 2069 BGB und § 2108 II BGB an :
    Ausgangsfall ist folgender :

    Erblasser E hat 2014 mit seiner zweiten Ehefrau F ein notarielles Testament errichtet.
    Der Erblasser hat aus erster Ehe zwei Kinder, Sohn G und Tochter M.
    Die zweite Ehe ist kinderlos geblieben.
    In dem Testament haben sich die Ehegatten gegenseitig als befreite Vorerben eingesetzt.
    Für den Fall , dass der Erblasser zuerst verstirbt , wurden dessen Kinder Sohn G und Tochter M als Nacherben zu gleichen Teilen eingesetzt.
    ( Ergänzend : für den Fall , dass die Ehefrau zuerst verstirbt , ist deren Nichte als Nacherbin eingesetzt ) .
    Nacherbfall tritt mit Tod der Vorerbin ein.
    In dem Testament sind jeweils keine Ersatznacherben von den Testatoren bestimmt.

    Folgendes ereignete sich nun nach Testamentserrichtung .

    1.) Erblasser stirbt 2017

    2.) Nacherbin Tochter M stirbt 2018

    Diese hat einen Sohn aus erster Ehe , der die Erbschaft nach ihr wirksam ausgeschlagen hat.
    Gesetzliche Erben der M sind nun der zweite Ehemann T zu 3/4 und der eingangs erwähnte Bruder G zu 1/4 .
    Ein entsprechender Erbschein liegt mir vor.

    3.) Ehefrau F stirbt 2021

    Der Tod der F löst nun den Nacherbfall aus.

    Nun liegt mir ein not. Erbscheinsantrag des T ( Schwiegersohn des E s. Ziff. 2 ) vor , wonach der Erblasser nach Eintritt des Nacherbfalls beerbt wurde von
    dem Sohn G zu 5/8 und dem Schwiegersohn T zu 3/8.

    Der Antragsteller beruft sich darauf , dass seine Ehefrau - die Tochter M des Erblassers - nach dem Eintritt des Erbfalls aber vor Eintritt des Nacherbfalls verstarb und daher die Nacherbenanwartschaft auf ihre Erben
    T und M gem. vorl. Erbschein übergeht.

    Da eine ausdrückliche Ersatznacherbenbestimmung unterblieben ist , geht m.E. die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft gem. § 2108 II BGB vor . So hab ich es zumindest in grauer Vorzeit an der FH gelernt.;)
    Da die Tochter M den Erbfall überlebt hat, war ihre Nacherbenanwartschaft bereits Bestandteil ihres Nachlasses.
    Der Sohn von M hat jedoch deren Erbschaft ( und damit auch das Anwartschaftsrecht als Nacherbin ) ausgeschlagen .

    Wie würdet ihr nun vorgehen ?

    Reicht die Anhörung des Enkels des Erblasssers aus ?
    Oder muss noch - ggf. im Rahmen einer Beweisaufnahme - zusätzlich geprüft werden, ob dem Testament nicht zu entnehmen ist, dass der Erblasser das Eindringen familienfremder Personen ( hier der Schwiegersohn des Erblassers und Antragsteller ) nicht gewollt hat und § 2069 BGB anzuwenden ist ( vgl. Palandt Anm. 6 zu § 2069 BGB ) ?
    Oder ist das im Hinblick auf dessen Erbausschlagung nicht mehr notwendig ?

  • Wenn Ersatznacherbfolge angeordnet ist, wird der Enkel aus eigenem Recht Nacherbe. Dass er die Erbschaft nach der potentiellen Nacherbin ausgeschlagen hat, spielt daher keine Rolle.

    Ansonsten das übliche Spannungsverhältnis zwischen Ersatznacherbfolge und Vererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts. Es ist schon traurig, wenn ein notarielles Testament diesbezüglich überhaupt keine Hinweise enthält.

    Wie ich bereits ausgeführt habe, neige ich in diesen Fällen eigentlich stets zur Ersatznacherbfolge, weil das Vermögen "im Stamm" bleiben und nicht irgendwelchen Ehegatten von zwischen Vorerbfall und Nacherbfall verstorbenen potentiellen Nacherben zugute kommen soll.

    Wenn das OLG meint, es muss das im Beschwerdeverfahren anders entscheiden, dann ist das halt so.

    Wenn seitens der Enkel Einwendungen kommen, ist die Sache wohl ohnehin beim Richter, landesrechtliche Übertragung nach § 19 RpflG hin oder her.

  • Zunächst einmal danke.
    Ich hätte jetzt eh zunächst den Enkel schriftlich angehört und weitere "verfahrensfördernde Maßnahmen" nach Ablauf der Anhörungsfrist vorbehalten.

    Warum der Enkel bereits Ersatznacherbe " aus eigenem Recht" sein soll, erschließt sich mir noch nicht.
    Schließlich gilt eine vermutete Ersatznacherbeneinsetzung nach § 2069 BGB nur bei Nacherbenwegfall zwischen Testamentserrichtung und Erbfall , sodass ansonsten Vererblichkeit der Anwartschaft vorgeht ( Palandt Anm. 6 zu § 2108 BGB ) .
    Ausnahme wäre , sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers entgegensteht.
    Dieser ( ggf. hypothetische ) Wille müsste dann ermittelt werden, wobei es für die Auslegung des Testamentes und die Feststellung des Willens auf den gemeinschaftlichen Willen beider Testatoren ankommt ( OLG Karlsruhe FamRZ 2009,729-731 ) .
    Hierzu kann die Ehefrau des Erblassers leider nicht mehr befragt.
    Allerdings wäre dabei m.E. zu bedenken , dass es weder bei der Tochter des Erblassers M noch bei dem Enkel um gemeinschaftliche Abkömmlinge der Testatoren handelt.


  • Wie ich bereits ausgeführt habe, neige ich in diesen Fällen eigentlich stets zur Ersatznacherbfolge, weil das Vermögen "im Stamm" bleiben und nicht irgendwelchen Ehegatten von zwischen Vorerbfall und Nacherbfall verstorbenen potentiellen Nacherben zugute kommen soll.

    Die Neigung zur Ersatznacherbfolge könnte im Hinblick auf die in #5 zitierte Entscheidung des OLG Karlsruhe fraglich sein , weil das OLG den Vorrang der Vererblichkeit selbst bei streitigem Verhältnis zwischen - in dem Fall Schwiegertochter - zu den Schwiegereltern betont hat.

  • Ich habe zu dieser Entscheidung in Rpfleger 2010, 635, 640 in Fn. 63 folgendes ausgeführt:

    Man wird diese auf einer individuellen Testamentsauslegung beruhende Entscheidung, aufgrund welcher die Ehefrau des kinderlosen Sohnes kraft Vererblichkeit des Nacherbenrechts als Nacherbin zum Zuge kam, aber nicht verallgemeinern dürfen (zur Problematik vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2069 Rn. 6 und § 2108 Rn. 5 m. w. N.).


  • Wenn seitens der Enkel Einwendungen kommen, ist die Sache wohl ohnehin beim Richter, landesrechtliche Übertragung nach § 19 RpflG hin oder her.

    Der Enkel hat nun schriftlich dem Antrag zugestimmt und keine Einwendungen erhoben.
    Die Frage ist für mich nun , ob überhaupt noch weitere amtswegige Ermittlungen ( wie z.B. mündliche Anhörungen ) zur Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens/der individuellen Testamentsauslegung erforderlich sind.
    Schließlich trifft die Feststellungslast der Nichtvererblichkeit des Nacherbenanwartschaftsrechtes den Enkel.
    Dieser sieht sich aber - wegen seiner Stellungnahme - selbst nicht als Ersatznacherbe.

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