Notariatsreform in Baden-Württemberg

  • Die Forderung von Vors. Richter am BFH a. D. Prof. Dr. Heinrich Weber-Grelletin der ZRP 2014, 219: „Qualifizierte Richterassistenz mit dem Ziel, den Richter von „Büroarbeiten“ und vorbereitenden Tätigkeiten freizustellen und ihm die Konzentration auf die eigentliche Entscheidungstätigkeit zu ermöglichen“, lässt sich mE ohne weiteres auch für die Tätigkeit des Rechtspflegers stellen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Man sollte allerdings im Auge behalten, dass der Schritt zur Richterassistenz nicht womöglich durch Verlagerung von Aufgaben auf Rechtspfleger vollzogen wird. Der erste Schritt ist durch die PKH-/VKH-Vorprüfung ja schon getan.

    Rechtspflegerassistenz halte ich persönlich für Wunschdenken. Warum sollte man im Geschäftsstellenbereich entsprechende Stellen schaffen, die dann womöglich nach A8/A9 bzw. EG8/EG9 zu bewerten und somit unter Umständen teurer als der Rechtspfleger, dem assistiert würde, wären?

  • gerade im dbb-aktuell Nr. 39/14 gefunden:

    [h=1]Grundbuchamts- und Notariatsreform – BBW schaltet sich ein[/h](dbb) Aus Protest gegen die Verweigerungshaltung der Landesregierung von Baden-Württemberg gegenüber den Bediensteten der Notariate im Zuge der Grundbuchamts- und Notariatsreform ist am 11. Oktober 2014 der Vorstand des Württembergischen Notarvereins e. V. geschlossen zurückgetreten. Der Berufsverband wirft der Landesregierung vor, sie lasse die Notariatsangehörigen im Stich und unternehme nichts, um die Belange der von der Notariats- und Grundbuchamtsreform besonders betroffenen Bediensteten des Landes angemessen und fair zu berücksichtigen. Aufgrund des außergewöhnlichen Vorgangs hat der Beamtenbund Baden-Württemberg BBW umgehend Kontakt mit dem Justizministerium aufgenommen. Von dort habe man in der Sache verhalten Entwarnung signalisiert, teilte der BBW mit.

    Laut Justizministerium ist das letzte Wort über die Zukunft der Beschäftigten noch nicht gesprochen, die im Zuge der Grundbuchamts- und Notariatsreform weiterhin beim Land verbleiben. Justizminister Rainer Stickelberger habe versichert, er setze sich nach wie vor für eine sozialverträgliche Umsetzung der Reform ein und halte auch an Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeitregelungen für einen bestimmten Personenkreis fest.
    Der BBW und sein Mitgliedsverband Württembergischer Notarverein e. V. haben sich wiederholt für Regelungen zur Abfederung der Reform für die Beschäftigten - Beamtinnen und Beamten sowie Tarifbeschäftigte – eingesetzt, die im Landesdienst verbleiben. So fordert der BBW Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeitregelungen für Betroffene, die am Reformstichtag 55 Jahre oder älter sind.
    (13/39/14)

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  • Ich wundere mich ein bisschen, dass 5 - 8 Fälle am Tag "einfach bodenlos" sind. Wieviele schaffst Du denn am Tag, Andreas? Und wie zählst Du da?


    An vorstehende Frage musste ich denken, als mir jetzt die Belastungszahlen in der Justiz für 2013 bekannt wurden. Dort heißt es für Grundbuchsachen (Zahlen bezeichnen den Bundesdurchschnitt):

    - Eingereichte Urkunden Abt. I je Rechtspfleger: 836,4
    - Eingereichte Urkunden Abt. II und III je Rechtspfleger: 1752,3
    - Eingereichte Urkunden Wohnungs- und Teileigentum: 31,4
    - Eingereichte Urkunden insgesamt je Rechtspfleger: 2620,1
    - Eingereichte Urkunden insgesamt je mittlerer und Schreibdienst: 2121,9

    Anhand dieser Zahlen ist es statistisch gesehen zum Beibehalt des Status quo nötig, dass ein Grundbuchrechtspfleger an jedem einzelnen Arbeitstag 12 Urkunden erledigt. Fast jede Woche hat dabei auch ein WEG-Dings zu sein.

    Da ich kein Grundbuchrechtspfleger bin, kann ich nicht einschätzen, ob die Zahl der Urkunden mit der Zahl der "Fälle" gleichzusetzen ist. Jedenfalls sind das Zahlen, bei denen mir schwindlig wird ...

  • Die Zahl der Urkunden lässt sich sicher nicht mit der Zahl der Fälle gleich setzen, weil z. B. zahlreiche "außerurkundliche" Fälle wie z. B. Erbfolgen, Abtretungen etc. hinzukommen. Dennoch: Wer im Schnitt 12 Fälle oder mehr pro Tag erledigt, sollte sich mal fragen, wie sich die Erledigungszahlen gestalten würden, wenn er jeden Firlefanz mit erledigen müsste (sogenannte ganzheitliche Bearbeitung)

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  • Die Anzahl der eingereichten Urkunden wird ja auch nirgends statistisch erfasst (in BW).

    In Württemberg kommt erschwerend hinzu, dass die Bezirksnotare ihre eigenen Urkunden selbst im Grundbuch vollziehen (wenn die Beurkundung den eigenen Bezirk betrifft). Da geht dann die grundbuchrechtliche Prüfung razzfazz, beim Rechtspfleger, der die Urkunden nicht kennt, dauert es natürlich bedeutend länger.


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    Alles hat einmal ein Ende.

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  • Die Effektivität des württ. Notariatssystems ist unerreichbar. Beurkundung Kaufvertrag, sofort danach wird die Vormerkung und die Finanzierungsgrundschuld im Grundbuch eingetragen, spätestens am nächsten Tag gehen begl. Abschriften und Grundbuchnachrichten raus ! Hiervon wird man ab 1.1.2018 nur noch träumen können.

    Bei den Nachlassgerichten, nicht nur in B-W: Rechtspfleger beurkundet Erbscheinsantrag und kann den Erbschein sofort erteilen. Ab 2018: Rechtspfleger darf Erbscheinsantrag nicht mehr beurkunden, sondern nur ein Notar. Hin- und Herschicken von Nachlassakten usw.

  • Hier wurde schon die Frage durchgenommen, dass/ob es nicht bedenklich sei, über Anträge zu entscheiden, die man selbst aufgenommen hat.

    Worin besteht der Unterschied zu Bezirksnotaren dahingehend, dass das bei denen offenbar kein Problem ist, sondern ein Zeichen von Effizienz?

  • Dennoch: Wer im Schnitt 12 Fälle oder mehr pro Tag erledigt, sollte sich mal fragen, wie sich die Erledigungszahlen gestalten würden, wenn er jeden Firlefanz mit erledigen müsste (sogenannte ganzheitliche Bearbeitung)

    Es ist eine Binsenweisheit, dass es nicht klappen kann, wenn alle Aufgaben des mD ohne Personalausgleich auf den Rechtspfleger übertragen werden. Der Rechtspfleger kann ja da schwerlich schneller sein als der mD. Tendenziell dürfte er wegen der zusätzlichen Brüche in seiner Arbeit eher noch langsamer sein.

    Und was heißt, die Urkunden werden nicht gezählt? Man schafft PEB§SY ab, um die wahre Belastung zu verschleiern?

    Die Effektivität des württ. Notariatssystems ist unerreichbar. Beurkundung Kaufvertrag, sofort danach wird die Vormerkung und die Finanzierungsgrundschuld im Grundbuch eingetragen, spätestens am nächsten Tag gehen begl. Abschriften und Grundbuchnachrichten raus ! Hiervon wird man ab 1.1.2018 nur noch träumen können.

    Das geht durchaus aus im getrennten System, setzt aber natürlich eine sachgerechte personelle Ausstattung der Gerichte voraus. Der Notar kann die Urkundsabschrift schließlich herstellen, wenn bei ihm am Kopierer bzw. in der Ausfertigung keine Woche Arbeitsrückstau besteht.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Andreas, bei uns werden in der Statistik nicht die einzelnen Urkunden gezählt (ich hatte Dich ja auch gefragt, was bei Euch als ein Fall zählt).

    Ein Fall im GRG ist - so ist es zumindest momentan an dem Notariat, wo ich bin, ob es an den zentralen GBÄern anders ist, weiß ich nicht -, was mit einem gemeinsamen Anschreiben des Notars eingereicht wurde. Also z. B. eine Erwerbsvormerkung, eine Grundschuld und eine Grundbuchabschrift für die Bank. (Gut, manchmal reicht ein Notar auch willkürlich Urkunden zusammen ein, die eigentlich ganz verschiedene Grundbücher betreffen, dann trennt man das).

    In der Statistik wird dann gezählt, wieviele Grundschulden eingetragen wurden, wieviele Belastungen in Abt. II eingetragen wurden, bei wievielen Grundstücken ein Eigentumswechsel eingetragen wurde, bei wievielen Rechten in Abt. II und III eine Veränderung eingetragen wurde, in wieviele Einheiten nach § 8 oder 3 WEG aufgeteilt wurde, bei wievielen WEG-Einheiten eine Änderung der Teilungserklärung eingetragen wurde oder wieviele Grundbuchabschriften erteilt wurde. Mal ganz grob, ein paar mehr Punkte werden auch mitgezählt. Aber nirgendwo wird vermerkt, ob zu einem Vorgang eine Urkunde oder 2 oder 5 eingereicht wurden.


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  • Hier wurde schon die Frage durchgenommen, dass/ob es nicht bedenklich sei, über Anträge zu entscheiden, die man selbst aufgenommen hat.

    Dies ist nicht nur bei den Bezirksnotaren der Fall, sondern seit über 100 Jahren auch bei den Rechtspflegern, wenn sie z.B. über einen selbst beurkundeten Erbscheinsantrag entscheiden.
    Ich sehe hier kein Problem, die Beteiligten können schließlich Rechtsmittel einlegen, und die Haftung des Bezirksnotars bzw. Rechtspflegers ist ein Garant dafür, dass äußerst sorgfältig gearbeitet wird.

  • Gilt PEBB§Y für BW denn nicht? Die Zählung nach Erledigungen rühren noch vom alten "Tagebuch" her - das war VOR PEBB§Y.
    Ich dachte, das wäre seitdem bundeseinheitlich geregelt - Zählung der Anzahl der eingehen Urkunden (2a,b,c, 3a,b; 4a,b) - und zugegebenermaßen länderspezifischer Bemessungszahlen, weil Zuschläge gewährt werden können.

    Wo das Gesetz nicht hilft, da muss Klugheit raten. (J. W. Goethe)

  • Gilt PEBB§Y für BW denn nicht? Die Zählung nach Erledigungen rühren noch vom alten "Tagebuch" her - das war VOR PEBB§Y.
    Ich dachte, das wäre seitdem bundeseinheitlich geregelt - Zählung der Anzahl der eingehen Urkunden (2a,b,c, 3a,b; 4a,b) - und zugegebenermaßen länderspezifischer Bemessungszahlen, weil Zuschläge gewährt werden können.

    Ich weiß nur von der Zählweise, die ich angedeutet habe. :gruebel:


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  • Pebb§y muß auch in BW gelten. Schließlich hat sich das Land doch gerade an der Nacherhebung 2014 beteiligt. Über das scheinbare Ergebnis k*tze ich mich besser noch nicht aus.

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  • Es gibt Landestabellen. Eure kenne ich nicht. (Ich habe nur heute einen Blick in den Vorentwurf des Gutachtens getan...)

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  • In Sachsen-Anhalt:
    2a = 163 min, 2b = 62 min, 2c = 35 min, 4b = 9 min
    Zu berücksichtigen ist dann noch die Jahresarbeitszeit, die für die Gerichte jährlich ermittelt wird und die derzeit für die ordentlichen Gerichte 91.753,72 Min. beträgt.

    Die monatlich eingehenden Urkunden sind mit der jeweiligen Bemessungszahl zu multiplizieren und durch die (monatliche) Arbeitszeit zu dividieren.

    Bsp: Eingang von 5 Urkunden 2a, 55 Urkunden 2b, 100 Urkunden 2c

    5 x 163 min : 7646 min. = 0,106
    55 x 62 min : 7676 min = 0,445
    100 x 35 min : 7676 min = 0,457 = insgesamt Pensum von 1,008.

    Für umzuschreibende Akten aus einem Fall heraus wird hier ein Zuschlag von 30 min gewährt, für Umschreibungen ohne Anlass sind es 94 min.

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  • :teufel: (Ich habe nur heute einen Blick in den Vorentwurf des Gutachtens getan...)

    ...was erwartet uns denn?....vermutlich die Heruntersetzung der Bemessungszahlen, damit wir uns alle noch mehr "strecken müssen"...

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  • Wartet auf das Gutachten. Da muß noch gefeilt werden. Aber Deine grundsätzliche Befürchtung vermag jedenfalls ich derzeit nicht zu zerstreuen...

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