Notariatsreform in Baden-Württemberg

  • Es würde doch dort keinem Notar einfallen, sich an den PC zu setzen und alle Verträge selbst zu schreiben. Dort stehen Notariatsamtsräte und Notariatsassessoren zur Verfügung, die dem Notar alles unterschriftsreif auf den Tisch legen.


    Auch wenn ich nicht in Bayern amtiere, nehme ich als Nurnotar mal Stellung:

    "Alles" macht das Büro sicher nicht, und ich schreibe auch schon mal Sachen selbst. Aber für vieles kann man Personal einstellen, und zwar zu den Bedingungen, die man selber aushandelt (um gute Leute zu bekommen), nicht nach irgendeinem Stellenschlüssel und im Rahmen eines Budgets, auf das man keinen Einfluß hat.

    Das gleiche gilt für meinen PC und die Ausstattung des Büros. Wenn ich einen neuen Rechner oder mehr Kopierer oder schönere Urkundsumschläge oder weißeres Papier möchte, dann kaufe ich es halt, wenn ich der Meinung bin, dass die zusätzlichen Ausgaben sich lohnen. Oder wenn ich der Meinung bin, dass ein "Dienstleistungsabend" Sinn macht, darf ich die Amtsstelle auch bis 20 Uhr offen halten (und das personal freut sich über Zulagen). Das ist der Unterschied zu den öffentlichen Notariaten (vor allem) badischer und auch württembergischer Prägung.

    P.S. Die Kollegen in Viernheim, Wörth, Kandel, Neu-Ulm, Lindau oder Ludwigshafen sind über die Notariatsreform vermutlich noch erheblich unglücklicher als die Betroffenen selbst.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • [QUOTE] Ich kenne doch das Eine oder Andere Notariat mit einem Qualitäts- und Servicedefizit. Gerade im Grenzgebiet zu Bayern oder in der Nähe eines freien Notars wird insbesondere das Servicedefizit sichtbar.

    Im Vergleich z.B. zu den bayerischen Notariaten komme ich mir mit unserer Ausstattung vor wie in einem Trabi-Garagen-Notariat ohne Mechaniker. Gegen die Mercedes- und Porsche-Notariate in Bayern sehen wir einfach lächerlich aus. Es würde doch dort keinem Notar einfallen, sich an den PC zu setzen und alle Verträge selbst zu schreiben. Dort stehen Notariatsamtsräte und Notariatsassessoren zur Verfügung, die dem Notar alles unterschriftsreif auf den Tisch legen.

    Zwar überspitzt, aber im Grunde richtig. Und ein weiterer Beleg, dass die Reform aus meiner Sicht (eines Immobilienmaklers) sehr notwendig war. Mit wenigen Ausnahmen ist man in den letzten 20 Jahren regelmäßig zu Notaren nach Hessen oder Rheinland-Pfalz ausgewandert, weil dort einfach alles reibungsloser und unkomplizierter ablief. Damit will ich nichts gegen die Notariate in Baden sagen und mir schon gar kein Urteil über deren Qualität erlauben. Aber es war halt nicht nur mein Eindruck dass dort alles mind. 3 mal so lange dauerte. Wie tom richtig schreibt werden daher einige Notare in Viernheim die Reform kritisch sehen, ihnen wäre der Status quo lieber gewesen. :teufel: Bei den Grundbuchämtern kann ich nur meine subjektiven Eindruck hier in der Rhein-Neckar-Region mit dem Wechsel zum AG Mannheim weitergeben. Und der ist in jeder Hinsicht positiv, Auffassungsvormerkungen dauern jetzt teilweise nur 3 Tage, das waren früher bei einigen Notariaten mehrere Wochen. Noch keine Erfahrungen habe ich mit rechtlich komplizierten Fällen gemacht. Bitte bei der Diskussion auch nicht vernachlässigen, dass die frühere Zersplitterung in 600 Grundbuchämter eben auch zur Folge hatte, dass man sich an viele verschiedene Usancen und Herangehensweisen von einzelnen Grundbuchämtern gewöhnen musste. Wir konnten unseren Kunden z.B. nie sagen, wie schnell der Kaufpreis fällig gestellt werden kann, weil wir nicht wussten, wie lange das Grundbuchamt braucht. Das ist aber für Käufer in der Regel eine sehr wichtige Sache im Zusammenhang mit der Finanzierung. Wenn bei einer unterschriftsbeglaubigten Urkunde nachträglich etwas gestrichen oder geändert wurde, dass hat das GBA A das gelten lassen, GBA B nicht, über beide Auslegungen konnte man (und musste man dann) lange streiten. Jetzt hat man eine klare Linie, wie in allen anderen 15 Bundesländern auch. Das heißt natürlich nicht, dass ich nicht im Einzelfall doch mit einer anderen Entscheidung des GBA leben muss und dass eine Auffassungsvormerkung nicht doch mal 6 Wochen dauert. Das bin ich auch in Hessen oder Rheinland-Pfalz gewohnt. Aber nach meinem Eindruck wird es im Ländle stetig besser und ich bin dem Justizminister der mittlerweile ja so sehr gescholtenen FDP wie viele meiner Kollegen durchaus dankbar, dass die Reform angegangen wurde. Im Unterscheid zu den Viernheimer Notaren .....

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Unfug und nichts als Bürokratie.

    Die Gewerbesteuer wird beim Selbständigen idR. voll auf die Einkommensteuer angerechnet. Für ihn bleibt es meistens ein Nullsummenspiel mit erhöhtem Aufwand.

    Vgl. § 35 EStG

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Weiß jemand, ob das Notariat-Grundbuchamt Tuttlingen schon in das Zentralgrundbuchamt Sigmaringen eingegliedert wurde?

    Auf der Tuttlinger Homepage sieht es so aus, als wenn sie das Grundbuchamt noch hätten, aus der Sigmaringer Homepage wird man nicht schlau, die Angaben anlässlich der Eröffnung des Zentralgrundbuchamts Sigmaringen sind widersprüchlich und sämtliche Links zur Suche des zuständigen Grundbuchamts funktionieren nicht.

    Ist es zutreffend, dass Grundbuchanträge unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen weiterhin "ganz normal" in Papierform gestellt werden können?

  • Lt. der Grundbuchamtssuche unter "notar.de" ist es eingegliedert seit 1.9.2015. Notare sind verpflichtet, bei zentralen Grundbuchämtern auf elektronischem Wege einzureichen.


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    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • In meinem Notariat sind 2 von insgesamt 3 Notare wegen Krankheit für längere Zeit ausgefallen. Als Ersatz soll jetzt ein Rechtspfleger von einem Amtsgericht mit 0,5 AKA zugewiesen werden, der aber seit seiner Einstellung vor 20 Jahren weder mit Grundbuchsachen noch mit Betreuungs- oder Nachlasssachen je befasst war, geschweige denn die einschlägigen Notariats- bzw. Grundbuchprogramme beherrscht.

    Muss man sich das gefallen lassen ?

  • Hierzu eine Aussage eines ehem. AG-Direktors aus meinem Beritt:

    Bei der zunehmenden Anzahl von Akten und Aufgaben kann nicht mehr jeder alles können. Man muss sich spezialisieren... - holt Luft und dann weiter:
    Wer bei mir nicht alles kann, bekommt in der Beurteilung keine 1.

    Es wird wohl nach wie vor erwartet, dass "man das können muss" und sich dementsprechend schnell einarbeitet. Die zuweisenden Stellen kümmern sich einen feuchten Dreck um das Können der zugewiesenen Person. Die muss selbst sehen, wie sie klar kommt. Ob man sich das gefallen lässt, bleibt einem eher selbst überlassen. Wenn nicht: Aussicht auf Abhilfe/Besserung: 0.

  • In meinem Notariat sind 2 von insgesamt 3 Notare wegen Krankheit für längere Zeit ausgefallen. Als Ersatz soll jetzt ein Rechtspfleger von einem Amtsgericht mit 0,5 AKA zugewiesen werden, der aber seit seiner Einstellung vor 20 Jahren weder mit Grundbuchsachen noch mit Betreuungs- oder Nachlasssachen je befasst war, geschweige denn die einschlägigen Notariats- bzw. Grundbuchprogramme beherrscht.

    Muss man sich das gefallen lassen ?

    Den neuen Rechtspfleger geht es eben jetzt schon so, wie den Kollegen die ab 1.01.2018 am neuen AG im neuen Büro mit neuem EDV-Programm mit neuen (unbekannten) Fällen sitzen. Deshalb ja auch im Januar 2018 Urlaubssperre für alle, die an die AGs gehen.

    Bin mal gespannt, wie sie die Urlaubssperre im November und Dezember 2017 für alle anderen Kollegen durchziehen, insbesondere auch für diejenigen, die zum 1.01.2018 Freiberufler werden. Ich ging bisher davon aus, dass die Kollegen sich im November/Dezember 2017 in ihrem (angesammelten) Resturlaub verabschieden, um sich auf das freiberufliche Notariat (zusammen mit ihren neuen Mitarbeitern) vorzubereiten. Die Urlaubssperre sieht das wohl anders, oder gelten hier dann für alle ausscheidenden Kollegen "besondere Härten"?

  • :daumenrau

    Ob die Kollegen, die Freiberufler werden wolle, 'ihr' Notariat wohl zu Gunsten ihrer Freiberuflichkeit im Stich lassen?

    Ob die gesamte Abwicklung an den zu den Amtsgerichten wechselnden Mitarbeitern hängen bleibt?

  • Wieso wird eigentlich die Richterschaft nicht zur Aushilfe bei den Notariaten einbezogen. Diese könnten z.B. beim Betreuungsgericht die sog. Statusentscheidungen (Anordnung, Verlängerung usw.) übernehmen oder aber auch zu Notarvertretern bestellt werden. Irgendwo steht sogar, dass schon einem Referendar die Aufgaben eines Bezirksnotars übertragen werden können. Genau diese Herrschaften, die dies alles angeleiert haben, wollen die Suppe, die sie eingebrockt haben, nicht auslöffeln.

    Im übrigen heißt Urlaubssperre nicht Krankheitssperre.

  • Wieso wird eigentlich die Richterschaft nicht zur Aushilfe bei den Notariaten einbezogen. ...

    Wäre theoretisch wohl machbar, aber nur mit Zustimmung des jeweiligen Richters (zumindest soweit er/sie bereits Lebenszeit ist), da es eben eine Stelle außerhalb des Gerichts ist, an dem die Lebenszeitstelle ist.

    Und damit stellt sich dann die Frage: Was motiviert die zu einer Zustimmung?


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Wieso wird eigentlich die Richterschaft nicht zur Aushilfe bei den Notariaten einbezogen.

    Wird teilweise gemacht. Ich kenne ein paar Bezirksnotariate, an denen Assessoren eingesetzt sind. Heißt dann "Richter als Notarvertreter". Funktioniert in der Regel aber nur bei Neueinstellung eines Assessors.

  • Wieso wird eigentlich die Richterschaft nicht zur Aushilfe bei den Notariaten einbezogen.

    Wird teilweise gemacht. Ich kenne ein paar Bezirksnotariate, an denen Assessoren eingesetzt sind. Heißt dann "Richter als Notarvertreter". Funktioniert in der Regel aber nur bei Neueinstellung eines Assessors.

    Und diese "Richter als Notarvertreter" sind dann noch ärmer dran als die jungen bzw. älteren Rechtspfleger, denn von Nachlass/Betreuung und Grundbuch-(Verfahrens-) Recht haben diese "Richter als Notarvertreter" so gut wie gar keine Ahnung. Selbst das Beurkunden müssen sie sich noch selbst beibringen. Denn Einlernen (bei der angespannten Personaldecke sowohl im Notar/Notarvertreter- wie auch im Servicebereich) ist nicht immer bzw. fast nie drin.

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