Nachlasspflegschaft?

  • Die -getrennt lebende- Ehefrau legt das privatschriftliche Testament des verst. Erblassers zu ihren Gunsten vor.
    Der Anwalt des Erbl. legt das dort abgegebene privatschriftliche Testament späteren Datums zugunsten der Freundin des Erbl. vor.
    Die Ehefrau gibt hier zu Protokoll, dass sie beabsichtige, das spätere Testament als "sittenwidrig" anzufechten, weil die dort Begünstigte als dienstbare Dame es verstanden habe, ihrem schwerstbehinderten Mann den Kopf zu verdrehen ,in diesem Geschäft bereits dahin bekannt sei und einen größeren Kundenkreis unterhalte.
    Weiter reicht die Frau einen Haufen unbezahlter Rechnungen des Erbl. ein.
    Im Nachlass befindet sich ein Hausgrundstück sowie eine Firma mit mehreren Mitarbeitern.
    Es wird von anderer Seite vorgetragen, dass die Firma in Schieflage gerate, wenn nicht endlich die Rechtsnachfolge geklärt werde. Löhne seien nicht mehr bezahlt worden.
    Von einem anderen Gericht erwarte ich noch die Eröffnungsunterlagen eines Erbvertrages früheren Datums.
    Ich bin nicht sicher, ob die Absichtserklärung der Anfechtung des späteren Testamentes zur Einleitung einer Pflegschaft bereits ausreicht und bin für Unterstützung dankbar.

  • Der Erbe ist auch dann im Sinne des § 1960 BGB unbekannt, wenn es (wie hier) wegen zwei widerstreitenden Testamentserben zu erwarten ist, dass sich die Erteilung eines Erbscheines hinziehen wird.
    Bzw. ist die Erbfolge solange unbekannt, wie sich der Sinn des § 2359 BGB nicht eindeutig auf diesen Fall anwenden läßt (Gericht kann selbst nicht mit Überzeigung sagen, wer Erbe wurde). Oder kannst du gerade sagen, wer letzlich nun wirklich Erbe wird? Das ist wohl erst nach umfangreichen Ermittlungen bzw. einem streitigen Verfahren geklärt.

    Einen klareren Fall als diesen, für eine Nachlasspflegschaft bei widerstreitenden Erbeninteressen, gibt es m.E. kaum. Man könnte einzig evtl. noch das Ergebnis der Erbvertragseröffnung abwarten, weil dieser Vertrag evtl. die späteren Testamente "unbrauchbar" macht und ggf. so die Erbfolge klärt.

    Übrigens: Das Beispiel zeigt wieder einmal, wie wichtig und sinnvoll es ist, dass man als Unternehmer/Selbständiger eine Vorsorgevollmacht (transmortal gültig) erteilt. Jedoch: Die Vollmacht hilft nur den laufenden Betrieb soweit am Laufen zu erhalten. Für das Nachlassgericht ist/wäre die Vollmacht aber kein Grund, von der Nachlasspflegerbestellung abzusehen. Im Gegenteil.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • TL
    Nur interessehalber....
    Wie wird hier jetzt verfahren, wenn die Nachlasspflegschaft angeordnet ist?
    Gesetzliche Erben zu ermitteln geht ja durch Standesamtsurkunden usw....
    Und wie verhält sich der Nachlasspfleger mit den zwei unterschiedlichen Testamenten? Weil sowas hatten wir im Notariat auch schonmal, ich weiß aber nicht mehr genau, welche Sache das war und wie es ausging...
    Ober muss hier das Gericht als "Ausleger der Testamente" hinzugezogen werden?

  • @JensW:

    In diesem Fall hier hat das Gericht eigentlich die Aufgabe "Erbenermittlung" aus dem Wirkungskreis der Pflegschaft herauszunehmen.

    Steht es dennoch in der Bestallung, ermittelt man halt nichts sondern wartet ab, bis der Streit der Erben "irgendwie" beendet ist und mir die Erbfolge durch Erbschein nachgewiesen wird, damit ich nach Pflegschaftsaufhebung nach § 1890 BGB verfahren kann. Es ist nicht meine Aufgabe als Pfleger über die Erbfolge zu entscheiden. Gleichwohl ist der NLP als Beteiligter bei evtl. Erbscheinsverfahren anzuhören und kann seine Meinung darlegen und natürlich auch Rechtsmittel einlegen, wenn z.B. ein ES erteilt werden soll, der seiner eigenen Auslegung des Testaments widerspricht.

    Einen Grund, hier die gesetzlichen Erben zu suchen, sehe ich nicht.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Gleichwohl wird man die gesetzlichen Erbprätendeten im Erbscheinsverfahren natürlich anzuhören haben, und zwar ganz unabhängig davon, wer gewillkürter Erbe wird. Denn weshalb sollte nur die Ehefrau des Erblassers gegen ein den gesamten gesetzlichen Erbenkreis betreffende letztwillige Verfügung vorgehen können?

  • Richtig, aber die "Ermittlung" dieser Beteiligten (= gesetzlichen Erben) ist nicht Aufgabe des Nachlasspflegers sondern des Nachlassgerichts. Ermittelt er diese dennoch, kann man ihm streng genommen diese Tätigkeit nicht vergüten.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Hier würde bei mir noch keine NP angeordnet, denn das Ding lässt sich vermutlich kurzfristig klären: Wenn der Erbvertrag eine bindende Bestimmung zugunsten der Witwe enthält, ist alles klar. Also das "andere" Gericht kontaktieren und so schnell wie irgend möglich den Inhalt erfahren.

  • Siehe #2 zweiter Absatz.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!