1. Ausgangslage
Kind A, geb. 11.03.1999; die Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Vater ist im Januar 2013 verstorben.
Im Juli 2006 hat der Vater V mit den Gesellschaftern XX Inc. (eine in Florida ansässige Gesellschaft) als sog. General Partner und den natürlichen Personen V (= Vater),Kind A, Kind B und Kind C als Limited Partners einen Gesellschaftsvertrag geschlossen. (die Kinder B und C sind Halbgeschwister "meines" Kindes A; sie sind mittlerweile volljährig; ihr Vater war V).
Zur Erbringung der Gesellschaftseinlage gewährte der Vater dem (= "meinem") Minderjährigen ohne Mitwirkung der Mutter ein Darlehen über zirka 1.200.000 USD. Dieses Darlehen ist laut dem Testament (siehe oben erwähnter Sterbefall) vermächtnisweise erlassen worden.
Wegen des Darlehensanspruchs ist der Gesellschaftsanteil an den Vater verpfändet worden. Auch hier hat nur der Vater für das Kind gehandelt.
Von Ergänzungspflegern oder familiengerichtlichen Genehmigungen ist bislang nichts bekannt geworden.
Nunmehr stellt sich die Frage, wieweit die Gesellschaft, die laut den Beteiligten Gewinn erwirtschaftet hat, schuldbefreiend an den Minderjährigen ausschütten kann.
Meine bisherigen Überlegungen:
2. Statuten
Das Recht der Vertretung des Minderjährigen durch seine Eltern folgt dem deutschen Recht, Art. 21 EGBGB. Das Gesellschaftsrecht folgt dem Recht des US-Bundesstaates Florida, in dem die Gesellschaft gegründet wurde (vgl. Art. 25 Abs. 5 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 – BGBl. 1956 II 487, 1956 II 763). Das Recht eines etwa zu bestellenden Ergänzungspflegers und daraus folgender familiengerichtlicher Genehmigungen folgt dem deutschen Recht, Art. 24 EGBGB.
3. Gesellschaftsvertrag
Die seinerzeitige Vertretung des Minderjährigen durch den Vater allein verstieß gegen § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB. Bereits deshalb ist die Erklärung unwirksam. Die Zustimmung der Mutter hätte indes noch keine Wirksamkeit zur Folge gehabt, weil Vater und Mutter nach § 1795 BGB von der Vertretung ausgeschlossen waren. Damals hätte ein Ergänzungspfleger bestellt werden und handeln müssen, wozu zusätzlich eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich war (§ 1812 BGB).
Zum jetzigen Kenntnisstand kommen als Gesellschafter zunächst noch die beiden volljährigen Halbgeschwister und der Minderjährige in Betracht. Unklar ist zunächst, was aufgrund des Todes des Vaters mit dessen Gesellschaftsanteil geschehen ist. Hierzu bitte ich noch vorzutragen.
Wenn tatsächlich derzeit nur diese drei (künftigen!) Gesellschafter in Betracht kommen, könnte die Mutter ihr Kind allein vertreten. Ein Vertretungsausschluss besteht nicht. Ob ein Genehmigungstatbestand nach § 1822 Nr. 3 BGB besteht oder nicht, ist zweifelhaft:
Einerseits besteht die Genehmigungspflicht für handelnde Eltern nach dem Wortlaut des Gesetzes nur, wenn ein Gesellschaftsvertrag zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird (§§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB).
Allerdings ist die Abgrenzung zwischen der genehmigungsfreien rein privaten Vermögensverwaltung einerseits und dem Betrieb eines Erwerbsgeschäfts i. S. d. § 1822 Nr. 3 BGB andererseits fließend. Mit Blick auf die Rechtsprechung, ein Erwerbsgeschäft in diesem Sinne auch bei grundbesitzverwaltenden Familiengesellschaften anzunehmen, empfiehlt sich zur Sicherheit die familiengerichtliche Genehmigung (NWB Nr. 33 vom 13.08.2007; vgl. auch Palandt/Diederichsen § 1822 Rn. 8-10, der nur noch die selbstgenutzte Immobilie unter KG-Verwaltung als sicher genehmigungsfrei ausnimmt).
Da der Gegenstand der Gesellschaft keine Verwaltung des bereits vorhandenen Familienvermögens wie etwa das Familienwohnhaus ist, ist die familiengerichtliche Genehmigung sicherheitshalber dringend zu empfehlen. Ein Verstoß gegen die Genehmigungspflicht führt zur unwirksamen Beteiligung des Minderjährigen (Palandt/Diederichsen § 1822 BGB Rn. 11).
Zur Prüfung der Genehmigungsfähigkeit werden benötigt:
- Nachweis, dass die Einlage erbracht ist;
- Nachweis, dass demzufolge keine Haftung des Minderjährigen über die Einlage hinaus mehr bestehen kann, und zwar auch für künftige Haftungsfälle, da die Gesellschaft nicht besteht; hierzu wäre an ein Gutachten zu denken, mindestens jedoch an eine allgemeine Aussage dahin von jemandem, der sich in diesem Bereich auskennt;
- insbesondere wie es mit einer Nachschusspflicht aussieht, soweit die jetzt geplante Ausschüttung bereits die geleistete Einlage angreift; hierzu bitte ich noch vorzutragen, möglichst mit Nachweisen; zur Nachweismöglichkeit siehe vor.
Bevor dies alles geklärt ist, muss mangels wirksamen Gesellschaftsvertrags tatsächlich damit gerechnet werden, dass eine Ausschüttung rechtsgrundlos erfolgt, soweit sie die Einlage (die momentan, weil rechtsgrundlos geleistet, ohnehin nur ein Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung sein kann) übersteigt.
4. Darlehensvertrag und Verpfändung des Gesellschaftsanteils
Der Darlehensvertrag und die Verpfändung des Gesellschaftsanteils sind nicht wirksam, weil erstens die Mutter nicht mitgehandelt hat und zweitens keine familiengerichtliche Genehmigung vorliegt (§§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB; §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1822 Nr. 8 und 1812 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Verträge sind derzeit somit unwirksam. Es besteht ein Anspruch der Erben auf Rückzahlung des Darlehens, § 812 BGB.
Eine nachträgliche Genehmigung dieser Verträge erscheint obsolet, weil das Vermächtnis, mit dem der Erblasser die Darlehenssummer erlässt, dahin auszulegen ist, dass der Rückzahlungsanspruch nach § 812 BGB, der an die Stelle des Darlehensrückzahlungsspruchs tritt, vermächtnisweise erlassen wird. Der Verpfändung bedarf es somit nicht mehr, sie wäre daher bereits nicht genehmigungsfähig.
5. Verfahren
Das minderjährige Kind ist noch nicht 14 Jahre alt. Es bedarf daher zu seiner Vertretung im Verfahren eines Ergänzungspflegers, soweit das Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung (wie seitens des Amtsgerichts) bejaht wird. Dies folgt aus §§ 41 Abs. 3 i.V.m. 9 Abs. 2 FamFG (KG Rpfleger 2010, 422 und Rpfleger 2010, 662; OLG Oldenburg Rpfleger 2010, 213; OLG Köln FamRZ 2011, 231; OLG Hamm Rpfleger 2011, 87).
Es ist beabsichtigt, als Ergänzungspfleger eine bislang mit dem gesamten Fall noch nicht befasste Person auszuwählen.
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