Terminsgebühr bei Vergleich mit PKH

  • Hallo,

    in einer Arbeitsrechtssache wurde Klage eingereicht; dann haben sich die Parteien vergleichsweise geeinigt. Der Vergleich wurde protokolliert (Beschluss); es wurden nicht rechtshängige Ansprüche mit erledigt. Erst nach Protokollierung des Vergleiches wurde die PKH auch für den Vergleich bewilligt.

    Ich habe abgerechnet. Die Staatskasse will jetzt die TG nicht auf den gesamen Betrag, sondern nur auf den anhängigen Teil zahlen. Habe die Neufassung § 48 Abs. 3 RVG gefunden, wonach die TG auf den vollen Streitwert (also auch nicht anhängigen Teil) bei Familiensachen gezahlt wird (vgl. auch RVG für Anfänger, Enders, 16. Auflage).

    Kann ich das auch analog auf andere Verfahren anwenden? Macht für mich keinen Sinn, dass es eine Erstattung im Familienrecht gibt, in anderen Rechtsgebieten aber nicht.

    Ältere Fundstelle: Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Gerold/Schmidt, 19. Auflage; danach TG nur über anhängigen Teil, aber das ist ja vor dem KostRMoG gewesen.

    Danke vorab.

    Liane

  • Tja, kommt (zumindest bei mir) darauf an, ob ein unbedingter Klageauftrag bestand.

    Der wird bei mir formlos unterstellt, so dass ich auch immer die TG nach dem Mehrwert erstatte, sofern sich die PKH-Bewilligung darauf erstreckt.

  • Bei mir gab es bis zum 31.7.2013 weder eine 0,8-Verfahrensgebühr noch die Berücksichtigung bei der Terminsgebühr für nicht anhängige Verfahrensgegenstände gemäß
    OLG Dresden vom 4.8.2011, GZ: 23 WF 475/11, bestätigt im Beschluss vom 15.12.2011, GZ: 21 WF 1185/11, unter Verweisung auf die gleichgerichteten Rechtsauffassungen des OLG Bamberg, OLG Celle, OLG Düsseldorf, OLG München

    Danach haben meine Richter im Hause sowie weitere im LG-Bezirk sämtliche Erinnerungen der Rechtsanwälte zurückgewiesen. Sie haben es immer wieder neu versucht mit allen möglichen Begründungen, alles wurde aber zurückgewiesen.

    Nach dem neuen Recht ab 1.8.2013 gibt es halt die Änderung in § 48 Abs. 3 ZPO für alle Verfahren, die nach neuem Recht abzurechnen sind. Bei genauem Hinsehen trifft dies aber nur auf Ehesachen zu, d.h., wenn sich die PKH/VKH ohne ausdrückliche Beiordnung kraft Gesetzes auf vergleichsweise geregelte Folgesachen erstreckt. Das Gesetz macht keine Aussage, dass dies auch für alle anderen Sachen gelten soll, d.h., wenn zum Abschluss eines Vergleiches zu einem nicht anhängigen Verfahrensgegenstand die PKH erstreckt wird (ist z.B. schon der Fall, wenn man in einem F-Verfahren zum Sorgerecht sodann eine Einigung zum Umgang erzielt). Man weiß nicht, ob diese Fälle der Gesetzgeber einfach vergessen hat oder ob er es ausschließlich für die genannten Ehesachen beschränkt haben wollte. Einen aktuellen Kommentar in Buchform habe ich nicht zur Verfügung, einzig und allein fand ich unter unserem Beck-Online-Paket einen Online-Kommentar zum ab 1.8.13 geltenden RVG-Recht, und dort ließ der Autor die Frage offen, verwies darauf, dass diese nicht geklärte Lücke wohl wieder genügend Anlass für zahlreiche Entscheidungen bietet. Und so wird es wohl auch kommen, jedenfalls wenn die Bezirksrevisoren fleißig Erinnerungen gegen zu hohe Vergütungsfestsetzungen einlegen und wir dann von vornherein die Gebühren wieder kürzen.
    Ich persönlich handhabe es jetzt erst mal so, für alle nach neuem Recht abzurechnenden Fälle nunmehr Verfahren- und Terminsgebühr festzusetzen, weil ich mir entsprechend der Gesetzesbegründungen schwer vorstellen kann, dass der Gesetzgeber die Vergütung für die gesamte Tätigkeit für die Fällen von Ehesachen beschränken wollte.

  • Der Gesetzgeber hat hier wohl nichts übersehen. § 48 Abs. 3 RVG setzt eine Ehesache i. S. v. § 121 FamFG voraus, also ein Verfahren auf Scheidung, Aufhebung der Ehe usw. Er gilt also nicht bei isolierten Familiensachen (OLG München, JurBüro 99, 589). Denn inhaltlich im Verhältnis zum früheren Recht hat sich insoweit nichts geändert (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 21. Aufl. 2013, § 48 Rn. 16).

    Daher gilt der § 48 Abs. 3 RVG nicht nur für Neufälle, sondern auch schon für Altfälle. Das ergibt sich aus den Motiven zur Änderung des RVG, die ausdrücklich darlegen, daß die Neufassung schon dem geltenden Recht (also dem Recht vor dem 2. KostRModG) entspricht und die Neufassung lediglich eine Klarstellung enthält (Müller-Rabe, aaO., Rn. 143).

    In den Verfahren, die keine Ehesache i. S. v. § 121 FamFG sind, gilt weiterhin die (wohl divergierende?) Rechtsprechung, daß die PKH ausdrücklich auf den Mehrvergleich erstreckt sein muß, damit die 0,8 Differenz-VG, die gesamtstreitwertige 1,2 TG und die ggf. 1,5 EG gegen die Staatskasse festsetzbar sind.

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  • (1)Der Gesetzgeber hat hier wohl nichts übersehen. § 48 Abs. 3 RVG setzt eine Ehesache i. S. v. § 121 FamFG voraus, also ein Verfahren auf Scheidung, Aufhebung der Ehe usw. Er gilt also nicht bei isolierten Familiensachen (OLG München, JurBüro 99, 589). Denn inhaltlich im Verhältnis zum früheren Recht hat sich insoweit nichts geändert (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 21. Aufl. 2013, § 48 Rn. 16).
    (2)Daher gilt der § 48 Abs. 3 RVG nicht nur für Neufälle, sondern auch schon für Altfälle. Das ergibt sich aus den Motiven zur Änderung des RVG, die ausdrücklich darlegen, daß die Neufassung schon dem geltenden Recht (also dem Recht vor dem 2. KostRModG) entspricht und die Neufassung lediglich eine Klarstellung enthält (Müller-Rabe, aaO., Rn. 143).
    (3)In den Verfahren, die keine Ehesache i. S. v. § 121 FamFG sind, gilt weiterhin die (wohl divergierende?) Rechtsprechung, daß die PKH ausdrücklich auf den Mehrvergleich erstreckt sein muß, damit die 0,8 Differenz-VG, die gesamtstreitwertige 1,2 TG und die ggf. 1,5 EG gegen die Staatskasse festsetzbar sind.


    Zu (3): Es ist schon selbstverständlich, dass die PKH-Bewilligung in den Fällen, die keine Ehesache sind, auf die nicht anhängigen Verfahrensgegenstände erstreckt werden muss, sonst gäbe es nämlich aus der Staatskasse insoweit gar nichts, also nicht mal die Einigungsgebühr.
    Zu (2): Es fragt sich, was du damit meinst. Meinst du nur die notwendige weitergehende Beiordnung, so trifft dies natürlich zu. Meinst du hingegen, dass auch eine 0,8-Verfahrensgebühr zu vergüten ist und die nicht anhängigen Gegenstände bei der Terminsgebühr zu berücksichtigen sind (jedenfalls beim Auszahlungsanspruch gegenüber der Staatskasse), so kann man nicht davon ausgehen, dass das bereits geltendes Recht war. Wenn dies bereits geltendes Recht gewesen wäre, hätten die oben von mir genannten OLGs das nicht anders beurteilt, die ja gerade zu dem Ergebnis gekommen sind, für die weiteren Gegenstände hat die Staatskasse nur die 1,5-Einigungsgebühr zu vergüten, und zwar sowohl in den Fällen, dass sich die VKH-Beiordnung in Ehesachen kraft Gesetzes auf einen Vergleich für die Folgesachen erstreckt oder dass in anderen Verfahren hierfür separat bewilligt wird.

    Die Streitfrage betrifft einzig und allein, ob für nicht anhängige Verfahrensgegenstände auch Termins- und Verfahrensgebühr aus der Staatskasse zu vergüten sind. Und dies haben für das alte Recht die o.g. OLGs eben verneint (weil es eben gerade nicht aus dem Gesetz hervorging, wenn ja, wo denn? - der Gesetzgeber kann in seinen Motiven zur Änderung des RVG sonstwas behaupten!), und zwar unabhängig von den beiden möglichen Fällen der gesetzlichen Erstreckung oder der ergänzenden Beiordnung. Nach neuem Recht wurde dies nun geregelt, aber eben auch nur für den Fall der gesetzlichen Erstreckung über § 48 III RVG. Wie es sich mit den anderen Fällen der ergänzenden Beiordnung verhält, ist vom Gesetzgeber nach wie vor nicht geregelt worden.

    Kurz vor Inkrafttreten des neuen Rechts hat im Übrigen auch noch ergänzend das OLG Naumburg (Beschluss vom 10.5.2013, 3 WF 304/12) entschieden, dass sich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bei Abschluss eines Vergleichs mit Mehrwert nicht auf eine Terminsgebühr erstrecken kann. Immerhin hat dieses Gericht aber eine 0,8-Verfahrensgebühr zugebillgt. Das OLG Köln hingegen hast mit Beschluss vom 23.4.2013 (25 WF 235/12) wiederum beides zugebilligt. Ich verweise aber nochmals darauf, dass das OLG Dresden (s.o.) die Terminsgebühr nicht zugebilligt hat sowohl in Verfahren, bei denen sich die Verfahrenskostenhilfe gesetzlich auf den Abschluss eines Vergleiches erstreckt, als auch für die Verfahren, bei denen eine erweiternde richtliche Entscheidung notwendig ist.

  • Ich persönlich will den in der Rspr. u. Lit. bestehenden Streit hier nicht lösen, sondern wollte nur auf aktuelle Literaturmeinung verweisen, weil Du geschrieben hattest, daß Dir aktuelle zum § 48 Abs. 3 RVG bisher nicht vorliegt. Auch die Frage, ob lediglich eine Klarstellung oder eine Gesetzesänderung vorliegt, kann ich Dir nicht beantworten. Du hast für Dich ja bereits eine Lösung gefunden. Bezüglich Deiner Meinung, der Gesetzgeber könne sonstwas behaupten, was er gemeint habe, erinnert mich das wieder an die Schaffung des § 15a RVG, der erst als Änderung des Gesetzesgebers angesehen wurde, bis dann später die Meinung herrschte, es sei lediglich eine Klarstellung der bisherigen (vom Gesetzgeber gewollten) Rechtslage gewesen. Insofern ist in der Zukunft wohl noch genug "Spielplatz" für "schlaue Köpfe" vorhanden.

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    Einmal editiert, zuletzt von Bolleff (4. Februar 2014 um 12:59)

  • Hallo,

    ich steh gerade wieder vor der gleichen Frage wie 2014.

    Die bezeichnete Rechtsprechung habe ich mir angesehen. Gibt es zwischenzeitlich Neuigkeiten?

    Mir würde es allerdings vornehmlich um Rechtsprechung dahingehend gehen, dass die Verfahrens- und Terminsgebühr bewilligt wird....

    Danke

    Liane

  • Vom BGH ist mir noch nichts bekannt und ich vertrete bis dato auch nicht die Auffassung, dass man diese weiteren Gebührenteile mit berücksichtigen müsste. Dazu gibt es jedoch auch Entscheidungen (zu finden u. a. bei beck-online, z. B. OLG Celle, 08.05.2014, 15 UF 166/13).
    Zur gegenteiligen Ansicht und ziemlich aktuell: OLG Dresden, 13.11.2015, 22 WF 926/15. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen, sodass wir ggf. vom BGH auch demnächst etwas erwarten können.

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