Wie viele Betreuer braucht der Mensch?

  • Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Ich war zunächst an einem großen Gericht tätig, bin jetzt jedoch an einem eher kleineren gelandet. Dort handhabt man es seitens der Richterschaft so, weil "man hat es ja schon immer so gemacht", dass sowohl befreite Betreuer, wie z.B. Eltern oder Kinder, als auch nicht befreite Betreuer, wie z.B. Geschwister, zu gemeinsamen Betreuern bestellt werden und als Sahnehäubchen noch allesamt einzelvertretungsberechtigt sind. Um ganz sicher zu gehen, wird gelegentlich noch irgendwo ein Ersatzbetreuer ausgegraben, den man gleich für den Verhinderungsfall der zahlreichen "hauptamtlichen" Betreuer mitbestellt, damit die Akte auch noch für wenigstens eine Verpflichtung an ein anderes Gericht geschickt werden muss. So kommt es nicht selten vor, dass drei bis vier Betreuer zu verpflichten sind. Die Staatskasse freuts außerdem, weil dann die Aufwandspauschale für jeden der einzelvertretungsberechtigten Hauptbetreuer fällig wird. In Konstellationen, wo dann ein befreiter und ein nicht befreiter Betreuer (z.B. Tochter und Schwiegersohn) bestellt sind, wirds abenteuerlich.

    Wenn dann am Ende sogar noch jeder befreite Betreuer für sich eine Schlussrechnung legen muss, ist das Geschrei groß und es heißt "ich hab ja eigentlich nichts für den Betroffenen gemacht".

    Ich versuche nun mit aller Argumentation diese Gewohnheit auszutreiben und dafür zu sorgen, dass - selbst bei Eltern als Betreuer - nur noch je ein Haupt- und ein Verhinderungsbetreuer bestellt wird, es sei denn, es ist tatsächlich ausnahmsweise einmal zur Besorgung der Angelegenheiten dringend notwendig zwei einzelvertretungsberechtigte Betreuer zu bestellen.

    Ich kenne eine solch wahnhafte Betreuerbestellerei nicht von meinem früheren Gericht.

    Was haltet ihr von der hier praktizierten Vorgehensweise?

    Und vor allem: Wie ist es bei euch so? Wie viele Betreuer werden bei euch regelmäßig bestellt und mit welcher Regelung (alleinige oder gemeinsame Vertretung)?

    Beste Grüße

    - Es lebe das Mischdezernat, das sorgt für Abwechslung :D -

  • Hier hat man vor Unzeiten ( auf Wunsch ! ) eines Betreuungsvereins auch zig Ersatzbetreuer bestellt.
    Das wird Gott sei Dank anlässlich der Überprüfungen wieder zurückgefahren.
    Ansonsten halten wir uns schon grs. daran , dass nur ein Betreuer bestellt wird.

    Ausnahme : Eltern von behinderten Volljährigen .

  • Sofern bei uns beide Eltern zu Betreuern bestellt werden, was häufig vorkommt, dürfen diese allein vertreten. Unsere Richter orientieren sich an den Wünschen der Eltern, ob beide bestellt werden möchten oder einer und der andere als Ersatzbetreuer.

    Es kommt auch vor, dass - von Anfang an oder später wegen des Alters der Eltern - ein gesundes Geschwisterkind des Betroffenen als Ersatzbetreuer bestellt wird. Dies erscheint mir allerdings wegen der gemeinsamen Reisen der Eltern sogar sinnvoll.

  • Ansonsten halten wir uns schon grs. daran , dass nur ein Betreuer bestellt wird. Ausnahme : Eltern von behinderten Volljährigen .

    So sollte es auch sein.

    Alles andere bringt auch nur Probleme. Schon bei zwei einzelvertretungsberechtigten Betreuern mit Vermögenssorge bekommt man keine gescheite Rechnungslegung mehr. Und dann noch am besten einer befreit und einer nicht :wasdageg

  • Mehrere Betreuer sind der absolute Ausnahmefall, selbst bei Eltern haben wir das nur in wenigen Fällen für beide (allein vertretungsberechtigt) eingerichtet.
    Im echten Verhinderungsfall läßt sich ja dann immer noch der Verhinderungsbetreuer bestellen. Aber selbst das kommt selten vor.

    Sei nett zu Tieren, du könntest selbst eins sein. (Norbert Blüm)

  • Bei behinderten Kindern haben hier oft - nicht immer - die Eltern die Betreuung inne. Dann auch so, dass jeder für sich einzelvertretungsberechtigt ist.
    Die Konstellation von mehreren (vor allem mehr als zweien :eek: ) nebeneinander wird möglichst vermieden. Schon aus Kostengründen.
    Verhinderungsbetreuer sind hier häufiger. Die werden von vornherein gleich mitbestellt. Ferdsch.

    Zitat von Grisu

    Schon bei zwei einzelvertretungsberechtigten Betreuern mit Vermögenssorge bekommt man keine gescheite Rechnungslegung mehr. Und dann noch am besten einer befreit und einer nicht


    Das musst Du den Richtern aber erstmal beibringen, dass es da auch noch einen Unterschied gibt ...

    Ich mache keine Fehler ... ich erschaffe kleine Katastrophen.

  • .
    Im echten Verhinderungsfall läßt sich ja dann immer noch der Verhinderungsbetreuer bestellen.

    Es sei denn , man machts über § 1846 BGB.
    Bin selbst mehrere Male im Jahr zum Krankenhaus unterwegs wegen irgendwelcher Operationen bei Verhinderung des Betreuers.
    Gott sei Dank ist das Krankenhaus Luftlinie 100 m von mir nur entfernt.

  • Mehrere Betreuer sind der absolute Ausnahmefall, selbst bei Eltern haben wir das nur in wenigen Fällen für beide (allein vertretungsberechtigt) eingerichtet.
    Im echten Verhinderungsfall läßt sich ja dann immer noch der Verhinderungsbetreuer bestellen. Aber selbst das kommt selten vor.

    :daumenrau

    So ist es bei uns auch. Mehr als zwei Betreuer habe ich bisher noch in keiner Akte gesehen. Entweder wie gesagt bei den Eltern oder aber getrennte Aufgabenkreise. Einer für die persönlichen und einer für die vermögensrechtlichen Angelegenheiten.

  • Hab in der Tat in der Vergangenheit den Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des Gebäudes noch nicht benutzt.
    Bin mit meinen Krallen bisher immer durch die Vordertür gelatscht :eek:.
    Oder soll ich besser sagen : Gekratzt :gruebel::D

  • Ich wünsche Dir viel Erfolg und bin sicher, alle anderen auch. :daumenrau:daumenrau:daumenrau
    Vielleicht könntest du ja über das Ergebnis berichten.

  • Also ich habe versucht, das ganze mal an den Richter bzw. die Richterin zu bringen, leider vergebens. Und heute schon wieder drei Töchter als Betreuer bestellt mit Zusatz: "Es besteht jeweils Alleinvertretungsberechtigung". Die Staatskasse wird's freuen, wenn jeder von ihnen auch noch auf den Trichter kommt, 399,- EUR zu verlangen. Ein Hoch auf die sachliche Unabhängigkeit.

    - Es lebe das Mischdezernat, das sorgt für Abwechslung :D -

  • Die Staatskasse wird's freuen, wenn jeder von ihnen auch noch auf den Trichter kommt, 399,- EUR zu verlangen. Ein Hoch auf die sachliche Unabhängigkeit.


    Wenn ich bei der Verpflichtung erfahre, dass wenig Vermögen da ist, würde ich die Betreuer direkt darauf hinweisen, dass jeder von ihnen aus der Staatskasse kassieren kann. Vielleicht fällt irgendwem mal irgendwann der Unsinn auf.
    Und Geschwister sind ja keine befreiten Betreuer. Da muss jeder von ihnen Rechnung legen. Das würde ich auch ganz konsequent verlangen und ihnen das gleich bei der Verpflichtung sagen und auch, dass das bei 3 Betreuern ziemlich kompliziert ist. Sollen sie doch sehen, was das für Stress machen kann. Vielleicht geht auf dem Weg ja was - das die selber sagen, dass sie sich auf nur einen Betreuer einigen. Gegenseitig vertrauen müssen sie sich ja so oder so.

  • Bei mir in Berlin wird regelmässig nur ein Hauptbetreuer bestellt. Im Falle eines behinderten Kindes wird dann das zweite Elternteil als Vertretungsbetreuer bestellt. Gaaaanz selten sehe ich mal bei alten Verfahren beide Elternteile als gemeinsame vertretungsberechtigte Hauptbetreuer.

    Mein Richter hat die Landeskasse immer im Blick. Wenn ein übernommenes Verfahren mit mehreren Hauptbetreuern für die gleichen Aufgabenkreise auftaucht, dann entlässt er auch die "überflüssigen" und bestellt sie lediglich als Verhinderungsbetreuer.

    Hier noch eine Idee (aus meiner letzten Schulung) wegen des unkooperativen Richters: Legt diese Akten doch mal dem Bezirksrevisor vor, wenn aus der Landeskasse gezahlt wird. Die Landeskasse ist ja schließlich von der Entscheidung auch betroffenen und kann beteiligt werden (§ 274 IV Nr. 2 FamFG)

    Ich war gerade auf einer Schulung für die Rechnungslegung. Der dortige Dozent - ein Bezirksrevisor aus Brandenburg - vertritt die Meinung, dass mehrere Betreuer gemeinsam Rechnung legen müssen und beim Zusammenfallen von befreiten und nicht befreitem Betreuer, müssten wir die Befreiuung von der RL-Pflicht aufheben. Vielleicht schreckt die Rechnungslegungspflicht auch den befreiten Betreuer ab, wenn du das im Verpflichtungsgespräch erwähnst?

    Daumendrück und alles Gute für dich. Ich würde mich auch über deinen Richter ärgern!

    Einmal editiert, zuletzt von Praios (9. April 2014 um 11:24) aus folgendem Grund: verschwundene Absätze wieder gesetzt

  • (Nur ganz btw., mit meiner Gehaltsgruppe prüfe ich grstl. nichts vom Ri. oder mache mir da auch nur Gedanken.)

    Unabhängig von einer Beteiligung kann der Bezi. Beschwerde einlegen, § 304 FamFG, vgl. LG Mühlhausen, 1 T 5/11. Die Entscheidung kann nur auf Rechtsfehler und damit sehr eingeschränkt überprüft werden.

    Schaut man sich die Gesetzesbegründung an, habe ich Bedenken gg. eure Verfahrensweise bei Eltern, vgl. BT-Drs. 11/4528, S. 130. "Nach Satz 1 kann das Vormundschaftsgericht mehrere
    Betreuer bestellen, wenn die Angelegenheiten
    des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können.
    Diese Voraussetzungen werden in a ller Regel in
    den folgenden Fallgruppen vorliegen:
    — Die Eltern eines Betroffenen — insbesondere eines
    geistig behinderten Kindes, das volljährig geworden
    ist — sind geeignet und bereit, das Amt des
    Betreuers gemeinsam zu übernehmen; ...

    Sind beide Elternteile geeignet
    und bereit, die Betreuung gemeinsam zu führen,
    und steht dem auch kein anderslautender Vorschlag
    des Betroffenen entgegen, so soll kein
    Elternteil gezwungen werden, zurückzutreten und
    dem anderen Teil die Führung der Be treuung zu
    überlassen. Eine solche Regelung wäre zu starr
    und könnte von dem be treffenden Elternteil als
    diskriminierend empfunden werden. "

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

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