§ 1639 BGB oder § 1638 BGB?

  • Im Testament hat der Erblasser aufgeführt, dass sein Sohn das Haus erhalten soll, sobald er volljährig ist.

    Außerdem heißt es dort weiter "Allerdings mit der Auflage, dass es ihm nicht gestattet ist, seiner Mutter ... ein Wohnrecht einzuräumen bzw. in dem Haus wohnen zu lassen. Der Mutter soll es strengstens untersagt sein, als gesetzliche Vertreterin des Sohnes das Haus bis zu seiner Volljährigkeit zu veräußern."

    Jetzt habe ich einen Erbscheinsantrag vorliegen, in dem die Mutter die Erteilung eines Erbscheins beantragt, welcher ihren Sohn als Alleinerben ausweist. Außerdem wurde der Antrag gestellt, dass die Mutter bis zur Volljährigkeit des Sohnes als seine Vermögensverwalterin eingesetzt wird?! (leider wurde der Antrag von einem Notar beurkundet, der - habe ich mal im Kollegenkreis so mitbekommen - nicht so ganz firm in allen Dingen ist und oft einfach Dinge aufnimmt, die nicht so ganz korrekt sind)

    Zunächst ist die Frage zu klären, ob hier wirklich der Sohn der Alleinerbe (wäre auch gemäß gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe, da die Kindesmutter vom Erblasser geschieden ist) ist (im Erbscheinsantrag ist lediglich aufgeführt worden, dass das Haus das einzige nennenswerte Vermögen ist, ob dem wirklich so ist, kann ich nicht sagen). Müsste ich jetzt überhaupt Ermittlungen einleiten, ob das Haus wirklich das einzige nennenswerte Vermögen ist?

    Außerdem wäre zu prüfen, ob hier ein Fall von § 1639 BGB oder von § 1638 BGB vorliegt. Ich habe bezüglich § 1639 BGB eine Entscheidung vom BayObLG, Rpfleger 1982, 180 gefunden, in der es heißt, dass für den Fall, dass der Erblasser die "Nutznießung" eines allein sorgerberechtigten Elternteils an dem Vermögen, das er dem Kind zugewendet hat, ausschließt, dies noch keinen Ausschluss der elterlichen Sorge für das dem Kind zugewendete Vermögen darstellt, sondern nur eine Beschränkung der Verwaltung nach § 1639 BGB.

    In meinem Fall ist nicht explizit gesagt worden, dass die Nutznießung ausgeschlossen wird, sondern es liegt nur das oben aufgeführte vor.
    Auf Grund der Vorgabe, dass die Mutter das Haus bis zum 18. Geb. des Kindes nicht veräußern darf, bin ich mir nicht so sicher, ob hier ein Fall von § 1638 BGB oder von § 1639 BGB vorliegt. Was meint ihr?

    Im ersten Moment hätte ich zu § 1639 BGB tendiert, bin mir jetzt aber auf Grund des "Veräußerungsverbotes" unsicher.

    § 1639 BGB würde die Vertretungsmacht des Elternteils im Außenverhältnis nicht beschränken und eine unberechtigte Abweichung von einer Anordnung würde somit die Wirksamkeit der elterlichen Rechtshandlung nicht beeinträchtigen. Sie kann allerdings ggü. dem Kind eine Schadensersatzpflicht gem. § 1664 BGB begründen. Eine Abweichung von den Anordnungen ist mit Gen. des FamG möglich. Das FamG kann auch nach § 1666 BGB die notwendigen Maßregeln zur Durchsetzung der Anordnungen treffen.
    Auf Grund der vorstehenden Punkte würde ich im Erbschein nicht dazu aufnehmen, dass der Erblasser bestimmte Anordnung zur Verwaltung getroffen hat oder sehe ich das falsch?

    Ich würde hier den Notar auf obiges Hinweisen und um Korrektur des ES-Antrages bitten.

    Da ich einen solchen Fall allerdings noch nicht hatte, wäre ich auch für hilfreiche Anregungen/Hinweise dankbar.

  • Aus nachlassgerichtlicher Sicht ist bedeutsam

    - wer Erbe ist,
    - ob der Erbe Verfügungsbeschränkungen unterliegt, und
    - ob die Mutter nach § 1638 BGB von der Verwaltung des Nachlasses ausgeschlossen ist, weil sie
    dann auch keinen Erbscheinsantrag für den Sohn stellen könnte.

    Dass der Sohn Alleinerbe ist, steht außer Zweifel, da er auch gesetzlicher Alleinerbe wäre. Es ist keine rechtliche Konstruktion denkbar, wonach andere Personen als Erben oder Miterben in Betracht kommen.

    Der Alleinerbe als solcher soll nach dem Testamentsinhalt keinen Verfügungsbeschränkungen unterliegen. Damit scheidet die Annahme einer - ggf. nur bis zur Volljährigkeit des Erben andauernden - Testamentsvollstreckung von vorneherein aus.

    Ich würde hier nicht von einer Anordnung nach § 1638 BGB ausgehen, weil der Mutter nur eine ganz bestimmte Verfügung über den Nachlassgrundbesitz verwehrt sein soll, ihre Verwaltungsbefugnis im Übrigen aber nicht in Frage gestellt wird. Damit war die Mutter nicht an der Stellung des Erbscheinsantrags für den minderjährigen Erben gehindert.

    Als Verwaltungsanordnung nach § 1639 BGB läuft das Veräußerungsverbot im Ergebnis leer, weil die Veräußerung des Grundbesitzes Minderjähriger ohnehin der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf (§§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nrn. 1, 5 BGB). Im Erbschein haben solche Anordnungen nichts verloren, weil sie die Vertretungsmacht der Eltern nach außen nicht beschränken.

    An einen Verstoß gegen die Anordnung der Nichtgestattung des Bewohnens des Objekts im Hinblick auf die Person der Mutter hat der Erblasser keine Sanktion geknüpft. Auch diese Anordnung läuft somit im Ergebnis leer, ganz abgesehen davon, dass der Minderjährige über diese Gestattung oder Nichtgestattung gar nicht selbst entscheiden kann. Außerdem ist es eine einigermaßen absurde Vorstellung, dass das minderjährige Kind in dem Haus wohnen kann, nicht aber die ihn versorgende Mutter. Die betreffenden Anordnungen sind daher wohl mehr der Fortsetzung eines vormaligen Scheidungskrieges geschuldet als der Sorge um den minderjährigen Erben.

    Im Ergebnis würde ich den beantragten Erbschein daher erteilen. Der weitere Antrag im Hinblick auf die "Vermögensverwaltung" der Mutter ist natürlich Unsinn.

    Alles Weitere hat das Familiengericht aufgrund der von Dir zu veranlassenden Mitteilung im Hinblick auf § 1640 BGB zu entscheiden.

  • Ich würde wohl zu dem gleichen Ergebnis kommen (weil jede Alternative nicht umsetzbar wäre), allerdings mit einer Anmerkung zu


    Als Verwaltungsanordnung nach § 1639 BGB läuft das Veräußerungsverbot im Ergebnis leer, weil die Veräußerung des Grundbesitzes Minderjähriger ohnehin der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf (§§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nrn. 1, 5 BGB).

    Bei einer solchen Genehmigung wird das Familiengericht natürlich nicht den Willen des Erblassers berücksichtigen, sondern ausschließlich rechtliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte im Interesse des Kindes.

    Ich halte durchaus auch den Fall einer Testamentsvollstreckung nach § 2200 BGB (bis zur Volljährigkeit) für überlegenswert, ein stillschweigendes Ersuchen hierfür wäre ja ausreichend, maßgeblich ist halt der Wille des Erblassers.

  • Für eine Testamentsvollstreckung sehe ich keine Anhaltspunkte, weil der Erblasser nicht den Erben, sondern lediglich dessen Mutter beschränken wollte. Wenn man die Mutter - was ich aus den bereits genannten Gründen für zweifelhaft halte - insgesamt als von der Verwaltung des Nachlasses als ausgeschlossen betrachtet (§ 1638 BGB), wäre daher ein Ergänzungspfleger mit entsprechendem Wirkungskreis bis zur Volljährigkeit des Erben zu bestellen. Dies hätte auch den Vorteil, dass der Pfleger im Gegensatz zu einem TV den gesetzlichen Genehmigungsvorbehalten unterliegt.

    Bei einer Veräußerung des Grundbesitzes zur Zeit der Minderjährigkeit des Erben würde das FamG auch den Erblasserwillen ins Kalkül ziehen, weil durch die gebotene Beiziehung der Nachlassakten und des Verfahrens nach § 1640 BGB "nochmals" von diesem Erblasserwillen Kenntnis erlangt. Im Ergebnis würden aber natürlich - ganz zu Recht - die Interessen des Kindes im Vordergrund stehen.

  • Der mj Erbe kann m.E. im Erbscheinsverfahren nicht von seiner Mutter vertreten werden, da ja neutral zu prüfen ist, was der Erblasser meinte. Also brauchts auf jeden Fall einen Ergänzungspfleger für das Erbscheinsverfahren.

    Ich meine, dass der Erblasser auf jeden Fall eine Absicherung bis zur Volljährigkeit wollte - also entweder Ergänzungspflegschaft auf Dauer oder Testamentsvollstreckung. Das kann dann im Rahmen des Erbscheinsverfahrens geklärt werden.

  • Wäre es also in meinem Fall ratsam, wenn ich dem Familiengericht davon in Kenntnis setze, dass die Mutter für ihren Sohn einen ES-Antrag gestellt hat (auf Grund Testament vom...) und dann muss von deren Seite geprüft werden, ob eventuell eine Ergänzungspflegerbestellung erforderlich ist?

    Das Testament hatte ich übrigens, als ich es damals eröffnet habe, bereits dem Familiengericht zur Kenntnisnahme und eventuellen weiteren Veranlassung geschickt.

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