Hausgeldansprüche haben doch dinglichen Charakter

  • Als Praktiker ist man häufig geneigt, eine bislang streitige Rechtsfrage als gelöst anzusehen, wenn der BGH sie in einem bestimmten Sinne entschieden hat; für den Mann/die Frau an der Front ist der Kater dann gekämmt.

    Unser Kollege Wolfgang Schneider, Prof. an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, ist dieser Versuchung nicht erlegen und hat sich durch die Entscheidung des BGH v. 13.9.2013 V ZR 209/12 nicht entmutigen, eben diese Entscheidung geradezu " zu sezieren" und auf ihre Richtigkeit und Übereinstimmung mit den Absichten des Gesetzgebers zu untersuchen.

    In einem 14-seitigen (!) hervorragend strukturierten Aufsatz (ZWE 2014, 61-75) mit einer Formulierungsgabe, die ihrersgleichen sucht, kommt er zu dem Ergebnis, dass Hausgeldansprüche sehr wohl dinglichen Charakter haben und es demzufolge nicht auf eine Identität von persönlich schuldendem Hausgeldschuldner und dinglich haftendem Eigentümer ankommt.

    Eine sehr beeindruckende und lesenwerte Arbeit, die es verdient hätte auch vom V. Zivilsenat wahrgenommen zu werden.

  • Ganz herzlichen Dank für diesen Literaturtipp!

    Gerade wollte ich wehklagen, dass die ZWE in meinem OLG-Bezirk nicht vorgehalten wird. Doch ach, man findet sie bei beck-online.

    Edit: Zu früh gefreut, nicht von meinem Abonnement umfasst.

  • Schneider hat auch schon die Entscheidung in der ZfIR kommentiert. Da ist der Grundton natürlich identisch. ZfIR 2014, Bl. 60 ff

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Aufsatz von

    Böttcher: Schicksal der Auflassungsvormerkung unter dem Wohngeld-Vollstreckungsprivileg (NJW 2014, 3404)

    hinweisen.

    Er bespricht darin BGH, Beschluss vom 9.05.2014, V ZB 123/13 (NJW 2014, 2445).

  • Ich bin jetzt mal ketzerisch:

    Was bringt der beste Aufsatz, wenn der BGH anders entschieden hat? Er kann bei nächster passender Gelegenheit zu einem Umdenken der BGH-Richter führen und dann zur Aufgabe der bisherigen Auffassung. Bis dahin dürfte allerdings praktisch jede anfechtbare Entscheidung, die sich gegen die Rechtsauffassung des BGH stellt, kassiert werden, wenn eine Partei sich die Mühe macht, den Weg der Anfechtung zu gehen - und die Gerichte unterhalb des BGH ihrer gesetzlichen Pflicht zu "passe Dich an oder lasse zu" genügen.

    Das ist der Unterschied zwischen Lehre/Literatur und Rechtsprechung: In der Lehre/Literatur werden darüber Meinungen geäußert, wie das Recht bei richtiger Anwendung auszusehen haben dürfte. Die Rechtsprechung spricht, wie das Recht tatsächlich aussieht.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Den Zusammenhang mit dem von mir genannten Aufsatz verstehe ich jetzt nicht. Böttcher stimmt dem BGH zu, ordnet die Gründe ein und gibt Hinweise für die Kaufvertragsgestaltung.

  • Ich bin jetzt mal ketzerisch: Was bringt der beste Aufsatz, wenn der BGH anders entschieden hat?

    Manchmal doch was!! Aber zunächst: Schneiders Aufsatz ist super - kostet aber für den Autor Kraft und sehr viel Arbeit. Diese wurde letztlich belohnt:

    Mit B.v. 9.5.2014 (V ZR 123/13) kam ein unerwarteter Schwenk in die Richtung, die die h.M. (was das auch immer sein mag) vertritt. Schmidt-Räntsch referierte in Fischen bei DER WEG-Tagung (wie immer brillant!) zu diesem Beschluss und wörtlich, sprach von einem AHA-Erlebnis, das der Senat hatte. Nachzulesen demnächst in der Z4 (vielleicht schon in Heft 23/24 am 1.12. (von RAin Schmolke)).

    Und wer hätte gedacht, dass der VIII. Senat in Sachen §§ 1124, 1125 BGB einlenkt? Die Rechtssprechung für den vorauszahlenden Mieter schien wie fest betoniert, U.v. 20.4.2014 - VIII ZR 103/13.

    Auch in Sachen ZV + Kaution wird ständig nachgebohrt, zuletzt Hartung in der NZI 2014, 739ff.

    Und wie sagte mir einst ein BGH-Richter (jetzt a.D.): Es braucht nur ein mutiges LG. Wenn die
    Sache mit neuen und guten Argumenten in KA vorliegt, kann es durchaus sein, dass anders entschieden wird.

    Also nicht verzagen!!

  • Vielleicht stehe ich gerade auf dem Schlauch, aber in V ZR 123/13 hat der BGH ausdrücklich bestätigt, dass den Hausgeldansprüchen keine dingliche Wirkung zukommt. Dass sie der Auflassungsvormerkung vorgehen, hat er vielmehr mit den unterschiedlichen Rangklassen nach 10 ZVG begründet.

    Und zur Frage der Rechtsprechungsänderung zurück: Natürlich gibt es die, sei es als "Abgrenzungen", "Nicht-Festhaltungen" oder gelegentlich auch mal einer förmlichen Aufgabe. Auch setzen sich über Jahre auch manchmal "neue" dogmatische Ansätze durch.

    ("neu" ist hier in Anführungszeichen, weil so etwas eine wirklich lange Halbwertszeit haben kann: Wenn die ehemaligen Studenten eines überragenden professoralen Dogmatikers die Mehrheit im BGH-Senat übernommen haben)

    Aber wesentlich häufiger ist die "Festhaltung". Die Zahl der wirklich "neuen und guten" Argumente ist m.E. auch nicht so sehr hoch, die allermeisten Probleme sind bei ihrer (Erst-)Entscheidung durch den BGH schon weitgehend wissenschaftlich aufbereitet und notwendigerweise auch in den Instanzgerichten schon mit unterschiedlichen Lösungen vertreten gewesen.

    Ich rede damit nicht einem "Verzagen" das Wort. Aber nicht jede Lösung ist deswegen besser, weil man sie selbst präferiert, obwohl der BGH anderer Meinung ist. Und unter dem Gesichtspunkt der Berechenbarkeit der Rechtsprechung und damit der Rechtssicherheit ist Konstanz in Form der Orientierung am BGH auch dann sinnvoll, wenn man selbst anderer Meinung ist. Zumindest solange, bis man wirklich gute und neue Argumente hat. Und das sollte anhand einer eingehenden Recherche schon überprüft werden, bevor man selbst dieses Etikett daran pappt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasH (22. November 2014 um 15:34) aus folgendem Grund: (Nachtrag wieder gelöscht, muss nochmal durchdacht werden)

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