Enterbung ? Wie weit ist sie auszulegen?

  • Ich bräuchte ein paar Ansichten zur Auslegung von folgendem gemeinschaftlichen handschriftlichen Testament nach Eintritt des 2. Erbfalles:

    "... nach dem Tode des Erstversterbenden soll der Längstlebende unser ganzes Vermögen erben. Geschwister, Neffen, Nichten und deren Abkömmlinge sollen nichts erben.

    Auch nach dem Tode des Längstlebenden sollen die Geschwister, Neffen, Nichten, und deren Abkömmlinge nichts erben.

    Wer nach dem Tode des Längstlebenden unser Vermögen erben soll, bestimmen wir noch gesondert und fügen dies als Ergänzung diesem Testament bei.

    Der Längstlebende kann diese Bestimmung eigenmächtig ändern. ..."

    Eine Ergänzung wurde nie gefertigt. Erben der 1. Ordnung gibt es nicht. Die Erben der 2. Ordnung sind ausgeschlossen. In der 3. Ordnung gibt es potentielle Erben (eine Ahnentafel liegt mir vor); allerdings könnte durch den vorletzten Absatz eine Auslegung auch dergestalt erfolgen, dass auch die weiteren Ordnungen ausgeschlossen sind, mit der Folge Fiskuserbrecht.

    Wie ist Eure Meinung?

  • Das ist natürlich Auslegungsfrage.

    Man kann sich auf den - eher formalen - Standpunkt stellen, dass nur die Angehörigen der zweiten Erbordnung explizit enterbt wurden und man kann demgegenüber genauso vertreten, dass dann, wenn die zweite Erbordnung nichts erben soll, die dritte "erst recht" nichts bekommen soll.

    In verfahrensrechtlicher Hinsicht sind die Erbprätendenten der dritten Erbordnung jedenfalls zu ermitteln, um sie zu der betreffenden Auslegungsfrage anzuhören. Die Feststellung des Fiskuserbrechts oder gar eine Erbscheinserteilung zugunsten des Fiskus ohne Anhörung dieses Personenkreises kommt nicht in Betracht.

  • Dann weiß man wohl schon heute, welche Rechtsauffassung die Angehörigen der dritten Erbordnung zur Auslegung des Testaments vertreten werden.

    Für diese Auslegungsfrage erscheinen noch folgende Erwägungen bedeutsam:

    Die Enterbung der Angehörigen der zweiten Erbordnung beider Ehegatten, von der man nunmehr weiß, dass sie nur für die Verwandten des überlebenden Ehegatten greift, kann auch darin begründet sein, dass sich die Ehegatten mit ihren Brüdern und Schwestern überworfen hatten und dass sie deshalb alle Geschwister - und deren gesamte Stämme - von der Erbfolge ausgeschlossen haben. Diese Intention kann also durch aus auf die "nähere" zweite Erbordnung beschränkt sein und muss daher nicht unbedingt auch für die Verwandten der dritten Erbordnung gelten, zumal das Fiskuserbrecht auch nach der gesetzlichen Intention die ultima ratio darstellt und wohl nicht angenommen werden kann, dass das beiderseitige Vermögen der Ehegatten nach deren Wille "im Zweifel" dem Fiskus zukommen soll. Hierfür spricht auch der - letztlich nicht ausgeübte - Vorbehalt, den Erben noch bestimmen zu wollen. Denn wenn der Fiskus nach dem Willen der Ehegatten nach dem Ableben des überlebenden Eheteils erben soll, hätte es einer solchen Bestimmung nicht bedurft. Im Ergebnis wird es daher wohl näher liegen, den Eintritt der gesetzlichen Erbordnung zugunsten der Angehörigen der dritten Erbordnung zu befürworten.

    Der weitere Verfahrensablauf wird dann folgender sein:

    Die Erbprätendenten der dritten Erbordnung sind vollständig zu ermitteln. Diese werden sodann einen Erbscheinsantrag stellen und sodann fragt sich, ob der Fiskus zu diesem Erbscheinsantrag anzuhören ist.

  • Nun auf die Frage, ob im letzteren Fall der Fiskus anzuhören wäre, wäre ich jetzt sicher nicht gekommen.

    Und hinsichtlich der Feststellung "Denn wenn der Fiskus nach dem Willen der Ehegatten nach dem Ableben des überlebenden Eheteils erben soll, hätte es einer solchen Bestimmung nicht bedurft" muss man wohl anmerken, dass offenbar sich bezüglich der gesetzlichen Erbfolge nicht sehr genau auskennen und deshalb ja auch oft völlig unsinnige Testamente errichtet werden, in denen man beispielsweise seine Kinder zu gleichen Teilen einsetzt, obwohl diese Erbfolge auch ohne ein solches Testament eingetreten wäre. Andere wiederum meinen noch immer (wohl aus DDR-Zeiten heraus in Erinnerung geblieben), dass bei einem kinderlosen Ehepaar automatisch der andere Ehegatte alles erbt, und versäumen deshalb eine Testierung. Angemerkt sei, dass an dieser Stelle auch tatsächlich das ZGB das bessere Ergebnis als das BGB hervorbrachte bzw. nachvollziehbarer war.
    Allerdings wird wohl in der Tat anzuweifeln sein, dass der Erblasser wollte, dass der Fiskus das Vermögen erben soll (ich persönlich kenne keinen, der das so ausdrücklich gewollt hat bzw. will).

  • Cromwell: Die Erbprätendenten der dritten Erbordnung sind vollständig zu ermitteln.

    Dies gilt natürlich auch für die der zweiten Ordnung des Ehemanns, denn nach dem Sachverhalt sind sie die gesetzlichen Erben.

  • Das wird also wieder eine Akte, die vom Arbeitsaufwand weit über das hinausgeht, was uns unser Dienstherr zubilligt. :D

    Oh, von der Sorte habe ich auch genügend. Leider wirkt sich das weder bei der Statistik noch bei den Gebühren groß aus.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!