Erbschaft in WVP

  • Guten Morgen :)

    Folgender Sachverhalt zeichnet sich in einem meiner Verfahren ab und ich bin dankbar für Denkanstöße jeglicher Art :)

    Seit Aufhebung des Verfahrens am 27.01.2010 befindet sich der S (63 Jahre alt - wird im August 64) in der WVP, die sechs Jahre enden am 27.10.2014. In der WVP hat der S geerbt. Einziger Vermögensgegenstand des Nachlasses war ein Kaupfreisanspruch (der Erblasser hat zu Lebzeiten ein Grundstück verkauft für ca. 25.000,00 €, gemäß Kaufvertrag ist der Kaufpreis zu zahlen in monatlichen Raten zu je 350,00 €). Die Ratenzahlungen wären in ungefähr 4 Jahren abgeschlossen. Der Schuldner bezieht Leistungen nach SGB II und die monatliche Kaufpreisrate die der Schuldner in Höhe von 350,00 € erhält wird natürlich (abzgl. des üblichen Pauschalabzuges) voll auf die Sozialleistungen angerechnet (gemäß LSG NRW, Urteil vom 06.08.12, L 19 AS 771/12 auch zulässig (Fall auch im Zusammenhang mit InsO/WVP).

    Der Treuhänder hat in einem Schreiben seine Rechtsauffassung zum Sachverhalt bereits vorsorglich mitgeteilt. Nach seiner Ansicht verletzt der Schuldner seine Obliegenheit gemäß § 295 (1) Nr. 2 InsO nicht schuldhaft (er kann ja tatsächlich die Hälfte des ererbten Vermögens nicht herausgeben). Nach Ablauf der 6 Jahre wäre sodann anzuhören und - soweit keine Versagungsantrag gestellt wird - zu erteilen. Er hat dann allerdings auch noch gefragt - sofern der Rechtspfleger die Auffassung nicht teilt - ob der Schuldner dann Rechtsmittel gegen die nächste Entscheidung des Jobcenters einlegen soll.

    Nach meinem Dafürhalten (erstes Bauchgefühl) würde ich im Oktober anhören und dann - sow. kein Antrag - erteilen. Habe neulich im größeren Kollegenkreis den Fall mal geschildert und da wurde ich auf die Entscheidung des BGH, IX ZB 163/11 (RSB-Verfahren: Zeit Ausseinandersetzung Erbengemeinschaft; Nachweis Bemühungen) aufmerksam gemacht (natürlich war mir die Entscheidung bekannt - jedoch hätte ich sie hier nicht für einschlägig gehalten). Die Kollegen würden mit der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der RSB mindestens warten bis der Schuldner ins reguläre Rentenalter kommt um dann zu prüfen ob er ausreichend Rente Altersrente erhält (ohne das eine Aufstockung durch SGB nötig ist) und dann die Raten einfordern.

    Irgendwie halte ich das hier nicht für gangbar (zumindest nicht in der Art). Allerdings ist die Verpflichtung zur hälftigen Herausgabe nunmal da - immerhin hätte er ja auch - völlig sanktionslos - ausschlagen können.

    Danke bereits vorab für eure Hilfe & alleseits einen guten Start in die Woche.

  • @ rainer19652003: So sehe ich das eigentlich auch - wenn ein Gläubiger anderer Meinung ist soll er die Versagung beantragen. Meine Kollegen haben mich nur ein bisschen verwirrt.

  • Der Schuldner bezieht Leistungen nach SGB II und die monatliche Kaufpreisrate die der Schuldner in Höhe von 350,00 € erhält wird natürlich (abzgl. des üblichen Pauschalabzuges) voll auf die Sozialleistungen angerechnet (gemäß LSG NRW, Urteil vom 06.08.12, L 19 AS 771/12 auch zulässig (Fall auch im Zusammenhang mit InsO/WVP).


    Die Entscheidung des LSG NRW wurde durch das BSG gekippt, BSG, Urteil vom 12. 6. 2013 - B 14 AS 73/12 R.

    Hier wird man noch einmal neu nachdenken müssen...

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • @ La Flor de Cano: Oh, gut zu wissen - danke. Da würde ich den Treuhänder jetzt zumindest im Hinblick auf die Frage ob der Schuldner Rechtsmittel gegen die (nächste) Entscheidung des Jobcenters einlegen soll, auf die Entscheidung des BSG hinweisen. Aber selbst wenn das Jobcenter lediglich 175,00 € als zusätzliches Einkommen anrechnen würde und der Schuldner dann monatlich 175,00 € an den Treuhänder herausgeben würde müsste er dies über einen Zeitraum von knapp 72 Monaten tun um die Hälfte des ererbten Vermögens herauszugeben. Praktisch halte ich das gar nicht für umsetzbar - da wäre nach Ablauf der sechs Jahre ein aktives Gläubigerhandeln gefragt (Versagungsantrag) meiner Meinung nach - sofern jemand der Meinung ist das der Schuldner seiner Obliegenheit nicht nachgekommen ist ... oder bin ich da jetzt auf dem Holzweg :confused:

  • eigentlich muss der Schuldner sofort die Hälfte herausgeben, egal wie er zu Geld kommt

    Er hat geerbt ein Vermögen im Wert von X (das Vermögen besteht halt hier aus einer Forderung und nicht aus Bargeld) und vom Wert des Geerbten muss er 1/2 herausgeben. Wie er das macht ist für die Erfüllung der Obliegenheit egal. Er kann ja auch die Forderung verkaufen oder einen Kredit aufnehmen oder ...

  • ... aber zu prüfen habe ich das ja nicht, Anhörung & Erteilung soweit kein Versagungsantrag. Die Frage wäre ja hier lediglich nach der schuldhaften Obliegenheitsverletzung - die mich jedoch in dem Sinne ja auch nicht zu interssieren hat. Der Kollegenkreis hilt eben die Entscheidung des BGH (IX ZB 163/11) für anwendbar - wo man sich in letzter Konsequenz die Frage stellen müsste ob man die Entscheidung über den RSB-Antrag hinausschieben könnte/müsste (so die Mehrheit der Kollegen) - was ich aber für nicht richtig halte und mithin erteilen würde - soweit niemand die Versagung beantragt.

  • eigentlich muss der Schuldner sofort die Hälfte herausgeben, egal wie er zu Geld kommt

    Er hat geerbt ein Vermögen im Wert von X (das Vermögen besteht halt hier aus einer Forderung und nicht aus Bargeld) und vom Wert des Geerbten muss er 1/2 herausgeben. Wie er das macht ist für die Erfüllung der Obliegenheit egal. Er kann ja auch die Forderung verkaufen oder einen Kredit aufnehmen oder ...

    :wechlach:Ja klar, ´nen Kredit. Kriegt er sofort...., vor allem, wenn er sein Problem im Insolvenzverfahren darstellt. :D

    Die Vorstellungen sind m.E. lebensfremd. Zwischen "eigentlich müsste" und der Umsetzbarkeit liegen leider meistens Welten. Und so einfach ist das für den Schuldner nun mal meistens nicht. Wenn er z.B. 1/8 von einem Haus erbt, hat er ein Problem. Und das kann man ihm kaum vor die Füße werfen. Da muss es auch "menschliche" Lösungen geben. Ich kenne auch keine. NTV gibt´s ja in der WVP nicht mehr.

    Oder man kann nur beten, dass einem NIE sowas passiert. "Dumm gelaufen" kann auch nicht die letzte Antwort sein. "Hättest ja früher erben können" ist auch ganz schlecht.

  • Muss m.E. der Schuldner entscheiden: Wenn er zur Obliegenheitsverpflichtung Raten tatsächlich zahlt > Entscheidung RSBE aufschieben - wie BGH und LFDC.

    Wenn nicht, nach Ablauf der Abtretungsfrist normal anhören.

  • Muss m.E. der Schuldner entscheiden: Wenn er zur Obliegenheitsverpflichtung Raten tatsächlich zahlt > Entscheidung RSBE aufschieben - wie BGH und LFDC.

    Wenn nicht, nach Ablauf der Abtretungsfrist normal anhören.


    genauso würde ich es auch machen und wie schon oben geschrieben, der Sch. muss ja nicht so kleine Raten zahlen - er kann auch eine andere Lösung finden.

    Das hat nichts mit lebensfremd meinerseits zu tun: das ist der Gesetzestext der Obliegenheit: er hat die Hälfte der Erbschaft herauszugeben und zwar zeitnah und nicht die Hälfte dessen war er im Laufe der Jahre als Geldbetrag erhält, wenn er die Erbschaft einzeln veräußert. Ihm ist die Erbschaft jetzt zugeflossen. Dies wird nicht erst in 4 Jahren der Fall sein.

  • Ich weiß, ehrlich gesagt nicht, was ich einem Schuldner raten sollte, der unverschuldet in so eine verzwickte Situation gerät. Was er nicht hat, kann er nicht rausgeben, nicht jetzt und nicht in absehbarer Zeit. Das Haus bleibt nunmal ganz, ein teures Gemälde kann nicht zerrissen werden, die Erbschaft ist nicht in zwei Tagen auseinandergesetzt.... Er kann schlicht nichts herausgeben. Jedenfalls nicht so schnell.

    Auch wenn das Gesetz es so will. "Mach mal hinne!" - geht oft schlicht nicht. :gruebel:

  • ... das ist dann aber wirklich einzig und allein Sache der Gläubiger hier die Obliegenheitsverletzung zu ahnden indem sie einen Versagungsantrag stellen. Die Entscheidung des BGH die ein Zurückstellen der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der RSB für zulässig hält passt hier nicht. Andere Konstellationen sind mir aus der Rechtssprechung auch nicht bekannt. Daher sehe ich es wie rainer19652003 ganz zu Beginn - nach sechs Jahren ist anzuhören und dann zu erteilen soweit kein Antrag gestellt wird.

  • Zum einen ist zu klären, worauf die Gläubiger / der TH einen Anspruch haben könnten - auf die jeweils aktuelle Rate oder auf den gesamten Kaufpreisanspruch?

    --> § 295 spricht von "Vermögen, das er [..] erwirbt". Vallender-Uhlenbruck spricht von "erlangt" und "Verfügung". Römermann-Nerlich/Römermann: "Der Schuldner muss das Erworbene zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herausgeben". Auch hinsichtlich des Normzwecks kann man wohl nicht annehmen, dass der Schuldner gezwungen werden soll herauszugeben, was er nicht hat. Geht ja auch gar nicht. § 295 ist das Druckmittel, dass der Schuldner zur Hälfte herausgibt, was er erhalten hat. Ich meine also, dass der Schuldner nur herauszugeben hat, was er bis Erteilung der RSB erlangt hat. Raten, die erst nach der RSB zu zahlen sind, stehen ihm zu (zumindest wenn diese Zahlungsweise bereits im Kaufvertrag so vereinbart worden ist).

    Der Schuldner kann sich nicht ohne weiteres darauf zurückziehen, dass das Amt ihm die Rate auf seine Leistungen anrechnet.

    --> Hier wird der Schuldner darzulegen haben, weswegen es ihm nicht möglich ist, andere Einkünfte zu erzielen. Außerdem wird er sich gegen das Vorgehen des Leistungsträgers zur Wehr setzen müssen. Wird ihm von den Gerichten die Zulässigkeit der Aufrechnung des Leistungsträgers bestätigt, so hat der Schuldner zwar weiterhin gegen seine Obliegenheiten verstoßen. Er wird sich dann aber damit verteidigen können, dass er in eine Regelungslücke geraten ist, und es daher an seinem Verschulden fehlt.

    Schließlich ist die Frage, wie weit das Insogericht mit der Entscheidung über die RSB zuwarten darf.

    --> IX ZB 163/11 gibt Hinweise und ist insofern grundsätzlich anwendbar, auch wenn der Fall ein ganz anderer war und die Anwendung hier weniger Keule gegen als Schutz für den Schuldner bedeutet. Demnach muss nämlich dem Schuldner nicht nur deswegen die RSB versagt werden, weil über die RSB entschieden werden muss. Kommt der Schuldner seinen Obliegenheiten nach und hindern aber nur die äußeren Umstände, so kann mit der Entscheidung über die RSB abgewartet werden.

    Im Ergebnis meine ich, dass dem Schuldner im vorliegenden Fall sehr deutlich gemacht werden sollte, dass er die Darlegungslast hat (s.o.). Ist er tätig und kommt gegen den Leistungsträger aber nicht an, muss das Insolvenzgericht über die Restschuldbefreiung entscheiden. Die Teile des Kaufpreises, die nach Ablauf der 6 Jahre fällig werden, stehen wie auch immer ihm zu.

  • Alles sehr interessante Erwägungen,

    nur deutlich machen würde ich dem Schuldner hier als IG (und auch als TH) wohl eher nichts, wie auch - angesichts der völlig ungewissen Rechtslage?; hätte zwar eine eigene (aber absolut unmaßgebliche Rechtsauffassung/ -meinung), kann ich aber nicht beurteilen, wie ggf. der BGH hier entscheiden würde im Falle eines Versagungsantrages, bin nur Reppel, kein Hellseher.

    Bei etwaigen "Verhaltensanfragen" seitens des Schuldners, würde ich ihn strikt auf die Möglichkeit der eigenen Einholung fachanwaltlichen Rats, ggf. über Bera verweisen; mag der sich doch haftungsrelevant in die etwaigen Nesseln setzen, sorry.

  • ... das ist dann aber wirklich einzig und allein Sache der Gläubiger hier die Obliegenheitsverletzung zu ahnden indem sie einen Versagungsantrag stellen. Die Entscheidung des BGH die ein Zurückstellen der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der RSB für zulässig hält passt hier nicht. Andere Konstellationen sind mir aus der Rechtssprechung auch nicht bekannt. Daher sehe ich es wie rainer19652003 ganz zu Beginn - nach sechs Jahren ist anzuhören und dann zu erteilen soweit kein Antrag gestellt wird.

    Ich finde doch, dass die hier ggf. passen könnte - nur raten würde ich dem Schuldner allerdings zu nichts.

  • nur deutlich machen würde ich dem Schuldner hier als IG (und auch als TH) wohl eher nichts, wie auch - angesichts der völlig ungewissen Rechtslage?


    Der TH ist ziemlich außen vor, aber das IG nicht (ihr werdet dafür ja auch bezahlt :teufel:).

    Du musst doch als Rpfl zumindest entscheiden und dann auch begründen, ob du pünktlich über die RSB entscheidest oder die Entscheidung aufschiebst.

  • nur deutlich machen würde ich dem Schuldner hier als IG (und auch als TH) wohl eher nichts, wie auch - angesichts der völlig ungewissen Rechtslage?


    Der TH ist ziemlich außen vor, aber das IG nicht (ihr werdet dafür ja auch bezahlt :teufel:).

    Du musst doch als Rpfl zumindest entscheiden und dann auch begründen, ob du pünktlich über die RSB entscheidest oder die Entscheidung aufschiebst.

    Das schon, hab ich aber so in etwa bereits in # 11 gesagt:

    Falls der Schuldner aktiv Raten zahlt oder ins Rechtsmittel beim LSG gegangen ist, würde ich zwanglos aufschieben - nur raten würde ich ihm diesbzgl. halt zu nichts.

    (Beim Rat kann halt nur schreiten der Anwalt zur Tat, boah - war der schlecht.)

  • #11 verstehe ich noch nicht so ganz, weil du schreibst, wenn der Schuldner nicht zahlt, würdest du normal anhören und dann ja RSB erteilen, wenn nicht ein Versagungsantrag vorliegt. Das hieße dann doch aber, dass der Schuldner sich ins Knie schießt, wenn er anfängt, Raten zu zahlen, oder verstehe ich dich falsch?!

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