• Da hast Du sicherlich recht, dass theoretisch alles Mögliche streitig sein kann. Entscheidend für die Frage, ob ein Vergleich vorliegt, ist aber die subjektive Beurteilung durch die Beteiligten.
    Ich will damit aber nur sagen, dass es durchaus denkbar ist, dass keine Genehmigungspflicht nach § 1822 Nr. 12 BGB bestand und man den Münchnern hier nicht von vorneherein rechtliche Fehler vorwerfen kann, ohne den Sachverhalt genau zu kennen. Jahrzehntelange schlichte Untätigkeit wie bei Gurlitt dürfte im Übrigen für einen Fall des § 242 BGB kaum ausreichen


    Bisher soll, wenn ich die Berichterstattung richtig mitverfolgt habe, lediglich bekannt sein, dass die "Kunstszene" gewusst habe, dass Gurlitt die Bilder habe. Ob die betroffenen Erben der Alteigentümer sämtlich der Kunstszene angehören, scheint mir doch eher zweifelhaft. Wenn nur einige davon nicht der Kunstszene angehört haben, kommen bei diesen durchaus andere Faktoren als "jahrelange Untätigkeit" bei der Abwägung nach § 242 BGB in Betracht.

    Ich behaupte damit nicht, dass Verfahrensfehler gemacht werden oder worden sind. Ich wende mich nur dagegen, aufgrund der (m.E. dürftigen - und wegen der verschiedenen Verschwiegenheitspflichten ist das auch gut so) in der Presse veröffentlichten Informationen hier vorschnell unklare Rechtsverhältnisse als mögliche Voraussetzung eines möglichen Vergleichs zu verneinen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Nach neuesten Presseberichten sind in der Wohnung des Erblassers noch weitere Kunstwerke aufgetaucht, die entweder von den kunstverständigen "Beschlagnahmern" übersehen wurden oder die erst nach der erfolgten Beschlagnahme in die Wohnung verbracht wurden. Nach diesen Berichten soll der vom Amtsgericht München bestellte Nachlasspfleger diese nachträglich aufgefundenen Kunstwerke der Taskforce zum Zweck der Provenzienforschung überlassen haben. Dies überrascht insofern, als die nicht beschlagnahmten Kunstwerke von der besagten "Vereinbarung" zweifelsfrei nicht erfasst werden. Ob sich der Nachlasspfleger bei seiner Verfahrensweise des Einverständnisses der bekannten Erbprätendentin versichert hat, ist nicht bekannt. Ebenso wenig ist bekannt, wer zum Nachlasspfleger bestellt wurde. Der vormalige Betreuer kann es aus Rechtsgründen nicht sein.

  • Ergänzend:

    Die Verfahrensweise des Nachlasspflegers - so sie so zutrifft, wie sie berichtet wurde - deutet zudem darauf hin, dass er die besagte "Vereinbarung" für wirksam hält und für die Erben als bindend ansieht. Denn hielte er sie nicht für wirksam und bindend, würde er kaum freiwillig Kunstwerke in die Hände der Taskforce geben, wenn diese die übrigen Kunstwerke für den Fall der Unwirksamkeit der Vereinbarung ohne Rechtsgrundlage besitzt.

    Ich halte die Verfahrensweise des Nachlasspflegers somit grundsätzlich nicht für unbedenklich, es sei denn, die Überlassung der Kunstwerke wäre mit dem Einverständnis der Erbprätendetin und mit der Erklärung verbunden gewesen, dass die Überlassung kein Präjudiz für die Beurteilung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Vereinbarung vom April 2014 darstellt. Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, muss das Nachlassgericht nach meiner Ansicht einschreiten.

  • ... Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, muss das Nachlassgericht nach meiner Ansicht einschreiten.

    Lieber Cromwell, ich glaube bis heute nicht daran, dass in dieser Angelegenheit beim Amtsgericht, sei es Betreuung oder Nachlass, irgend ein freier und vor allem unabhängiger Geist handeln durfte. Ich behaupte sogar, dass die Akten noch nie ein Rechtspfleger je gesehen hat. Die Auswahl des Nachlasspflegers wird sehr wohl genauso gelaufen sein. Ich lass mich gern eines besseren belehren.

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    “Das tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut.” Marc-Uwe Kling, Die Känguru Chroniken
    Wie oft kommt das vor? "Öfter als niemals, seltener als immer." Jack Reacher - Der Bluthund
    "Aufs Beste hoffen, fürs Schlimmste planen" Jack Reacher

  • Liebe ARK, glaubst Du ernsthaft, mittels der Berichte in den Zeitungen den Ablauf dieses Gerichtsverfahrens beurteilen zu können? Was die Presse teilweise für haarsträubende Fehler in Berichte einbaut, wissen wir ja hinlänglich (da erteilt der Richter den Zuschlag im Versteigerungsverfahren, der Notar eröffnet das Testament usw). Selbstverständlich(!) werden sich das dortige Gericht und alle übrigen Beteiligten an ihre Verschwiegenheitspflicht halten. Daher wird Dich hier auch niemand eines besseren belehren können.

    Aufgrund dieser Informationslage über ein Verfahren zu urteilen, das man nur vom Hörensagen kennt, halte ich für gefährlich. So sind schon ganze Verschwörungstheorien entstanden. :(

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • Das Lesen diverse Pressemeldungen der Justiz in dieser Sache lassen den juristisch halbwegs Gebildeten aber auch nicht unbedingt immer ausgestattet mit mehr Vertrauen in den Rechtsstaat als vor der Lektüre zurück.

  • Liebe ARK, glaubst Du ernsthaft, mittels der Berichte in den Zeitungen den Ablauf dieses Gerichtsverfahrens beurteilen zu können?

    Nein, das glaube ich ich nicht. Mein gesunder Menschenverstand und meine Erfahrungen innerhalb und außerhalb der Justizmauern haben bei mir den Glauben, dass ein Zirtonenfalter Zitronen faltet doch schon vor einer sehr, sehr langen Zeit fallen lassen. Es freut mich aber für Dich, das Du den Glauben an die Justiz noch nicht verloren hast. Möge der Fall Gurlit formaljuristisch sauber laufen und bisher gelaufen sein, aber schon allein beim lesen der Beiträge hier, in welchen elementare Fristverletzungen offensichtlich werden, lassen leider einen berechtigten Restzweifel zu. Zumindest ist das ganze Ding mit einer sehr, sehr heißen Nadel gestrickt worden.

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  • [Vermutung]
    Wenn der nach GVP zuständige Rpfl. linientreues CSU-Mitglied ist, wird in jeglicher Hinsicht nichts passieren. Bei einem Mitglied keiner oder einer anderen Partei oder einem Berufsanfänger wird entweder § 8 Abs. 1 RPflG bemüht oder der GVP geändert.
    [/Vermutung]

    Sorry für Polemik, aber bei diesem Komplex hat doch jeder, der sich gegen eine Erforschung der Herkunft der Kunstwerke ausspricht, schlechte Karten. Wobei ich das ausschließlich so meine (bevor mir jetzt noch jemand irgendeinen politischen Stempel aufdrückt :eek:), dass die sachenrechtliche Zuordnung der Arbeiten mittlerweile völlig in den Hintergrund geraten zu sein scheint.

  • Der bisherige Präsident des AG München (Gerhard Zierl), dessen Öffentlichkeitsarbeit im Fall Gurlitt hier bereits kritisch hinterfragt wurde, ist in den Ruhestand getreten. Nachfolger ist der ehemalige Leitende Oberstaatsanwalt der StA Augsburg (Reinhard Nemetz), also eben jener Staatsanwaltschaft, die unter der Leitung von Nemetz im Fall Gurlitt bereits im Rahmen der seinerzeitigen Beschlagnahme der Kunstwerke tätig war - und ihrer "zufälligen" Aufhebung nur einen Tag nach der fraglichen Vereinbarung vom April 2014.

  • Der Fall Gurlitt scheint in eine neue Runde zu gehen, da nunmehr aufgrund des Gutachtens eines Sachverständigen die Testierfähigkeit des Betroffenen angezweifelt zu werden scheint.

    http://www.sueddeutsche.de/kultur/muenchn…rlitt-1.2222776

    Da die fraglichen Testamente des Betroffenen am 09.01.2014 (Erbeinsetzung) und am 21.02.2014 errichtet wurden, wäre die erst am 07.04.2014 vom Betroffenen unterzeichnete "Raubkunst-Vereinbarung" mit dem Freistaat Bayern und der Bundesrepublik Deutschland wohl "erst recht" (hier: mangels Geschäftsfähigkeit des Betroffenen) unwirksam. Damit käme es entscheidend auf die in meiner Abhandlung (Rpfleger 2014, 457) aufgeworfene Frage an, ob die Vereinbarung jedenfalls aufgrund des erfolgten Betreuerhandelns wirksam werden konnte, so dass sich die Problematik - wie von mir erörtert - auf die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit der Vereinbarung und die entsprechende Verfahrensweise des Betreuungsgerichts verlagert.

  • "Er befürchtete ein Komplott, wodurch ihm die vom Vater geerbten Bilder weggenommen werden könnten.".
    Ja dann halte ich das natürlich auch für paranoid.
    Dem Mann Bilder ohne Rechtsgrund weggenommen haben staatliche Stellen ja nie.

  • Dem Mann Bilder ohne Rechtsgrund weggenommen haben staatliche Stellen ja nie.

    Da habe ich aber eine ein kleinwenig anderslautende Auffassung. Ausgangspunkt aller Ermittlungen und Zugriffe waren immer noch die nicht verbotenen 9.000,00€, welche er in der Schweiz mit sich geführt hat! Ab da ging das konstruieren der Rechtsgründe doch los.

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  • Die Sprecherin des Amtsgerichts München meinte nach dem vorstehend verlinkten Bericht, dass "die für das Verfahren gegebenenfalls zuständige Richterin unter Würdigung aller vorliegenden Informationen" im Fall der Stellung eines Erbscheinsantrags über das weitere Vorgehen entscheiden wird.

    Sofern der Erblasser die deutsche (oder auch die deutsche) Staatsangehörigkeit besaß, die Anwendung ausländischen Rechts auch aus sonstigen Gründen nicht in Betracht kommt (hierfür ist nichts ersichtlich) und gegen den gestellten Erbscheinsantrag keine Einwendungen erhoben werden (nach bisheriger Sachlage ist damit nicht zu rechnen), wird sich die Richterin mit dieser Entscheidung schwertun, weil für die Erteilung des betreffenden Erbscheins in Bayern seit dem 01.01.2014 der Rechtspfleger zuständig ist.

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post904805

    Offenbar nimmt man es mit den funktionellen Zuständigkeiten nicht allzu genau.

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