Heute ist in der WELT in einem Artikel von Gabriela Walde Folgendes zu lesen:
Sensationeller Durchbruch im Fall "Schwabinger Kunstfund": Der Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt hat eine "Verfahrensvereinbarung" unterschrieben. Darin verpflichtet er sich, seine Sammlung von Bildern freiwillig von der Taskforce auf Raubkunstverdacht untersuchen zu lassen, um entsprechende Werke an ihre ursprünglichen Besitzer zurückzugeben. Im Gegenzug soll der alte Herr "unbelastete und ihm gehörende Werke" zurückerhalten. Jene also, die eindeutig nicht auf NS-Entzug zurückgehen, – so steht es in der gemeinsamen Erklärung zwischen dem Freistaat Bayern, dem Bund und Gurlitt. Er wird durch seine Anwälte vertreten.
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Eine Wende zeichnete sich bereits ab, als Gurlitt kürzlich überraschend bekannt gab, einen Matisse zurückzugeben. Erstaunlich dennoch, wie schnell beide Seiten zu dieser Einigung gekommen sind.
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Gurlitts Betreuer, derAnwalt Christoph Edel, kommentierte am Montag die Einigung so: Gurlitt "nimmt damit auf vorbildliche Weise moralische Verantwortung wahr und gibt ein gutes Beispiel – jenseits einer aus unserer Sicht eindeutigen rechtlichen Situation."
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Aus betreuungsrechtlicher Sicht sind dazu folgende Überlegungen veranlasst:
Die Ausgangsfrage ist, ob der Betroffene noch geschäftsfähig ist. Ist er es, konnte der die besagte "Vereinbarung" entweder selbst unterschreiben oder er konnte jedenfalls wirksam einen oder mehrere Anwälte mandatieren, die dies - bei ausreichender Reichweite des Mandats - für ihn taten. Ist der Betroffene dagegen nicht (mehr) geschäftsfähig, musste von vorneherein der anwaltliche Betreuer handeln oder er hat jedenfalls mitgehandelt, auch wenn ein wirksames Mandat für einen Drittanwalt bestanden haben sollte, das der Betroffene noch in gesunden Tagen wirksam erteilt hatte. Im letztgenannten Fall kann allerdings durchaus zweifelhaft erscheinen, ob der Abschluss der vorliegenden - und im Zeitpunkt der Mandatserteilung noch gar nicht absehbaren - "Vereinbarung" überhaupt von der Reichweite des Mandats gedeckt ist. Im Ergebnis wird man daher davon ausgehen müssen, dass der bestellte Anwaltsbetreuer beim Abschluss der Vereinbarung gehandelt oder jedenfalls mitgehandelt hat und dass diesem jeweiligen Handeln rechtsgeschäftliche Qualität zukommt. Denn nach dem Inhalt der Vereinbarung kann kein Zweifel daran bestehen, dass ungeachtet der zumindest missverständlichen - wenn nicht irreführenden - Bezeichnung als "Verfahrensvereinbarung" eine materielle Einigung über das künftig einzuschlagende Procedere vorliegt, an welche die Beteiligten fortan gebunden sein sollen.
Hat demnach der Betreuer - für den geschäftsfähigen oder geschäftsunfähigen Betroffenen - gehandelt (oder mitgehandelt), dürfte außer Frage stehen, dass die getroffene "Vereinbarung" wegen ihres von allen Beteiligten hervorgehobenen Vergleichsgehalts nach § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 1822 Nr. 12 BGB der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Fraglich ist allerdings, ob diese Genehmigung zu erteilen wäre.
Für die insoweit zu prüfende Genehmigungsfähigkeit des Rechtsgeschäfts erscheinen folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
a) Es liegt nach der Vorgeschichte im Bereich des Möglichen, dass nunmehr eine Vereinbarung abgeschlossen wurde, die der Betroffene in gesunden Tagen selbst nicht schließen wollte. Damit stellt sich die Frage nach der gebotenen Berücksichtigung des Willens des Betroffenen - oder die Frage nach einem Handeln wider den Willen des Betroffenen - i. S. des § 1901 Abs. 3 S. 1, 2 BGB.
b) Der Bund und der Freistaat Bayern haben am Abschluss der Vereinbarung aus naheliegenden Gründen ein veritables Interesse. Dieses Interessen müssen aus ebenso naheliegenden Gründen nicht mit den Interessen des Betroffenen identisch sein. Damit steht die Frage im Raum, ob die Vereinbarung dem Wohl des Betroffenen entspricht oder ob sie eher seinen Vertragspartnern zum Vorteil gereicht. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Bund und der Freistaat Bayern hier als "normale" Partei tätig geworden sind und sie daher nicht anders zu behandeln sind als jeder andere Vertragspartner des Betroffenen. Die Parteienstellung des Bundes und des Freistaates Bayern ist für die Genehmigungsfähigkeit der Vereinbarung somit völlig ohne Belang. Unerheblich ist des Weiteren, was von der Presse berichtet und gemutmaßt wird. Die betreffende öffentliche Diskussion wird vorwiegend unter Raubkunstaspekten und nicht aus der Sicht und dem für die Genehmigungsfähigkeit alleine maßgeblichen Wohl des Betroffenen geführt.
c) Nach der Vorgeschichte kann es durchaus zweifelhaft erscheinen, ob den Vertragspartnern des Betroffenen die Ansprüche tatsächlich zustehen, wie sie nunmehr durch die vorliegende Vereinbarung begründet werden sollen. Auch die zitierte - und unterstellt zutreffende - Äußerung des anwaltlichen Betreuers des Betroffenen, der die Rechtslage erklärtermaßen für eindeutig hält ("jenseits einer aus unserer Sicht eindeutigen rechtlichen Situation"), deutet darauf hin, dass die besagte Vereinbarung den Betroffenen zu etwas verpflichten soll, wozu er im Rechtssinne nicht verpflichtet wäre.
d) Eine persönliche Anhörung des Betroffenen - und zwar ohne das Beisein des Betreuers - erscheint aus den genannten Gründen zwingend erforderderlich. Im Lichte des Ergebnisses dieser Anhörung wird sodann über die Erteilung oder Verweigerung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung zu entscheiden sein. Im Fall einer Verweigerung der Genehmigung wäre auf Beschwerde des Betreuers sodann das Rechtsmittelgericht mit den vorliegenden Fragen befasst.