Stimmberechtigte bei 100%

  • Nehmen wir an eine AG hat in der Insolvenz mehr Masse als festgestellte Gläubiger. In einem Insolvenzplan sollen diese dann zu 100% bedient werden. Nun gilt aber: Nach § 237 Abs. 2 InsO haben Gläubiger, deren Forderungen durch den Plan nicht beeinträchtigt werden, kein Stimmrecht. Wer kann dann überhaupt über den Plan abstimmen? Oder ist ohne Stimmberechtigte der Plan ohne Abstimmung zu beschließen? Vielen Dank für jegliche Gedanken oder Erfahrungen dazu.

  • Rückfrage:

    Wieso dann ein Insolvenzverfahren, wenn alle Gläubiger befriedigt werden können?

    Wenn ich mir überlege, dass mit dem Eintritt des Insolvenzverfahrens die Bilanzierung nicht nur des Unternehmenswertes entfällt, sondern auch jeder einzelne Vermögensgegenstand nicht mehr nach (höheren) Fortführungswerten, sondern nach (niedrigeren) Zerschlagungswerten zu bilanzieren ist, dann dürften die Voraussetzungen eines Insolvenzverfahrens bei 100% per se nicht gegeben sein. Überschuldung fällt als Eröffnungsgrund dann ja auf jeden Fall weg, denn es sollen ja alle Forderungen zu 100% bedient werden können. Damit bliebe als Eröffnungsgrund nur noch Zahlungsunfähigkeit - und wen das Unternehmen in der Insolvenz nicht nur alle Gläubiger zu 100% bedienen kann, sondern auch noch die Insolvenzverfahren unvermeidlichen - und vorrangigen - Kosten von Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter, dann müsste es eigentlich auch kreditwürdig sein, so dass ich mir ZU kaum vorstellen kann.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Lag die Zahlungsunfähigkeit nur bis zur Insolvenzeröffnung vor - beispielsweise durch Arrest in das Vermögen - und ist dieser mit Insolvenzeröffnung weggefallen, dann liegt nun in der Tat keine Zahlungsunfähigkeit mehr vor und es sind ausreichend Mittel vorhanden. Das ändert aber nichts an der Frage, ob nun die zu 100% bedienbaren Gläubiger stimmberechtigt sind bzw. wer wäre dann in so einem Fall - ohne weitere Beteiligte - in der Lage einen Insolvenzplan auf den Weg zu bringen? Oder was passiert?

  • rein verfahrensrechtliche Pläne sind nunmehr auch nach dem ESUG zulässig. Gelögentlich sind wg. der gesellschaftsrechtlichen Kompensierung der Zwangsauflösung solche Pläne schlechterdings geboten. I.Ü. können sie für die Akteure auch steuerrechtlich interessant sein.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau


  • Wieso dann ein Insolvenzverfahren, wenn alle Gläubiger befriedigt werden können?

    1. Wenn ich mir überlege, dass mit dem Eintritt des Insolvenzverfahrens die Bilanzierung nicht nur des Unternehmenswertes entfällt, sondern auch jeder einzelne Vermögensgegenstand nicht mehr nach (höheren) Fortführungswerten, sondern nach (niedrigeren) Zerschlagungswerten zu bilanzieren ist, dann dürften die Voraussetzungen eines Insolvenzverfahrens bei 100% per se nicht gegeben sein. Überschuldung fällt als

    2. Eröffnungsgrund dann ja auf jeden Fall weg, denn es sollen ja alle Forderungen zu 100% bedient werden können. Damit bliebe als Eröffnungsgrund nur noch Zahlungsunfähigkeit - und wen das Unternehmen in der Insolvenz nicht nur alle Gläubiger zu 100% bedienen kann, sondern auch noch die Insolvenzverfahren unvermeidlichen - und vorrangigen - Kosten von Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter, dann müsste es eigentlich auch kreditwürdig sein, so dass ich mir ZU kaum vorstellen kann.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


    1. Warum ? Sowohl nach Fassung des § 19 II a.F. und n.F. ist auf Fortführungswerte abzuheben, wenn Fortführung wahrscheinlich ist (a.F.) bzw. überwiegend wahrschinlich ist (n.F.).

    2. Vielleicht hatte man zum Zeitpunkt der Antragstellung eine nicht kurzfristig schließbare Liquiditätslücke.


    3. Oder es war eine drohende ZU, die man im Verfahren beseitigen konnte.


    Kredit, wer gibt den einem insolventen Unternehmen Kredite?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich darf nochmal meine Frage aufgreifen. Wenn ein Insolvenzplan bei Gericht eingereicht wird und dieser 100% Befriedigung für die festgestellten Gläubiger vorsieht, aber: Nach § 237 Abs. 2 InsO haben Gläubiger, deren Forderungen durch den Plan nicht beeinträchtigt werden, kein Stimmrecht. Ist dann KEINER stimmberechtigt? Oder habe ich das falsch verstanden? Und was passiert ohne Stimmberechtigte mit dem Insolvenzplan? Kann er dann direkt ohne Gläubigerversammlung beschlossen werden?

  • Auch bei einer 100% Befriedigung kann eine Benachteiligung stattfinden, dann, wenn nachrangige Forderungen erlassen werden oder aber die Auszahlung der Quote nicht bereits vor oder spätestens kurz nach Aufhebung des Planes durchgeführt wird. Darunter fällt die Stundung bzw. einen Eingriff in den rechtlichen Bestand der Forderung.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Zitat

    La Flor de Cano: Auch bei einer 100% Befriedigung kann eine Benachteiligung stattfinden, dann, wenn nachrangige Forderungen erlassen werden

    damit wären aber nicht die Gläubiger stimmberechtigt, die zu 100% befriedigt werden, oder?

    Zitat

    La Flor de Cano: ...die Auszahlung der Quote nicht bereits vor oder spätestens kurz nach Aufhebung des Planes durchgeführt wird. Darunter fällt die Stundung bzw. einen Eingriff in den rechtlichen Bestand der Forderung.

    sofern die Gläubiger mit 100% Befriedigung im Plan mit der sofortigen Auszahlung rechnen können, sind sie dann nicht stimmberechtigt, oder?

    Wenn es keine anderen festgestellten Gläubiger gibt, können nur noch Aktionäre stimmberechtigt sein, oder?

  • In welcher Rolle sollen hier Aktionäre eine Rolle spielen ? Die müssten zusätzlich wohl dann Darlehensgeber sein, iSd § 39 InsO. Zahlungen nach § 199 InsO dürften hier keine Rolle spielen und machen, wegen des Planes auch nicht so recht Sinn. Auch dann nicht wenn es sich um einen Liquidierungsplan handeln sollte.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Nach MüKo und Uhlenbruck wären in der Tat die Gläubiger, die ohne Stundung zu 100 % befriedigt werden und deren Forderungen im gestaltenden Teil des Plans auch nicht anderweitig nachteilig berührt werden, nicht stimmberechtigt.
    Aber wie das Prozedere ohne stimmberechtigte Gläubiger nun genau läuft :gruebel:?
    Aus der Hüfte heraus: Bis zum Erörterungs- und Abstimmungstermin wie sonst auch, im Termin Erörterung des Plans mit anschließender (Stimmrechts)Feststellung, dass keine Stimmrechte bestehen. Abstimmung entfällt somit. Die Mehrheiten nach § 244 InsO sind mangels Abstimmung natürlich (formal) nicht erreicht. Dann wäre noch § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO auszuhebeln, weil - siehe vorstehend - auch keine Gruppenmehrheit vorliegt. Mit einer entsprechenden Begründung kriegt man aber auch das hin, anschließend gerichtliche Bestätigung und: Voilà.

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Vielen Dank! Das würde also dann eher ein Durchwinken werden...

    Naja, ich wäre da noch etwas vorsichtig und würde die Fragestellung insbesondere wegen § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorher mit dem zuständigen Insolvenzgericht erörtern. Ich vermute, dass man zu dieser konkreten Konstellation nichts findet, und wenn das zuständige Gericht das anders sieht, kann es ein langer Weg werden.

    By the way: Wäre auch der Weg über § 212 InsO denkbar?

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Lt. Kommenierung liegt eine Beeinträchtigung nicht (schon) in der Zeitdauer des Planverfahrens.

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Queen: im Plan geregelt sofort laut Planfeststellung, demnach keine Benachteiligung. Wie auch Bela
    Bela: Ja, aber Plan wird bevorzugt, da damit bestrittene nicht zum Risiko werden können. Richtig?

  • Ja, aber Plan wird bevorzugt, da damit bestrittene nicht zum Risiko werden können. Richtig?

    Das kann man so pauschal nicht beantworten, weil man da sicher auch die ganzen steuerlichen, wirtschaftlichen, arbeits-, sozial- und was-weiß-ich-rechtlichen Nebenkriegsschauplätze abgrasen müsste, welche Konsequenzen sich aus den jeweiligen Beendigungsvarianten ergeben.

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • och, bestrittene werden immer zum Risiko. Ja mal ehrlich, ich "liebe" ja schon postings die damit anfangen " nehmen wir an" ...
    Jetzt mal unter uns Pastorentöchter: es geht darum, irgendwelche Gläubiger rauszukicken !

    Sei froh, wenn der Plan nicht bei mir eingereicht wird :D
    Stimmrecht sehe ich - kommentarmeinungen hin oder her (opinions halt) - als unproblematisch an.

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    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
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