Beurlaubung nach § 72 LBG Baden-Württemberg

  • Nach § 72 LBG Baden-Württemberg ist einem Beamten u.a. Urlaub ohne Dienstbezüge zu gewähren, wenn er ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreut und dienstliche Belange nicht entgegenstehen.

    Grundsätzlich hat jeder Beamte mit einem Kind unter 18 Jahren demnach einen Rechtsanpruch auf diese Beurlaubung. Ich habe aber leider überhaupt keine Erfahrungswerte, wann eine Beurlaubung aus "dienstlichen Belangen" abgelehnt werden kann.

    Aktuelles Beispiel: Ein ganztags beschäftigter Beamter und dessen zu 60 % als Beamtin beschäftigte Ehefrau möchten sich beide aufgrund der Betreuung von Kindern unter 18 Jahren nach § 72 LBG beurlauben lassen.

    1) Ist die Beurlaubung beider Beamten grundsätzlich möglich?

    2) Welche dienstlichen Belange könnten der Beurlaubung entgegenstehen? Wäre z.B. ein aktueller landesweiter Pesonalengpass ein solcher Grund?


    Danke für alle Antworten!

  • Du hast in § 72 Abs. 1 LBG BW ein wichtiges Detail unterschlagen. Es dürfen keine zwingenden dienstlichen Belange entgegenstehen. Das geht über die dienstlichen Belange weit hinaus und bedarf schon einer Begründung im Einzelfall.

  • Muss nicht auch vorgetragen werden, wovon der Lebensunterhalt bestritten werden soll? Schließlich hat der Arbeitgeber eine Alimentierungspflicht.

  • Such mal im Intranet bei juris Landesrecht nach Entscheidungen, die noch zur alten Norm § 153b LBG ergangen sind (Häkchen bei aktuell raus nehmen).
    Da gibt es ein paar Entscheidungen.
    Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 4. Senat, 20. März 2007, Az: 4 S 1699/05
    Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 4. Senat, 20. Januar 2006, Az: 4 S 2342/05
    VG Stuttgart 17. Kammer, 13. Juli 2005, Az: 17 K 5039/04
    VG Stuttgart 17. Kammer, 13. Juli 2005, Az: 17 K 5038/04
    VG Stuttgart 17. Kammer, 15. Mai 2002, Az: 17 K 1698/01 (Links funktionieren nur im BW-Intranet)
    Ich denke, dass der Personalengpass im Rpfl-Bereich u.U. ein zwingender Grund sein kann.

    Wollen sich beide wirklich komplett beurlauben lassen?

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Also wenn sie sich das leisten können, warum denn nicht?

    Warum soll denn ein Grund für eine Ablehung gefunden werden?

  • Also wenn sie sich das leisten können, warum denn nicht?

    Warum soll denn ein Grund für eine Ablehung gefunden werden?

    Zum Beispiel weil dann womöglich viel zu wenig Personal an einer Behörde übrig bleibt und man den Laden dann zu machen könnte bis Ersatz kommt.

    Und ist das hier der Fall?
    Das ist doch grade meine Frage, dass es auf Personalmangel hinausläuft war mir schon klar.

    Hat man einfach ein Problem damit, dass Beamte diesen Sonderurlaub einfordern und man befürchtet das könnte Schule machen, oder sitzt man an einem 10-Menschen-Gericht, wo bereits einer krank ist eine weitere in bälde Mutter wird und man genau weiß für die 1,6 die noch gehen wollen kriegt man die nächsten 14 Monate keine Vertretung.

    (Und wenn man wirklich mal zusperren muss was wäre daran soo schlimm ;))

  • ...oder sitzt man an einem 10-Menschen-Gericht, wo bereits einer krank ist eine weitere in bälde Mutter wird und man genau weiß für die 1,6 die noch gehen wollen kriegt man die nächsten 14 Monate keine Vertretung

    Genau an so einen Fall habe ich gedacht :D

    Ansonsten wüsste ich auch nicht, warum man das den beiden nicht bewilligen sollte.

  • nun, ob das dann "zwingende dienstliche Belange" sind wird wird sich im Zweifel erst rausstellen wenn jemand klagt, vorstellbar wäre es aber schon.
    (Wahrscheinlich sind es aber brave Beamte, die anderen Lösungsvorschlägen offen ggü. stehen.)

  • Grundsätzlich ist der Urlaub zu genehmigen.

    Zwingende dienstliche Gründe zu finden dürfte i.d.R. schwer sein. Da hängt die Latte ganz schön hoch. Man kann es nicht einfach mit der Besetzung in der Behörde oder mit haushaltsrechtlichen Vorgaben abschmettern. Landesweiter Personalengpass dürfte auch kein Hinderungsgrund sein.

    Hier ist eine Entscheidung des BVerwG 2 C 23.05, in der etwas zu möglichen Versagungsgründen ausgeführt wird. Also eine recht hohe Hürde.

    Gruß Grottenolm

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • Vorliegend besteht finanzielle Unabhängigkeit aufgrund Einnahmen aus privatem Vermögen.

    Als "Zubrot" möchte der Ehemann in der Zeit der Beurlaubung eine Nebentätigkeit ausüben, die zunächst aufgrund der Art nicht versagungsfähig ist. Der Umfang soll im zulässigen Rahmen (6-8 Stunden wöchentlich) liegen.

    Eure Beiträge haben meine grundsätlichen Überlegungen, dass die Beurlaubung zu genehmigen ist, bisher bestätigt.

    Ändert sich etwas, wenn zusätzlich zum Urlaubsantrag nach § 72 LBG ein Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit (auf 5 Jahre) gestellt wird? Muss die Nebentätigkeit genehmigt und der Urlaub (ebenfalls 5 Jahre) bewilligt werden?

  • Warum sollte sich was ändern?

    Hier vorliegend 3 Anträge, 2 mal Urlaub und einmal Nebentätigkeit.

    Die Anträge würde ich unabhängig voneinander abarbeiten, jeden für sich genommen, dann ergibt sich das Gesamtergebnis eh von selbst.

    Je nachdem wie das Nebentätigkeitsrecht ausgestaltet ist, gibt es evtl. Sonderregelungen für den maximalen Zuverdienst bei "Urlaub ohne Bezüge".

  • Ich teile das offenbar mulmige Gefühl von greg: Hier zieht sich einer für Jahre aus dem aktiven Dienst zurück und geniest weiterhin die Vorzüge eines Beamten (z.B. Versorgungsanwartschaft, gesicherter Arbeitsplatz nach Urlaubsende bis zur Pensionierung). Aber der unbezahlte Familienurlaub ist politischer Wille und berücksichtigt dies hinreichend. Um das ganze verhindern zu können, müsstest Du einen Missbrauch dieses familienfördernden Instrumentes geltend machen - das wird schwer. Dass das gleich zwei Deiner Beamten betrifft, spielt dabei übrigens keine Rolle.

  • Würde sich etwas ändern, wenn die Beurlaubten ihren Urlaub im Ausland verbringen möchten?


    Als Entwicklungshelfer in Uganda oder Sonnenanbeter auf Bora Bora? Meines Erachtens spielt das bei der Entscheidung keine Rolle, es verstärkt allenfalls das mulmige Gefühl.

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