Beratungshilfe für verhängte Sanktionen beim ALG II Bezug?

  • Hallo,
    was verlangt Ihr (verlangt Ihr überhaupt etwas) vom Antragsteller in Fällen einer verhängten Sanktion beim ALG II Bezug?
    Folgender Fall kommt hier mittlerweile dauernd (mehr als zweimal pro Woche von verschiedenen und nicht zusammen gehörenden Antragstellern) vor (scheint sich herumzusprechen):
    Antragsteller bekommt einen 10%igen Abzug von SGB II Leistungen. Zumeist ist Grund ein Nichterscheinen zu anberaumten Terminen beim Fallmanager. Auf die Anhörung nach § 24 wird nicht reagiert. Es kommt zu der angedrohten Festsetzung der Sanktion und der Antragsteller steht hier bei mir sodann auf der Matte und wünscht eine anwaltliche Beratung. Bekommt er bei Euch dafür Beratungshilfe?

  • Wieso sollte er nicht bekommen? = Ja, er kriegt 'nen Schein.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Ich erteile in solchen Fällen auch "nen Schein". Nachweisen lassen kann man sich nichts. Was auch? Nun, wo das Kind im Brunnen liegt.

    Richtig finde ich es nicht. Denn der Antragsteller ist erst durch seine Untätigkeit (Stichwort Eigenbemühungen!) in die Lage gekommen, überhaupt ein rechtliches Problem zu haben.

  • Wenn die Stellungnahme tatsächlich bewusst unterlassen worden ist um die Voraussetzungen für den Berechtigungsschein zu schaffen oder der Fall so liegt, dass durch eine Aufklärung des Sachverhalts die Sanktion möglicherweise hätte vermieden werden können (oder der Bescheid aufgehoben wird), würde ich mir darüber Gedanken machen ob die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig erscheint. Ich finde es eben auch nicht richtig, machen kann man dagegen schon was.

    Ich würde auf jeden Fall nachfragen warum keine Stellungnahme abgegeben wurde und warum der Antragsteller die Sanktion für falsch hält.

  • Lieber Ruki, da musst Du wohl nochmal das Merkmal der Mutwilligkeit mit dem § 1 Absatz 3 BerHG zusammen prüfen. Das wird wohl nix.

    Es mag ärgerlich sein, aber die BerH interessiert sich wenig, WIE jemand zu einem rechtlichen Problem gelangte. Hat er es und stimmt der Rest, geht der Schein über den Tisch.

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  • Dass der Fall öfters vorkommt, mag daran liegen, dass vermehrt Leistungsempfänger nicht zu ihren Terminen erscheinen oder das die Behörde vermehrt Sanktionen verhängt. Anspruch auf Berhi besteht auf jeden Fall. Falls derselbe Ast. aber ein weiteres Mal mit demselben Problem erscheint, also wieder Sanktion wegen Nichterscheinen zum Termin, würde ich den erneuen Antrag mit Verweis den Parallelfall zurückweisen.

  • Nen Schein bekommen die Antragsteller dafür von mir auch. Ich lass mir die Entscheidung, also den Bescheid mit der Sanktion, vorlegen, damit ich auch sicher sein kann, dass das ganze auch nicht mehr im Anhörungsverfahren ist. Da könnten sich die Antragsteller nämlich meiner Meinung nach noch selber helfen.

  • Vielen Dank für Eure Meinungen! Ja, bei mir bekommen die natürlich auch den begehrten Schein. Gleichwohl habe ich aber das Gefühl, dass das meine Beratungshilfezahlen in die Höhe schnellen läßt. Den Hinweis mit dem Parallelfall finde ich gut. Das werde ich mal weiter verfolgen. Leider sind es, wie schon geschrieben, immer unterschiedliche Antragsteller und man kann das nicht auf einen oder immer gleiche beschränken.
    Ich dachte schon, dass ich da irgendwas übersehen habe und diese doch hier ausufernden Scheinerteilungen irgendwie eindämmen könnte. Scheinbar geht hier dann doch wohl nichts.

  • Es kommt immer drauf an.

    Ich lass mir grundsätzlich den entsprechenden Bescheid vorlegen und sehe dort den Grund für die Sanktionierung.
    Wurde dort eine Kürzung ausgesprochen, weil Unterlagen nicht eingereicht wurden, frage ich selbstverständlich nach. Wird mir glaubhaft vorgetragen (im besten Falle sogar durch Kopien und einen Rückschein belegt), dass diese Unterlagen aber rechtzeitig eingereicht wurden, wird der Schein erteilt.

    Bei den oben genannten Fällen jedoch nicht. Die Inanspruchnahme der Beratungshilfe für selbstverschuldete und gut vermeidbare Rechtsnachteile erscheint in meinen Augen mutwillig.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Es kommt immer drauf an.

    Ich lass mir grundsätzlich den entsprechenden Bescheid vorlegen und sehe dort den Grund für die Sanktionierung.
    Wurde dort eine Kürzung ausgesprochen, weil Unterlagen nicht eingereicht wurden, frage ich selbstverständlich nach. Wird mir glaubhaft vorgetragen (im besten Falle sogar durch Kopien und einen Rückschein belegt), dass diese Unterlagen aber rechtzeitig eingereicht wurden, wird der Schein erteilt.

    Bei den oben genannten Fällen jedoch nicht. Die Inanspruchnahme der Beratungshilfe für selbstverschuldete und gut vermeidbare Rechtsnachteile erscheint in meinen Augen mutwillig.


    Das sehe ich ganz genauso.

  • Es kommt immer drauf an.

    Ich lass mir grundsätzlich den entsprechenden Bescheid vorlegen und sehe dort den Grund für die Sanktionierung.
    Wurde dort eine Kürzung ausgesprochen, weil Unterlagen nicht eingereicht wurden, frage ich selbstverständlich nach. Wird mir glaubhaft vorgetragen (im besten Falle sogar durch Kopien und einen Rückschein belegt), dass diese Unterlagen aber rechtzeitig eingereicht wurden, wird der Schein erteilt.

    Bei den oben genannten Fällen jedoch nicht. Die Inanspruchnahme der Beratungshilfe für selbstverschuldete und gut vermeidbare Rechtsnachteile erscheint in meinen Augen mutwillig.


    dann kann man nur hoffen, dass Du bei Deiner Verschuldensprüfung die gesamte Rspr zum SozialR aufm Schirm hast. In aller Regel scheitern die verhängten ja nicht an den Tatsachen (Meldeversäumnis), sondern an den formalen Vss für die Behörde; bspw. Androhung von Leistungskürzung, Bestimmtheitsgebot und ähnlichem mehr (Leistungskürzung ohne gleichzeitiges Angebot von Lebensmittel-Zahlkarten ist per se rechtswidrig)...will sagen: Du bewegst Dich mit Deiner inhaltlichen Überprüfung auf gaaanz dünnen Eis.

  • Bei mir gäbe es schon keinen Schein, weil die unabhängige, kostenlose Arbeitslosenberatung eine andere Art der Hilfe im Sinne des BerHG ist. Und damit ist NICHT die Beratung durch die Behörde gemeint, die den beschwerenden Bescheid erlassen hat, sondern eine von mehreren exteren Stellen die es hier im Bezirk gibt.

    Und den Satz "Ich konnte zum Termin nicht kommen, denn ich hatte starken Brechdurchfall und in den Minuten in denen ich nicht auf den Klo saß, kniete ich davor" können Rechtsuchende selbst als Rechtsmittel gegen den Sanktionsbescheid formulieren und schriftlichen einreichen oder zu Protokoll erklären.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Wir sind uns wohl einig dass in vielen Fällen die Bewilligung wehtut, gleichwohl aber eine Ablehnung nur in den seltensten Fällen rechtsmittelresistent begründet werden kann.

    Vielleicht mag es zweckmäßig sein, es wieder häufiger auf eine richterliche Aufhebung ankommen zu lassen. :)
    Dann hätte man es jedenfalls versucht und wäre mit sich mehr im Reinen - geht mir jedenfalls so.

  • Mir täte die Bewilligung im vorliegenden Fall insoweit weh, als dass sie für unseren Bezirk schlicht nicht haltbar wäre (wäre halt nur keiner da, der sich im Fall einer Bewillugung beschweren könnte und würde mangeld Beschwerderecht der Staatskasse). In anderen Bezirken mag die Bewilligung wiederum das einzige richtige sein (z. B. weil dort keiner andere Hilfemöglichkeit vorhanden oder die Rechtsprechung eine andere ist).

    Ich behaupte von mir, dass ich in BerH-Sachen fast immer auf ein Rechtsmittel habe ankommen lassen.

    Und entweder sowohl verschiedenste Richter als auch ich verstehen das Gesetz nicht, oder ich kann mit meiner rechtlichen Wertung nicht ganz daneben liegen, da ich in den letzten 10 Jahren ca. 100 Richterentscheidungen bzgl. meiner Beschlüsse gesehen habe, aber nur ca. 5x aufgehoben wurde. Da wie gesagt viele unterschiedliche Richter (an verschiedenen Gerichten) entschieden haben, sei auch den Verschwörungstheoretikern ("Richter und Rpfl. stecken doch eh unter einer Decke" "der Richter macht seinen Job nicht richtig") der Wind aus den Segeln genommen.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (18. April 2014 um 14:17)

  • Antragsteller bekommt einen 10%igen Abzug von SGB II Leistungen. Zumeist ist Grund ein Nichterscheinen zu anberaumten Terminen beim Fallmanager. Auf die Anhörung nach § 24 wird nicht reagiert. Es kommt zu der angedrohten Festsetzung der Sanktion und der Antragsteller steht hier bei mir sodann auf der Matte und wünscht eine anwaltliche Beratung. Bekommt er bei Euch dafür Beratungshilfe?

    Auch bei mir gäbe es für derlei Fälle keine BerH.

    Mutwilig, da

    1. der verständige Selbstzahler wohl bereits im Anhörungsstadium die Gründe seines Nichterscheinens mitgeteilt hätte

    2. der Widerspruch gegen einen Sanktionsbescheid selbst formuliert werden kann (reiner Tatsachenvortrag, siehe Ernst P.).

    MÖGLICHERWEISE (je nach Einzelfall) aber später BerH zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage vor dem Sozialgericht (wenn Widerspruchsbescheid negativ ausfällt).

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • "Die Inanspruchnahme der Beratungshilfe für selbstverschuldete und gut vermeidbare Rechtsnachteile erscheint in meinen Augen mutwillig."

    Warum kann man für eine vorsätzliche Straftat/Ordnungswidrigkeit Beratungshilfe bewilligen?

  • Irgendwie war klar, dass diese Frage kommen würde ;)

    Bei einer Straftat ist der Vorwurf derselben gegeben. Wäre sie nachgewiesen, läge bereits eine rechtskräftige Verurteilung vor => keine BerH. Es ist jedoch fraglich, ob die Tat durch diese Person begangen wurde und diese Tat strafrechtliche Relevanz hat.
    Da eine rechtskräftige Verurteilung (insbesondere bei einer Haftstrafe) sehr weitreichende Folgen hat und die Aufklärungsarbeit der Ermittlungsbehörden erfahrungsgemäß nicht der sachdienlichen Verteidigung des Beschuldigten dient, ist es jedem Bürger zu raten, sich in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen ihre Person anwaltlich beraten zu lassen.

    Es kommt hier nicht bloß auf die Frage der Handlung an sich an, sondern auch darum, ob und inwieweit der Beschuldigte bereits im Ermittlungsverfahren eine effektive Beratung zuteil werden kann und soll.


    Oder, knapp und polemisch:
    Einen Beschuldigten, der sagte "Jopp, ich hab ihm aufe Fresse gegeben und wusste, dass ich dafür innen Knast kommen kann" habe ich auf der RAST nie erlebt, sehr häufig aber "Ja, ich war nicht bei dem Termin, ich hatte keinen Bock" oder "Nee, die Unterlagen hab ich nicht eingereicht. Was geht es das jc an, was ich verdiene?".


    Davon ab kann der im vorliegenden Fall Betroffene i.d.R. selbst ohne juristische Kenntnisse einen Widerspruch gegen einen Sanktionsbescheid formulieren und sein Versäumnis ggf. nachholen. Gelegenheit dazu - um sanktionslos wegzukommen - hatte er genug.

    Bei einem Straftäter ist mit einer Entschuldigung nicht das Strafverfahren vom Tisch.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Ich störe das allgemeine "Hängt ihn höher" wirklich nur ungern....nee, das war gelogen. :teufel: Freunde, sacht ma! Geht´s noch?!? Heisst Ihr denn alle neuerdings Ludwig?!? L`etat cèst moi - oder wie?

    Bei einer Straftat ist der Vorwurf derselben gegeben. Wäre sie nachgewiesen, läge bereits eine rechtskräftige Verurteilung vor => keine BerH.
    ist schon mal Unsinn; nach überw Ansicht gibt es BerH AUCH für die Überprüfung eines Rechtsmittels.

    Bei einem Straftäter ist mit einer Entschuldigung nicht das Strafverfahren vom Tisch.
    schon mal was von Täter-Opfer-Ausgleich gehört? Gerade Strafverfahren wg Körperverletzung werden damit gerne mal beendet.

  • Bei einer Straftat ist der Vorwurf derselben gegeben. Wäre sie nachgewiesen, läge bereits eine rechtskräftige Verurteilung vor => keine BerH.
    ist schon mal Unsinn; nach überw Ansicht gibt es BerH AUCH für die Überprüfung eines Rechtsmittels.

    Das "rechtskräftig" haste aber gelesen, oder? ;) Dann gäbe es HÖCHSTENS noch BerH für die Prüfung eines Wiedereinsetzungsantrags (i.V.m. RM). Um da die Klippe der Mutwilligkeit zu umschiffen, muss da aber schon gewaltig was kommen.

    Zitat


    Bei einem Straftäter ist mit einer Entschuldigung nicht das Strafverfahren vom Tisch.
    schon mal was von Täter-Opfer-Ausgleich gehört? Gerade Strafverfahren wg Körperverletzung werden damit gerne mal beendet.

    Kommt vor, ist aber eher die Ausnahme. Mal ganz davon ab, dass die wenigsten Straftäter wissen dürften, ob die Voraussetzungen hierfür bei ihnen vorliegen (und die Ermittlungsbehörden das auch nicht immer wissen, wie mir scheint).

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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