BGH: Feststellung der Berufsmäßigkeit

  • Problem:

    Der BGH hat in drei aktuellen Entscheidungen eine Abkehr von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung vollzogen, wonach die fehlende Feststellung der Berufsmäßigkeit jederzeit von Amts wegen und auch noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann.

    BGH, Beschl. v. 08.01.2014, Az. XII ZB 354/13, FamRZ 2014, 468 = NJW 2014, 863 = openJur 2014, 2215 (für den Betreuer);
    BGH, Beschl. v. 29.01.2014, Az. XII ZB 372/13, FamRZ 2014, 653 = openJur 2014, 6031 (für den Betreuer);
    BGH, Beschl. v. 12.02.2014, Az. XII ZB 46/13, FamRZ 2014, 736 = openJur 2014, 6126 (für den Ergänzungspfleger).

    Nach der BGH-Rechtsprechung gilt nunmehr:

    Die Feststellung der Berufsmäßigkeit muss sich aus dem Tenor des Bestellungsbeschlusses oder eindeutig aus den Entscheidungsgründen ergeben. Der Umstand, dass ein Rechtsanwalt zum Amtsinhaber bestellt wird, genügt hierfür nicht.

    Eine auf den Zeitpunkt der Bestellung des jeweiligen Amtsinhabers zurückwirkende Feststellung der Berufsmäßigkeit kommt nur im Wege der Beschwerde in Betracht. Wurde der Amtsinhaber unter Geltung des FamFG bestellt, ist das betreffende Beschwerderecht in vielen Fällen verfristet. Wurde der Amtsinhaber jedoch schon zu FGG-Zeiten (also vor dem 01.09.2009) bestellt, kann die Beschwerde dagegen - auch heute noch - unbefristet eingelegt werden. Es gilt dann aber der Instanzenzug nach dem FGG und nicht derjenige nach dem FamFG.

    Ist das Beschwerderecht verfristet (FamFG) oder wird eine noch zulässige Beschwerde nicht eingelegt (FamFG und FGG), ist nur eine im Beschlusswege mögliche Umwidmung der ehrenamtlichen Tätigkeit in eine berufsmäßige Tätigkeit für die Zukunft zulässig.

    Daraus ergibt sich:

    Wurde die Feststellung der Berufsmäßigkeit (auch versehentlich) unterlassen und kommt es auch im Beschwerdewege nicht zu einer auf den Bestellungszeitpunkt zurückwirkenden Nachholung dieser Feststellung, ist der bestellte Amtsinhaber nicht berufsmäßig, sondern ehrenamtlich tätig. Er kann daher für seine bereits in der Vergangenheit erbrachten Tätigkeiten nur nach § 1836 Abs. 2 BGB vergütet werden (bei Mittellosigkeit oder bei fehlendem Aktivnachlass also kein Vergütungsanspruch). Eine Vergütung als berufsmäßig tätiger Amtsinhaber kommt - für die künftigen Tätigkeiten - erst ab dem Zeitpunkt einer auf seinen Antrag erfolgenden vergütungsrechtlichen Umwidmung seiner bislang ehrenamtlichen Tätigkeit in Betracht.

    Alle vorstehenden Grundsätze gelten wegen § 1915 Abs. 1 S. 1 BGB auch für jeden anderen Pfleger (§§ 1911, 1913 BGB) und insbesondere auch für den Nachlasspfleger.

    Diese Folgen der BGH-Rechtsprechung sind klar, darüber braucht also nicht mehr diskutiert zu werden. Es ergeben sich aber folgende weitere und bislang ungeklärte

    Fragen:

    1. Wie ist ein Amtsinhaber nach § 1836 Abs. 2 BGB zu vergüten, der an sich berufsmäßig tätig wäre, der aber mangels Feststellung der Berufsmäßigkeit nur ehrenamtlich tätig ist?

    2. Wie ist die vorgenannte Frage für den ehrenamtlichen Betreuer zu beantworten, für den mangels Feststellung der Berufsmäßigkeit die Stundensätze und die Zeitpauschalen der §§ 4 und 5 VBVG nicht gelten?

    3. Ist bei der Betreuung auch eine "umgekehrte" Umwidmung von der bislang berufsmäßigen Tätigkeit in Richtung der ehrenamtlichen Tätigkeit möglich?

    4. Muss der Amtsinhaber im Zuge der vergütungsrechtlichen Umwidmung seines Amtes im Rechtssinne - als Ehrenamtler - entlassen und - als Berufsamtsinhaber - neu bestellt werden?

    5. Wann beginnt für die bereits in der Vergangenheit erbrachten Tätigkeiten die vergütungsrechtliche Ausschlussfrist des § 2 VBVG, wenn in einem FGG-Altfall auf unbefristete Beschwerde des Amtsinhabers eine auf den Zeitpunkt seiner Bestellung zurückwirkende Umwidmung seines Amtes in eine berufsmäßige Tätigkeit stattfindet?

    6. Wie verhält es sich mit einer in der Vergangenheit erfolgten gerichtlichen Verlängerung der Ausschlussfrist, die in der rechtsirrigen Annahme erfolgt ist, dass der Amtsinhaber berufsmäßig tätig ist, wenn - vor allem in FGG-Altfällen - im Wege der Beschwerde eine auf den Zeitpunkt der Bestellung des Amtsinhabers zurückwirkende Umwidmung des Amtes in eine berufsmäßige Tätigkeit stattfindet? Bleiben diese Verlängerungen unwirksam, weil sie im Zeitpunkt der Beschlussfassung mangels Geltung einer Ausschlussfrist für Ehrenamtler ins Leere liefen oder werden sie aufgrund der rückwirkenden Umwidmung nunmehr ebenfalls rückwirkend wirksam?

    Anregung zur Diskussion

    Es steht außer Frage, dass die vorstehenden Fragen für die vergütungsrechtliche Praxis der Betreuungs-, Familien- und Nachlassgerichte von erheblicher Bedeutung sind, zumal ich davon ausgehe, dass die in den besagten BGH-Entscheidungen enthaltene "Sprengkraft" weitgehend noch gar nicht erkannt worden sein dürfte. Ich möchte daher eine vergütungsrechtliche Diskussion über die betreffenden Fragen eröffnen, zumal die Feststellung der Berufsmäßigkeit ausweislich der diesbezüglichen bisherigen reichhaltigen obergerichtlichen Vergütungsrechtsprechung offenbar in einer erheblichen Anzahl von Fällen - vor allem bei Nachlasspflegschaften - unterblieben ist.

    Ich werde mich auch fachzeitschriftlich zu den aufgeworfenen Fragen äußern. Da bis zur Veröffentlichung noch einige Monate vergehen werden, möchte ich die Diskussion über diese Fragen aber schon heute anstoßen, weil ihre erhebliche Bedeutung für vergütungsrechtliche Praxis völlig außer Frage steht.

    Hinweis zum Betreuungs- und Nachlassforum

    Da die vorliegende Problemstellung sowohl das Betreuungsgericht als auch das Familien- und Nachlassgericht (am "wenigsten" aber das Familiengericht) betrifft, habe ich das Thema sowohl im Betreuungsforum als auch im Nachlassforum eingestellt, weil viele User wohl nur in ihren "eigenen" Rechtsgebieten mitlesen. Damit es nicht zu einer "doppelten" Diskussion kommt, schlage ich vor, dass

    - die Fragen 2 und 3 im Betreuungsforum, und
    - die Fragen 1 und 4 bis 6 im Nachlassforum

    diskutiert werden.

    Diese Verfahrensweise ist beim Öffnen mehrerer Fenster oder Tabs ja kein Problem und auf diese Weise geht nicht alles durcheinander, zumal die in den Fragen 2 und 3 angesprochenen Probleme im Betreuungsbereich doch sehr spezifisch sind.

  • Problem:

    Der BGH hat in drei aktuellen Entscheidungen ...

    Daraus ergibt sich:

    Wurde die Feststellung der Berufsmäßigkeit (auch versehentlich) unterlassen und kommt es auch im Beschwerdewege nicht zu einer auf den Bestellungszeitpunkt zurückwirkenden Nachholung dieser Feststellung, ist der bestellte Amtsinhaber nicht berufsmäßig, sondern ehrenamtlich tätig. ...

    Was das OLG Hamm, 11.03.2014, I-15 W 316/13, I-15 W 328/13, I-15 W 329/13 ziemlich wenig interessiert und die rückwirkende Feststell. der Berufsmäßigkeit (sogar nach Vergütungsfestsetzung) über § 42 I FamFG
    für rechtmäßig erachtet.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Im dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall ging es jedoch nicht um die Nachholung der Feststellung der Berufsmäßigkeit, sondern um den Sachverhalt einer Berichtigung des Bestellungsbeschlusses nach § 42 FamFG, welche keine konstitutive, sondern lediglich eine deklaratorische Feststellung der Berufsmäßigkeit zum Gegenstand hat.

    Eine solche Beschlussberichtigung hält auch der BGH für zulässig. Richtig ist allerdings, dass die Ausführungen in den Gründen der OLG-Entscheidung nach der aktuellen BGH-Rechtsprechung nicht für eine Beschlussberichtigung ausreichen (Bestellung als Anwalt genügt nicht) und das OLG Hamm diese BGH-Rechtsprechung nicht in seine Überlegungen einbezogen hat. Man darf allerdings dabei nicht aus dem Auge verlieren, dass die Entscheidung des OLG vom 11.03.2014 stammt und die BGH-Rechtsprechung erst annähernd zeitgleich bzw. erst kurz vorher bekannt wurde.

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