Nettoeinkommen + AlG II = pfändbares Einkommen?

  • Meine Schuldnerin arbeitet - erfreulicherweise.

    Nettoeinkommen 920,40 €.

    Nach dem Berechnungsbogen zu Hartz IV erhält sie dazu 204,53 €. Keine Unterhaltspflichten. Das Gesamteinkommen beziffert sich also auf 1.124,93 €. Es ergibt sich ein pfändbarer Betrag in Höhe von 52,47 €.

    Ähnliches hatte ich gerade bei einer anderen Schuldnerin - allerdings nur für einen Monat, das Nettoeinkommen bezifferte sich auf 1.060,00 € - ohne U-Pflicht bleibt auch Pfändbares.

    Von den 920,40 € werden nur 620,40 € berücksichtigt, alles andere wird "runtergerechnet" mit anrechnungsfreiem Betrag von 200,00 €, Werbungskosten- und Fahrkostenpauschale.

    Ich bin leicht irritiert. Rein theoretisch müsste ich einen Zusammenrechnungsantrag stellen und sowohl Arbeitgeber als auch JobCenter informieren. Die Schuldnerin ist 58 Jahre alt.

    Was läuft da falsch? Finanzieren wir jetzt vom ALG II die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren? Ich hab der Schuldnerin grade gesagt, dass sie den pfändbaren Betrag abzuführen hat. Bleibt die Frage: Kann das wirklich sein? Sie hat das jetzt bereits prüfen lassen, das ist alles richtig berechnet.

    Nun denn?

  • Hm... ich glaub, da ist ein Berechnungsfehler im Berechnungsbogen..... Werde die Schuldnerin wohl noch mal hinweisen. Sonst ziehen wir ein und sie muss nachher zurückzahlen.

    Ich hätte mich da auch gewundert..... :cool:

  • Nehme alles zurück, nach dem Verweis auf die im Bescheid beigefügten Sternchen bleibt es bei der ausgewiesenen Berechnung und einem Nettoeinkommen von über 1.124,00 €

    Das gibt´s doch gar nicht, oder?

  • Nehme alles zurück, nach dem Verweis auf die im Bescheid beigefügten Sternchen bleibt es bei der ausgewiesenen Berechnung und einem Nettoeinkommen von über 1.124,00 €

    Das gibt´s doch gar nicht, oder?

    Wenn ich mich recht erinnere, dann liegt das daran, dass bei sog. Aufstockern nicht der komplette eigene Verdienst bei der Berechnung von ALG II abgezogen wird, sondern nur ein (hoher) Anteil davon. Der Grund dafür ist, dass sich für diese Leute die eigene Arbeit auch noch irgendwie lohnen soll. Würde ihr Eigenverdienst komplett angerechnet werden, dann würden sie quasi für "nichts" arbeiten (solange sie den Aufstockerbereich nicht komplett nach oben verlassen), und das wäre doch ein großer Motivationshemmer. Demjenigen, der unter diesen Bedingungen noch arbeitet, den will man nicht in die Jobaufgabe und zum Saufen treiben.
    Der Nebeneffekt dieser m.E. sinnvollen Regelung ist dann, wenn noch ein Insolvenzverfahren dazukommt, der von Dir beschriebene Effekt. Da kann man jetzt diskutieren, ob das sinnvoll ist und ob es das Wert ist. Unter Berücksichtigung des Effekts für die Selbstachtung des Betroffenen und dessen Motivation würde ich sagen: Ja. Kann man auch anders sehen, das gebe ich zu. Ich würde aber lieber monatlich die von Dir genannten 52,47 Euro zuzahlen als den kompletten ALG II- Betrag, wenn er oder sie die Arbeit hinschmeisst.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Hab mich jetzt auch mal online durch den Paragrafendschungel des SGB II gewühlt, scheint tatsächlich zu stimmen. §§ 11, 11a und 11 b SGB II, wenn ich mich heute morgen noch recht entsinne.

    Ich wäre auf die Reaktion des JobCenters gespannt, wenn die einen Zusammenrechnungsbeschluss kriegen würden.

    Und ich bin schon jetzt auf die Reaktion des zuständigen Rpfls. gespannt, wenn im Schlussbericht drinsteht, dass sich bei Arbeitseinkommen + ALG II ein pfändbarer Betrag ergibt.

  • Hab mich jetzt auch mal online durch den Paragrafendschungel des SGB II gewühlt, scheint tatsächlich zu stimmen. §§ 11, 11a und 11 b SGB II, wenn ich mich heute morgen noch recht entsinne.

    Ich wäre auf die Reaktion des JobCenters gespannt, wenn die einen Zusammenrechnungsbeschluss kriegen würden.

    Und ich bin schon jetzt auf die Reaktion des zuständigen Rpfls. gespannt, wenn im Schlussbericht drinsteht, dass sich bei Arbeitseinkommen + ALG II ein pfändbarer Betrag ergibt.

    Für die Zusammenrechnung ist es nicht erforderlich, den Beschluss bei dem JobCenters zustellen zu lassen, weil bei dieser Zusammenrechnung der unpfändbare Betrag aus dem ALGII entnommen werden muss und daher nur der AG einbehalten und überweisen muss. In dem Beschluss muss aber die Höhe des ALGII drin stehen, damit der AG weiß, welchen Betrag er dem AE hinzurechnen muss.

    Ob die Aufstockung allerdings den Sinn hat, dass dadurch etwas pfändbares raus kommt, will ich nicht kommentieren. :eek:

  • Ich weiß auch noch nicht so recht, wie ich es mache. Ich möchte das JobCenter doch zumindest drauf aufmerksam machen auf den Vorgang. Die Schuldnerin möchte gern freiwillig zahlen. Wegen ihres Alters hat sie Angst, die Stelle wieder zu verlieren, der Job ist ohnehin saisonabhängig jedes Jahr von April bis Oktober. Dazwischen ist sie arbeitslos. Von daher möchte ich den Arbeitgeber tatsächlich raushalten.

    Es ist ja auch nicht so, dass ich der Schuldnerin das Geld nicht gönne - sie würde das ja auch kriegen, wenn keine Pfändung vorläge. Ich hatte nur bisher immer geglaubt, dass bei ergänzenden Sozialleistungen nie etwas Pfändbares anfällt.

  • Hab mich jetzt auch mal online durch den Paragrafendschungel des SGB II gewühlt, scheint tatsächlich zu stimmen. §§ 11, 11a und 11 b SGB II, wenn ich mich heute morgen noch recht entsinne.

    Ich wäre auf die Reaktion des JobCenters gespannt, wenn die einen Zusammenrechnungsbeschluss kriegen würden.

    Und ich bin schon jetzt auf die Reaktion des zuständigen Rpfls. gespannt, wenn im Schlussbericht drinsteht, dass sich bei Arbeitseinkommen + ALG II ein pfändbarer Betrag ergibt.

    Für die Zusammenrechnung ist es nicht erforderlich, den Beschluss bei dem JobCenters zustellen zu lassen, weil bei dieser Zusammenrechnung der unpfändbare Betrag aus dem ALGII entnommen werden muss und daher nur der AG einbehalten und überweisen muss. In dem Beschluss muss aber die Höhe des ALGII drin stehen, damit der AG weiß, welchen Betrag er dem AE hinzurechnen muss.

    Ob die Aufstockung allerdings den Sinn hat, dass dadurch etwas pfändbares raus kommt, will ich nicht kommentieren. :eek:

    Seit wann müssen im § 850e ZPO die Beträge drin stehen? Das wäre mir neu. Die Drittschuldner müssen sich selbst zusammensetzen und sich austauschen. Es könnte ja auch sein, dass ein (oder beide) Einkommen monatlich schwanken. Zumal spätestens wenn es Weihnachtsgeld gibt eine Kommunikation zwischen den DS stattfinden muss

    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit,

    aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher -Albert Einstein-

  • Sehe ich auch so. Zugestellt wird der Beschluss immer an beide DS! Und wenn ich Beträge in den Beschluss mit aufnehme dann betone ich immer "ein Betrag in Höhe von derzeit ... EURO). Dann der Zusatz dass Die Drittschuldner sich untereinander veständigen müssen.

  • Das war doch nur für den Fall gemeint, wenn sie dem JobCenter den Beschluss nicht zustellen lassen will, dann muss die Höhe des ALGII angegeben werden, damit der AG weiß, was er zu dem AE hinzurechnen muss.

  • Also noch mal für alle Mitdiskutierenden klarstellen:

    1. Die Schuldnerin ist nur für sich ganz allein verantwortlich - die Zusammenrechnung wäre als nicht nur billig, sondern auch recht. Ich denke, ich hab bislang immer klar und deutlich gemacht, dass ich auch auf tatsächliche und faktische Unterhaltspflichten achte und niemanden etwas abziehe, wenn begründbar ist, dass der Schuldner sein Geld für seine Lieben einsetzt. ;) Deshalb ja meine Verwirrung, dass tatsächlich so viel am Ende herumkommt, obwohl die Schuldnerin nur für sich allein zuständig ist.

    2. Eigentlich möchte ich es im Interesse der 58jährigen Schuldnerin vermeiden, dass ihr Arbeitgeber von dem Insolvenzverfahren erfährt. Bislang weiß er nichts, das Insolvenzverfahren läuft erst seit Ende Oktober, so dass es mit Saisonende eröffnet wurde. Es ist jedes Jahr nur ein Saisonjob im Schuhladen - von April bis Oktober. Dazwischen ist die Schuldnerin arbeitslos und das Arbeitslosengeld ist natürlich geringer. Selbst wenn das immer wieder als Ammenmärchen bezeichnet wird, dass Arbeitgeber Jobs kündigen: Ich will das gar nicht erst riskieren.

    3. Es wäre vermutlich nur für mich rein persönlich interessant, was das JobCenter zu dem Fakt an sich zu sagen hätte. Es erscheint mir nicht logisch, dass wir aus der linken Tasche rausnehmen und in die rechte Tasche reinstecken - es kann mir am Ende total Banane sein.

  • Dass durch ergänzende Leistungen von SGB II die Pfändungsfreigrenze überschritten wird, kommt vor, ist jedoch sehr selten und eigentlich nur bei besonderen Ausgabenbelastungen denkbar.

    M.E. wäre vom Schuldner bei Zusammenrechnung mit einem Antrag auf Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen nach 850f Abs. 1 lit. a) ZPO zu reagieren.

  • Es gibt keine erhöhten Ausgaben oder Aufwendungen. Es gibt ein Brutto-Schuhladenverkäuferinnen-Gehalt von 1200 € und normale Abzüge, die jeder normale Arbeitnehmer hat.

    Es gibt auch keinen Grund für einen Schuldnerantrag auf erhöhte Freigaben.

    Es gibt nur diese dämlichen §§ 11, 11 a und 11 b SGB II, die zu so einem Ergebnis führen:

    Werbungskostenpauschale vom Netto abgezogen in Höhe von 100,00 € und die Erwerbstätigenpauschale von 200,00 €. Von dem Netto 920,00 € werden bei der Bedarfsberechnung also nur netto 620,00 € berücksichtigt. Nicht mehr und nicht weniger und nicht anders.

    Sie hat nach dem Bescheid einen Gesamtbedarf von 820,00 € (319 € Grundbedarf, 429 € Kosten Unterkunft/Heizung).

    Davon sind ja angeblich nur 620,00 € gedeckt (weil ja 300 € großzügig nicht zu berücksichtigen sind), so dass ihr schlicht und ergreifend 200 € extra aus dem Sozialtopf zustehen. Da sie aber tatsächlich auf dem Gehaltszettel 920 netto stehen hat und daneben 200 vom Amt bekommt, bleibt nach Pfändungstabelle was übrig.

    Falls irgendwer einen Berechnungsfehler findet, bitte melden! Dann sag ich der Schuldnerin bescheid und ziehe nichts ein. Und schicke sie zur Korrektur zum JobCenter. Aber ich hab keinen Fehler gefunden, soweit ich das nach den Gesetzen nachvollziehen kann. Wenn es ihr zusteht, soll es so sein. Aber dann muss ich eben einen pfändbaren Betrag einziehen.

  • Die Erhöhung des unpfändbaren Betrages wäre nur möglich, wenn der notwendige Lebensunterhalt nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht gedeckt wäre. Das ist aber bei Leistungen, die hier im Raum stehen nicht der Fall.

    Das JobCenter stockt das AE auf um die Arbeitslust des Hilfeempfängers zu fördern. Würde der Abzug des pfändbaren Betrages nicht wieder zu einer Erhöhung der Leistungen führen (müssen), weil die dem Hilfeempfänger dann doch wieder nicht zur Verfügung stehen :gruebel:

  • Sinn und Zweck des 850f Abs. 1 a ZPO ist es, dass der Schuldner durch Pfändungsmaßnahmen nicht bedürftig nach SGB II oder XII wird.

    In deinem Fall ist der Schuldner bereits bedürftig. Da bei der Leistungsberechnung das Jobcenter nur die tatsächlich verfügbaren Einkünfte berücksichtigen darf, würde ein Abzug des pfändbaren Tabellenbetrags folglich bedeuten, dass der Schuldner einen erhöhten Bedarf hätte. Das Jobcenter müsste also den weggepfändeten Betrag wieder ausgleichen.

    Da dies nicht gewollt ist: Erhöhung des unpfändbaren Betrags nach 850f!

    Ich habe hier gerade einen Fall laufe, wo der Treuhänder in einem ähnlich gelagerten Fall die Zahlung des pfändbaren Betrags vom Schuldner fordert (bisher kein Zusammenrechnungsbeschluss). Wir haben Antrag gestellt, dass Zusammenrechnung unterbleibt, da wg. der o.g. Gründe bei Anpassung nach 850f kein pfändbarer Betrag verbleiben kann. Habe hierauf leider noch nichts gehört.

  • Sinn und Zweck des 850f Abs. 1 a ZPO ist es, dass der Schuldner durch Pfändungsmaßnahmen nicht bedürftig nach SGB II oder XII wird.

    In deinem Fall ist der Schuldner bereits bedürftig. Da bei der Leistungsberechnung das Jobcenter nur die tatsächlich verfügbaren Einkünfte berücksichtigen darf, würde ein Abzug des pfändbaren Tabellenbetrags folglich bedeuten, dass der Schuldner einen erhöhten Bedarf hätte. Das Jobcenter müsste also den weggepfändeten Betrag wieder ausgleichen.

    Da dies nicht gewollt ist: Erhöhung des unpfändbaren Betrags nach 850f!

    Ich habe hier gerade einen Fall laufe, wo der Treuhänder in einem ähnlich gelagerten Fall die Zahlung des pfändbaren Betrags vom Schuldner fordert (bisher kein Zusammenrechnungsbeschluss). Wir haben Antrag gestellt, dass Zusammenrechnung unterbleibt, da wg. der o.g. Gründe bei Anpassung nach 850f kein pfändbarer Betrag verbleiben kann. Habe hierauf leider noch nichts gehört.

    Aber die Voraussetzungen des § 850f Abs. 1 a ZPO sind hier nicht erfüllt, s. meine # 15:

    "Die Erhöhung des unpfändbaren Betrages wäre nur möglich, wenn der notwendige Lebensunterhalt nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht gedeckt wäre. Das ist aber bei Leistungen, die hier im Raum stehen nicht der Fall."

  • Olaf K:

    Die Rechnung hinkt doch. Jeder alleinstehende Schuldner, der über 1.049,99 € netto hat, muss pfändbares EK abführen. Wird er dadurch bedürftig? Ja offenbar, wenn jeder dieser Schuldner zum JobCenter läuft und die entsprechenden Abzüge geltend machen kann, offensichtlich. Dann besteht aber offenbar eine Diskrepanz zwischen Bedürftigkeit und Pfändungstabelle.

    Ich verstehe ja schon nicht, warum die gute Frau so viel zu kriegen hat. Aber ändern kann ich es auch nicht. Jeder Schuldner, der ein Nettoeinkommen in der errechneten Höhe hat, muss zahlen. Warum soll ich die Schuldnerin jetzt besser stellen? Sind die anderen Schuldner nur zu dämlich? Ist grundsätzlich nie was pfändbar, wenn ein Schuldner aufstockendes ALG II bekommt, obwohl da mal eben locker 52,47 € nach der Tabelle zu pfänden wären?

  • PS:

    Die Schuldnerin war im Übrigen noch bevor sie mir Gehaltszettel und Bescheid vorlegte, bei der Schuldnerberaterin. Auf einen Erhöhungsantrag scheint da keiner gekommen zu sein. Fände ich im Übrigen auch nicht richtig. Wie gesagt: Aus welchem Grunde sollte die Schuldnerin hier schutzwürdiger sein, als ein Schuldner, der halt auf seinem Lohnzettel netto 1.125 € stehen hat? :gruebel:

  • Aber die Voraussetzungen des § 850f Abs. 1 a ZPO sind hier nicht erfüllt, s. meine # 15:

    "Die Erhöhung des unpfändbaren Betrages wäre nur möglich, wenn der notwendige Lebensunterhalt nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht gedeckt wäre. Das ist aber bei Leistungen, die hier im Raum stehen nicht der Fall."

    Aber der Schuldner bezieht doch bereits Leistungen nach Kapitel 3 Abschnitt 2, weil er nach Einkommensbereinigung bedürftig IST.

    Vielleicht hilft der Eintrag der Arbeitsagentur aus der dortigen Wissensdatenbank weiter.

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