Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Die vom Insolvenzverwalter formgerecht angezeigte Masseunzulänglichkeit ist für das Prozessgericht bindend; Altmasseverbindlichkeiten können danach nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden, da dieser Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

    Ist die Arbeitnehmerin bereits durch ihre Arbeitsunfähigkeit von der Arbeitspflicht befreit, kann sie durch eine Freistellungserklärung des Arbeitgebers nicht noch einmal befreit werden; Erkrankung und Urlaub schließen sich aus.

    Ein Arbeitgeber gewährt durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er der Arbeitnehmerin die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt; zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs bedarf es einer Freistellungserklärung des Arbeitgebers, die nur dann das Erlöschen des Urlaubsanspruchs bewirken kann, wenn die Arbeitnehmerin erkennen muss, dass der Arbeitgeber sie zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will.


    LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 1. 9. 2016 - 7 Sa 36/16

  • Ist im Erstverfahren die Stundung wegen unzureichender Mitwirkung der Schuldnerin im Insolvenzverfahren aufgehoben worden, ist die Schuldnerin mit einer weiteren Antragstellung bis zum Ablauf von 3 Jahren ab Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses gesperrt.

    AG Aachen, Beschl. v. 4. 7. 2016 - 91 IK 78/16

  • Einem Antrag auf Verfahrenskostenstundung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Schuldner die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung in einem vorherigen Restschuldbefreiungsverfahren schuldhaft dadurch provoziert hat, dass er seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht aus § 97 Abs. 1 InsO nicht nachgekommen ist.

    AG Montabaur, Beschl. v. 8. 7. 2016 - 14 IK 88/16 (rkr.)

  • Bestimmtheit einer Nachtragsverteilungsanordnung

    Ist im entsprechenden Beschluss die Nachtragsverteilung für etwaige "auf die Dauer des Insolvenzverfahrens" entfallendeSteuererstattungsansprüche angeordnet, ist dies hinreichend bestimmt (im Verbraucherinsolvenzverfahren).

    Die Steuerart muss nicht (in jedem Fall) zwingend im Anordnungsbeschluss genannt werden.

    Urteil des BFH vom 20.09.2016, Az.: VII R 10/15

  • BGH, Beschluss vom 16. Februar 2017 - IX ZB 103/15

    Das Insolvenzgericht ist bei seiner Entscheidung, ob die Bestätigung eines Insolvenzplans zu versagen ist, nicht an seine im Rahmen der Vorprüfung des Insolvenzplans getroffene Entscheidung gebunden.

    Vereinbarungen über die Vergütung des Insolvenzverwalters können nicht Inhalt eines Insolvenzplans sein.

    Die Bestätigung eines Insolvenzplans kann nicht von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass das Insolvenzgericht die Vergütung des Insolvenzverwalters vor der Bestätigung des Insolvenzplans festsetzt.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Versäumnisurteil vom 22. Dezember 2016 - IX ZR 94/14

    Eine GmbH & Co. KG gilt gegenüber einer GmbH als nahestehende Person im Sinne des Insolvenzanfechtungsrechts, wenn die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der GmbH miteinander verheiratet sind.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Für im Rahmen eines Mandatsverhältnisses zu einer juristischen Person möglicherweise anvertrauten oder sonst bekannt gewordenen Straftaten eines (auch faktischen) Vertreters ist die Schweigepflichtentbindung durch diesen, als Träger des Geheimnisses, erforderlich. Geht es um die Offenlegung von Straftaten des Insolvenzschuldners bzw. früherer oder jetziger (auch faktischer) Organe einer in Insolvenz geratenen juristischen Person, ist eine Schweigepflichtentbindung allein durch den Insolvenzverwalter nicht ausreichend.

    OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8. 12. 2016 - 1 Ws 334/16

  • § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasst Verbindlichkeiten noch nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge und stellt sicher, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse nicht auf seine Kosten bereichert wird ("sonstige Masseverbindlichkeiten"). Soweit Arbeitsverhältnisse betroffen sind, beruht die Vorschrift auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitnehmer trotz Insolvenz seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen muss und daher im Gegenzug seine vertraglich vereinbarten Ansprüche behalten soll.

    Unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO fallen alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach der Insolvenzeröffnung durch den Insolvenzverwalter erwachsen, in der Höhe, die sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag ergibt, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Entscheidend ist, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Insolvenzeröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung abzustellen ist.

    Ist im Arbeitsverhältnis ein regelmäßiges Arbeitsentgelt vereinbart, entstehen diese Entgeltansprüche mit den Zeitabschnitten, nach denen die Vergütung zu bemessen ist. Fallen diese Zeitabschnitte in die Zeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, entstehen die Ansprüche auf die laufende Vergütung erst zu dieser Zeit und sind erst dann zu erfüllen.

    Der Anspruch auf den Arbeitgeberbeitrag zur Altersvorsorge gemäß § 2 des Tarifvertrags Altersvorsorge für NGG-Mitglieder der Brotindustrie Rheinland-Pfalz entsteht während des Kalenderjahres jeweils monatlich ("pro rata temporis"). Lediglich die Auszahlung erfolgt als Einmalzahlung.

    Setzt der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis fort, schuldet er die Zahlung des tariflichen Arbeitgeberbeitrags zur Altersvorsorge gemäß § 2 TV-Altersvorsorge NGG nur pro rata temporis für die nach der Insolvenzeröffnung liegende Zeit des Bezugszeitraums. Forderungen, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet waren, sind bloße Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO und keine Masseverbindlichkeiten.


    LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2. 6. 2016 - 5 Sa 492/15

  • Bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz haftet der Erwerber nicht für die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits erdiente endgehaltsbezogene Dynamik. Er hat die Gegenleistung für die dienstzeitabhängigen Steigerungsraten der Betriebsrente bis zur Insolvenzeröffnung bereits erbracht.

    Soweit sich eine Differenz daraus ergibt, dass der Pensionssicherungsverein aufgrund der Veränderungssperre in § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG i.V.m. § 2 Abs. 5 BetrAVG den von ihm zu tragenden Anteil der Betriebsrente auf der Grundlage des Gehalts zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung berechnet und die bis dahin erdiente endgehaltsbezogene Dynamik aufgrund der zeitratierlichen Berechnung auch nicht vom Erwerber geschuldet ist, kann der Arbeitnehmer diese Differenz nach den Verteilungsgrundsätzen der Insolvenz im Insolvenzverfahren geltend machen. Für die Berechnung der Anspruchshöhe ist dabei die künftige Gehaltsentwicklung auf der Tatsachengrundlage, so wie sie im Insolvenzzeitpunkt gegeben ist, zu schätzen.


    LAG Düsseldorf, Urt. v. 7. 12. 2016 - 12 Sa 592/16

  • Führt der insolvente Schuldner einen defizitären Betrieb nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter fort und nimmt damit, trotz entsprechender Hinweise, das fortlaufende Entstehen neuer Verbindlichkeiten in Kauf, so ist ihm die Stellung eines erneuten Insolvenzantrags verwehrt.

    AG Dortmund, Beschl. v. 18. 4. 2016 - 255 IN 102/15

  • Nachteile, die zu einer Ablehnung der Eigenverwaltung führen, liegen bei Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Schuldners vor. Solche Zweifel ergeben sich, wenn der Schuldner seit Jahren zahlungsunfähig und nicht in der Lage gewesen ist, seine Vermögensverhältnisse zu überschauen und er erst unter dem Druck eines unabwendbaren Eröffnungsantrages einer Gläubigerin einen Eigenantrag gestellt und begonnen hat, seine Buchhaltung aufarbeiten zu lassen.

    Bedenken an der Zuverlässigkeit des Schuldners werden durch die Beauftragung eines insolvenzrechtlich erfahrenen anwaltlichen Bevollmächtigten nicht ausgeräumt.


    AG Köln, Beschl. v. 9. 2. 2017 - 72 IN 496/16

  • Das zuerst befasste Insolvenzgericht ist auch für die folgenden Eintragungsersuchen des ausländischen Verwalters zuständig, wenn die zur Eintragung ersuchten Grundbuchämter außerhalb seines Bezirks liegen.

    Ist der englische Verwalter ("trustee") Rechtsnachfolger am schuldnerischen Immobiliarvermögen bedarf es keiner Grundbuchberichtigung, es genügt das Ersuchen um Eintragung eines Verfügungsverbots.


    AG Mannheim, Beschl. v. 7. 10. 2016 - 4 IE 610/14, 1 AR 6/11, 1 AR 6/2011

  • Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters ist analog § 26a InsO festzusetzen, wenn es wegen der Rücknahme des Eröffnungsantrages nicht mehr zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und zur Bestellung eines Sachwalters kommt.

    Für die Bemessung der Vergütung ist in diesem Fall zunächst von einer Vergütung in Höhe von 25 % der Regelvergütung eines Sachwalters im eröffneten Verfahren auszugehen. Es sodann sind Zu- und Abschläge vorzunehmen, die sich nach den allgemeinen Kriterien für Sachwalter richten.


    AG Köln, Beschl. v. 25. 1. 2017 - 73 IN 411/16

  • Die Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters beträgt in der Regel 1.000,00 €.

    Das heißt allerdings nicht, dass Abschläge von der Mindestregelvergütung ausnahmslos ausgeschlossen wären. Vielmehr kommt eine Kürzung der Mindestregelvergütung in besonderen Ausnahmefällen in Betracht.

    Ein derartiger Ausnahmefall liegt vor, wenn das Amt des vorläufigen Insolvenzverwalters nach einer Dauer von nur 17 Tagen aufgrund der Erledigungserklärung der antragstellenden Gläubigerin geendet hat und weder besondere Maßnahmen zur Sicherung noch sonstige verwaltende oder gestaltende Tätigkeiten bzgl. des Schuldnervermögens durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgeübt worden sind.


    AG Köln, Beschl. v. 4. 1. 2017 - 72 IN 310/16

  • BFH. Urteil vom 15.12.2016 - V R 26/16

    Führt die Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO aufgrund einer Rückzahlung an den Insolvenzverwalter zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG, ist der sich hieraus ergebende Steueranspruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Teil der Masseverbindlichkeit für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - IX ZB 70/16

    Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen einen unselbständig tätigen Schuldner regelmäßig begründet, dessen gewöhnlicher Aufenthalt sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland befindet.

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