Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1. Hat ein Vermieter dem späteren Insolvenzschuldner die Mieträume bereits bei Insolvenzreife überlassen, so ist er hinsichtlich von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung nicht Neugläubiger, sondern Altgläubiger.

    2. Als Altgläubiger ist ein Vermieter zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Insolvenzverschleppung direkt gegen den Geschäftsführer nicht aktivlegitimiert. Aktivlegitimiert ist nur der Insolvenzverwalter.

    OLG Stuttgart, Urt. v. 11.10.2012 - 13 U 49/12

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • 1. Besteht gemäß § 131 Abs. 2 InsO eine Vermutungswirkung für die Gläubigerbenachteiligungskenntnis, weil durch Handlungen die Aktivmasse verkürzt und der Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert wird, ist es nicht Sache des Insolvenzverwalters, alle möglichen Entlastungstatsachen vorzutragen und zu widerlegen, sondern der Anfechtungsgegner muss die Begründung für die Vornahme dieser Handlungen vortragen und sich entlasten.

    2. Auch im Rahmen der Vermutungswirkung des § 133 Abs. 2 InsO hat der Insolvenzverwalter nur die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung der angefochtenen, vermögensmindernden Leistung des Schuldners darzulegen und unter Beweis zu stellen. Es obliegt dem Anfechtungsgegner, sich zu entlasten und den Rechtsgrund der Leistung offen zu legen.

    OLG Koblenz, Beschl. v. 05.10.2012 - 2 W 522/12

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • 1. Sind die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung in einem deutschen Insolvenzverfahren nach deutschem Recht gegeben, so kommt gemäß Art. 13 EUInsVO bei Rechtsgeschäften nach ausländischem Recht (hier: Österreich) ein Rückgewährungsanspruch nur in Betracht, wenn auch nach diesem ausländischen Recht Anfechtbarkeit besteht.

    2. Sind diese Voraussetzungen grundsätzlich gegeben und ist die Anfechtungsfrist von 3 Jahren nach deutschem Recht eingehalten, die 1-jährige Frist zur Klageerhebung nach österreichischem Recht jedoch verstrichen, so steht dies dem Rückgewährungsanspruch jedenfalls dann nicht entgegen, wenn vor Ablauf der österreichischen Frist zur Klageerhebung die Anfechtung wenigstens rechtsgeschäftlich erklärt wurde.

    3. Art. 13 EUInsVO bezieht sich nur auf den Anfechtungstatbestand, aber nicht auf die Art und Weise der Geltendmachung des Anfechtungsrechts.

    OLG Stuttgart, Urt. v. 28.09.2012 - 5 U 17/12

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Wer als Gläubiger gegenüber einem Insolvenzgericht wider besseres Wissen behauptet, sein Schuldner sei zahlungsunfähig, kann sich wegen falscher Verdächtigung gem. § 164 Abs. 2 StGB strafbar machen. Dies gilt auch, wenn der Schuldner eine juristische Person ist.

    OLG Koblenz, Urt. v. 15.10.2012 - 2 Ss 68/12

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • BGH vom 18.10.2012, IX ZB 263/10, ohne Leitsatz:

    1. Eine Entschädigung nach § 6 StrRehaG bzw. § 17 StrRehaG für zu unrecht erlittene Haft ist pfändbar.

    2. Wird dem Schuldner in der WVP für eine in einem Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlittene Haft eine Entschädigung zugesprochen, so stellt dies Insolvenzmasse dar, da der Schuldner diesen Anspruch seit Inkrafttreten des Gesetzes am 28.10.1992 hätte geltend machen können, da der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen war, auch wenn sich eine Forderung daraus erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergibt.

    3. Ein solcher Anspruch unterliegt auch einer Nachtragsverteilung.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1. Das Verfahren ist hinsichtlich der Folgesache Zugewinn durch die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Antragstellers nicht unterbrochen.

    2. Auch wenn der (künftige) Zugewinnausgleichsanspruch vor seiner Entstehung rechthängig gemacht worden ist, ist er nicht pfändbar, da die Pfändung von der Übertragbarkeit der Forderung abhängig ist.

    3. Erst von der Güterstandsbeendigung an ist die Ausgleichsforderung übertragbar.

    OLG Jena, Beschl. v. 26.09.2012 - 1 WF 345/12

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde des Finanzamts gegen die finanzgerichtlich gewährte Aussetzung der Vollziehung entfällt grundsätzlich erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerpflichtigen und nicht bereits mit der Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt bei gleichzeitiger Untersagung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen.

    BFH, Beschl. vom 01.08.2012 - V B 59/11

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • 1. Eine gerichtliche Entscheidung, die während der Unterbrechung des Verfahrens nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 240 Satz 1 ZPO ergeht, ist nicht unwirksam, sondern lediglich mit dem allgemein zulässigen Rechtsmittel anfechtbar. Der bisherige Prozessbevollmächtigte bleibt dabei über § 117 InsO hinaus zumindest für die Geltendmachung der Zulassungsgründe prozessbefugt, die sich auf die Anerkennung der Insolvenz als Aussetzungsgrund beziehen.

    2. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 240 ZPO ist geboten, wenn eine wirtschaftliche objektive Beziehung des Verfahrens zur Insolvenzmasse feststellbar ist (hier: bejaht für die Genehmigung einer Anlage zur Pferdezucht im Außenbereich).

    3. Mit der Veräußerung einer streitgegenständlichen Sache (hier: Grundstück der Betriebseinrichtungen) durch den Insolvenzverwalter ist ein Wegfall des Massebezugs anzunehmen, welcher das Gericht zur Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen berechtigt.

    4. Zur Anwendung von § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 266 Abs. 1 ZPO bei der Veräußerung eines streitgegenständlichen Grundstücks durch den Insolvenzverwalter.

    5. Zu der Kostentragungspflicht eines Bevollmächtigten, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Verwaltungsprozess unter Vorbehalt weiterführt, ohne hierfür eine (neue) Vollmacht des Insolvenzverwalters bzw. des Betroffenen nach Freigabe des streitgegenständlichen Grundstücks vorweisen zu können.

    OVG Koblenz, Urt. v 05.09.2012 - 1 A 10423/12.OVG

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • 1. Der gegen das Finanzamt gerichtete Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr insolvenzrechtlich angefochtener Leistungen ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, über dessen Bestehen dem Grund oder der Höhe nach durch Abrechnungsbescheid entschieden werden kann. (Leitsatz des Gerichts)

    2. Der auf einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung beruhende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters ist ein originärer gesetzlicher, zivilrechtlicher Anspruch, der mit der Insolvenzeröffnung entsteht, dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist und nur nach den Vorschriften der InsO zu entscheiden ist, welche die Regelungen anderer Rechtsbereiche wie z.B. des Steuer- und Abgabenrechts verdrängen. Der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch ist gegenüber Ansprüchen aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (im Streitfall dem Steuerschuldverhältnis) wesensverschieden.

    BFH, Beschl. v. 5. 9. 2012 - VII B 95/12

  • 1. Die absonderungsberechtigte Grundpfandrechtgläubigerin ist nicht nach den §§ 44a, 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO verpflichtet, zunächst die Gesellschaftersicherheiten zu verwerten. Sie hat ein Wahlrecht hinsichtlich der Verwertung von Sicherheiten, das sie nicht derart auszuüben hat, die Verwertung der Gesellschaftssicherheiten erst vorzunehmen, wenn alle Gesellschaftersicherheiten verwertet sind. Die Wahlmöglichkeit besteht unabhängig von der Frage, ob eine Gesellschaftssicherheit bereits verwertet wurde oder nicht. Auch spielt für das eingeräumte Wahlrecht keine Rolle, ob der Rückgriff auf den Gesellschafter für die Schuldnerin oder den Insolvenzverwalter mit erheblichen Problemen verbunden ist. Das Wahlrecht steht in seiner Ausübung allein unter dem Gebot von Treu und Glauben gem. § 242 BGB.

    2. Durch das Wahlrecht wird der Grundsatz, dass die Gesellschaftersicherheit im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig zu verwerten ist, nicht ausgehebelt, da der Zugriff auf das Gesellschaftervermögen durch den Insolvenzverwalter über die analoge Anwendung der Anfechtungsmöglichkeit der §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO erfolgt.

    3. Die gewünschte und gebotene Heranziehung des eine Sicherheit gewährenden Gesellschafters zur Haftung wird durch die Einräumung eines Erstattungsanspruchs der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 32a GmbHG a.F. im Umfang der Befreiung gegenüber dem Gläubiger erreicht. Diese Gründe haben trotz Reform der InsO und des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ungeachtet fehlender gesetzlicher Regelung weithin Bestand.

    4. Ein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters gegenüber der Grundpfandrechtsgläubigerin bezüglich des Verwertungsstandes von Objekten und der Einziehung von Bürgschaften beim Aktionär ergibt sich nicht aus den §§ 167 ff. InsO. Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters gegenüber dem absonderungsberechtigten Gläubiger bei nach § 166 InsO gestatteter eigenhändiger Verwertung des Absonderungsgutes durch den Insolvenzverwalter regelt einen Sonderfall und begründet kein allgemeines Auskunftsrecht. § 176 InsO ist nicht Selbstzweck, sondern ausschließlich ein Instrument des Absonderungsberechtigten, seine Ansprüche aus §§ 168 ff. InsO vorzubereiten und stellt einen Ausgleich für den Übergang des Verwertungsrechts auf den Insolvenzverwalter dar.

    OLG Stuttgart, Urt. v. 26. 9. 2012 - 9 U 65/12

  • BGH vom 13.09.2012, IX ZA 1/12 ohne Leitsatz:

    Im Falle der Masseunzulänglichkeit können die Prozesskosten nicht aus der Masse gem. § 116 ZPO aufgebracht werden.

    Zuzumuten sind Vorschüsse auf die Prozesskosten nur solchen Beteiligten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und deren zu erwartender Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten.

    Dies kann der Fall sein, wenn ohne Durchführung des Prozesses eine Quote von 0% für den Gläubiger zu erwarten ist, bei erfolgreicher Durchführung aber der Löwenanteil (75% der festgestellen Forderungen) dem Gläubiger zufließt und zudem die zu erwartende Quote das mehrfache der Kosten (hier 7-fach) ausmacht.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Macht ein Insolvenzverwalter seine Zustimmung zur einkommensteuerlichen Zusammenveranlagung in der Insolvenz eines Ehegatten von einer Zahlung des anderen Ehegatten (hier: 80.000,- €) zur Masse abhängig, so handelt er nicht rechtswidrig.

    LG Kleve, Urt. v. 13.06.2012 – 2 O 433/11, ZVI 2012, 383 (Berufung anhängig: OLG Düsseldorf, Az. 24 U 116/12)

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Widerspricht der Schuldner - gegebenenfalls auch beschränkt auf den Rechtsgrund „vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung“ - der Feststellung der Forderung eines Gläubigers zur Tabelle, steht dies der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen. Der Gläubiger kann dann jedoch die Zwangsvollstreckung aus dem Tabellenauszug gegen den Schuldner nicht betreiben. Er kann jedoch auf einen bestehenden Titel zurückgreifen. Danach steht auch für Gerichte in einem späteren Verfahren - z. B. einer Vollstreckungsgegenklage des Schuldners nach § 767 ZPO - rechtskräftig fest, dass diese Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht und gemäß § 302 Nr. 1 InsO von einer eventuell erteilten Restschuldbefreiung ausgenommen ist.

    LG Düsseldorf, Beschl. v. 05.10.2012 - 25 T 466/12

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Persönliche Daten, die Kunden über die Homepage eines Unternehmens eingeben, um sich für den Bezug eines elektronischen Newsletters dieses Unternehmens an- oder abzumelden, sind im Falle der Insolvenz des technischen Dienstleisters, der den Versand des Newsletters abgewickelt hatte, gemäß §§ 667 1. Alt., 675 BGB i. V. m. § 47 InsO von dem Insolvenzverwalter auszusondern und an das Unternehmen herauszugeben.

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.09.2012 - 6 U 241/11

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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