Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien finden sich Hinweise darauf, dass sich der Berater und der Schuldner persönlich in einem Raum gegenüber gesessen haben müssen, während die Beratung stattfand.

    Eine zulässige Beratung i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegt jedenfalls dann vor, wenn - wie hier - der Berater und der Schuldner mittels Bildtelefon miteinander kommuniziert haben.


    LG Göttingen, Beschl. v. 7. 7. 2017 - 10 T 37/17

  • An die bei Anmeldung einer Deliktsforderung zur Insolvenztabelle zu verlangende Sachverhaltsschilderung sind keine besonders hohen Ansprüche zu stellen. Jedoch müssen Mindestanforderungen erfüllt sein.

    Eine Delikts-Forderungsanmeldung, die eine "unerlaubte Handlung" unterstellt und den zu Grunde liegenden Sachverhalt lediglich schlagwortartig ganz oberflächlich schildert (hier: "Unerlaubte Handlung (Betrug) vom …") erfüllt für eine Eintragung des Deliktscharakters in der Tabelle die Mindestanforderungen nicht.

    Erfüllt eine Forderungsanmeldung hinsichtlich des behaupteten Deliktscharakters nicht die Mindestanforderungen, ist die nicht ordnungsgemäße Forderungsanmeldung durch das Insolvenzgericht zurückzuweisen und der Deliktscharakter nicht in die Tabelle aufzunehmen (Anschluss AG Köln, 7.4.2017, 71 IK 175/15; ZInsO 2017, 1036).


    AG Norderstedt, Beschl. v. 6. 6. 2017 - 65 IK 29/17

  • Eine Schlechterstellung der Gläubiger ist anhand der nach den Planberechnungen zu erwartenden Auszahlungsquoten auch in Bezug auf die Ausfallforderungen konkret und nachvollziehbar zu belegen. Der Antragsteller hat die Schlechterstellung spätestens im Abstimmungstermin glaubhaft zu machen.

    Ein dem Schuldner zufließender wirtschaftlicher Wert kann auf verschiedene Weise neutralisiert werden, insbesondere durch Leistung gleichwertiger Eigenbeiträge, zu denen ohne den Plan keine Verpflichtung besteht. Ein solcher Eigenbeitrag kann auch in der im Wege der Eigenverwaltung vorgenommenen Fortführung aller Apothekenstandorte sowie des Zytostatikalabors bis zum im Plan vorgesehenen Verkauf durch den Schuldner gesehen werden, da nur durch die Fortführung nennenswerte Wertverluste vermieden werden können.


    AG Osnabrück, Beschl. v. 12. 7. 2017 - 38 IN 25/15

  • Die Haftung des Organs für masseverkürzende Leistungen nach § 64 Satz 1 GmbHG kann nur dann entfallen, wenn der Gesellschaft ein dem Gläubigerzugriff unterliegender Vermögenswert zufließt.

    Insbesondere Zahlungen, mit denen Arbeitsleistungen abgegolten werden, sind masseschmälernde Zahlungen i.S.d. § 64 Satz 1 GmbHG (entgegen OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2015, 6 U 169/14).


    OLG München, Beschl. v. 22. 6. 2017 - 23 U 3769/16

  • Registrierte Inkassounternehmen sind gemäß §§ 305 Abs. 4 Satz 2, 174 Abs. 1 Satz 3 InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 befugt, Insolvenzgläubiger im Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung zu vertreten.

    AG Hannover, Beschl. v. 10. 7. 2017 - 909 IK 1129/14 - 5

  • BGH vom 22.06.2017, IX ZB 65/15, ohne Leitsatz:

    Der Rückfluss von gezahlten Anwalts- und Gerichtskostenvorschüssen an die Masse stellt keine berechnungsmasserelevante Einnahme dar, sondern ist eine Verminderung der Ausgaben.

    Der Aufwand, der dem Verwalter im Zusammenhang mit den vom Insolvenzgericht ergriffenen Aufsichtsmaßnahmen entstanden ist führt regelmäßig nicht zu einer Erhöhung seiner Vergütung.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Beschluss vom 20. Juli 2017 - IX ZB 63/16

    Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rentenberechtigten im Inland ist die Frage, ob eine ausländische Rente pfändbar ist und damit zur Masse gehört, nach dem (deutschen) Insolvenzstatut zu beurteilen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 - IX ZR 310/14


    Dem Insolvenzverwalter steht bei der Frage, zu welchem Zeitpunkt er die (drohende) Masseunzulänglichkeit anzeigt, ein weiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu. Dessen Einhaltung kann das Gericht des Haftungsprozesses umfassend nachprüfen.

    Die vom Insolvenzverwalter bei der Anzeige der Masseunzulänglichkeit berücksichtigte voraussichtliche Verwaltervergütung kann das Gericht des Haftungsprozesses daraufhin überprüfen, ob der Insolvenzverwalter den ihm dabei zuzugestehenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die Firma einer schuldnerischen Kapitalgesellschaft kann nur durch Änderung der entsprechenden Bestimmung in der Satzung/dem Gesellschaftsvertrag unter Beachtung der gesellschaftsrechtlich zu beachtenden Form beschlossen werden. Zu einer dementsprechenden Beschlussfassung ist der Insolvenzverwalter befugt.

    KG, Beschl. v. 6. 7. 2017 - 22 W 47/17 (nicht rechtskräftig)

  • Eine dem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung (§ 301 InsO) kann der Anfechtungsgegner der Gläubigeranfechtung gemäß § 767 Abs. 1 und 2 ZPO entgegenhalten, wenn der Gläubiger die Anfechtungsklage erst nach Aufhebung des Regelinsolvenzverfahrens erhoben hat und die Anfechtung Rechtshandlungen betrifft, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind (Abgrenzung zu BGH, 12.11.2015 - IX ZR 301/14, ZInsO 2015, 2531).

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 1. 6. 2017 - I-12 U 41/16

  • Zahlungen des Schuldners an den Steuerberater, die den gesetzlichen Gebührenrahmen überschreiten, stellen eine teilweise inkongruente Deckung dar, wenn die getroffene Gebührenvereinbarung formunwirksam ist. Die teilweise Inkongruenz führt grundsätzlich dazu, dass die Zahlung insgesamt anfechtbar ist. Eine Beschränkung der Anfechtung auf den nicht angemessenen Teil der Vergütung kommt nur in Betracht, wenn im Übrigen eine werthaltige Leistung unter den Voraussetzungen eines Bargeschäfts (§ 142 InsO) vergütet wird.

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 11. 5. 2017 - I-12 U 55/16

  • Die Beschwerdefrist des § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO beginnt im Aufhebungsverfahren nach § 124 ZPO mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die früheren Prozessbevollmächtigten der bedürftigen Partei, die diese im Prozesskostenhilfeverfahren vertreten haben. Dass die Entscheidung zeitlich danach (auch) an die Partei selbst förmlich zugestellt wurde, ist für die Fristberechnung unerheblich.

    Zum Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist, wenn die Partei geltend macht, die Fristenverwaltung und sämtliche technischen Zugriffsmöglichkeiten in der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten seien im Zeitraum um den Ablauf der versäumten Frist herum aufgrund eines Hackerangriffs auf deren Computer lahmgelegt gewesen.


    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6. 2. 2017 - I-12 W 27/16

  • Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO ist auch zu berücksichtigen, ob die dem Schuldner gegenüber zum Unterhalt berechtigte Person (hier die Ehefrau des Beschwerdeführers) ihrerseits Unterhaltspflichten hat.

    Im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO ist die Unterhaltsverpflichtung der Ehefrau gegenüber ihrem minderjährigen Kind bei der Frage zu berücksichtigen, ob sie über bedarfsdeckendes Einkommen verfügt.


    LG Braunschweig, Beschl. v. 4. 1. 2017 - 6 T 662/16

  • Zur Bewertung von Indizien einer Zahlungsunfähigkeit bei Energielieferungsverträgen.

    Maßgeblich für die Kenntnis des Anfechtungsgegners ist die Gesamtschau aller Umstände, die ihm ein eindeutiges Urteil über die wirtschaftliche Lage des Schuldners ermöglichen. Ergeben die Gesamtumstände zwingend die Zahlungseinstellung des Schuldners, darf sich der Gläubiger dem nicht verschließen (BGH, Urt. v. 20.11.2001 - IX ZR 48/01, ZInsO 2002, 29 Rn. 29). Legen die Tatsachen bei einer Gesamtbetrachtung diesen Schluss jedoch nicht zwingend nahe, fehlt dem Gläubiger die entsprechende Kenntnis. Ob dies der Fall ist, ist im Rahmen einer nach § 286 ZPO vorzunehmenden Gesamtwü̈rdigung zu beurteilen.


    LG Detmold, Urt. v. 26. 4. 2017 - 12 O 251/16

  • Die Berechnung des pfändbaren Einkommens nach § 850e ZPO richtet sich nach dem Nettolohnprinzip. Sozialversicherungsbeiträge und gleichgestellte Beiträge sind insoweit abzuziehen. Beiträge zu privaten Krankenversicherungen sind abzuziehen, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen.

    LG Hamburg, Beschl. v. 5. 7. 2017 - 326 T 90/16

  • Stellt ein Nachlasspfleger Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung des Nachlasses fest, stellt er aber nicht sofort Insolvenzantrag, scheiden sowohl eine Anfechtung gem. § 130 InsO als auch gem. § 133 InsO wegen der an den Nachlasspfleger gezahlten Vergütung aus.

    Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Nachlasspfleger keine außerhalb des Verfahrenszweckes liegenden Ansprüche begründet hat.

    Auch Ansprüche gem. § 826 BGB kommen nicht in Betracht.


    AG Göttingen, Urt. v. 31. 5. 2017 - 21 C 14/16 (nicht rechtskräftig)

  • Die Stundung der Verfahrenskosten ist zu versagen, wenn die wesentlichen am Verfahren teilnehmenden Forderungen nicht von der Restschuldbefreiung erfasst sind, da sie dinglich gesichert sind und den Gläubigern so die abgesonderte Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen nach §§ 49, 52 InsO zusteht.

    AG München, Beschl. v. 3. 5. 2017 - 1504 IK 700/17

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