Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • BGH, Urteil vom 18.11.2014, II ZR 231/13

    a) Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird.

    b) Der als Ausgleich erhaltene Gegenstand muss nicht noch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden sein. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird.

  • BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 - II ZB 20/13

    Der Insolvenzverwalter ist befugt, den mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu beginnenden Geschäftsjahresrhythmus zu ändern. Das kann geschehen durch eine Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister, aber auch durch eine sonstige Mitteilung an das Registergericht.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1.Besondere Umstände i.S.d. § 133 InsO, die zu einer anderenBewertung als einer bestehenden Gläubigerbenachteiligungsabsicht führen können,kommen in den Fällen in Betracht, in denen der Insolvenzschuldner von -ernsthaften und Erfolg versprechenden - Sanierungsmaßnahmen ausgeht, oder indenen der Insolvenzschuldner im Wege eines Bargeschäfts eine kongruenteLeistung Zug-um-Zug oder jedenfalls im Rahmen eines bargeschäftsähnlichenVorgangs eine Zahlung gegen eine zur Fortführung seines Unternehmensunentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinennützt.

    2.Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Gläubiger vor der Wahlsehen, die Geschäftsbeziehungen zu einem in einer Krise befindlichen Unternehmeneinzustellen und damit möglicherweise dieses Unternehmen in die Insolvenz zutreiben mit der Folge, dass sie mit Altverbindlichkeiten in beträchtlicher Höhebis auf die Insolvenzquote ausfallen, oder diese Geschäftsbeziehungenfortzusetzen in der Hoffnung, dass das Unternehmen sich wieder erholt und sieauf diesem Wege doch noch Ausgleich sämtlicher Forderungen erzielen und dieGeschäftsbeziehung mit den verbundenen Gewinnaussichten fortsetzen können.

    3.Eine Vereinbarung des Frachtführers ist mit dem Absender, deroffene (Alt-)Forderungen nicht bezahlen kann, einen vorerst unter Berufung aufdas Frachtführerpfandrecht angehaltenen Transport auszuführen, sofern beiAblieferung des Frachtguts zu realisierende Werklohnforderungen gegen denEmpfänger in entsprechender Höhe an den Frachtführer abgetreten oder dasPfandrecht hierauf erstreckt werden, grds. insolvenzfest.

    OLG Hamburg, Beschl. v. 7. 10. 2014 - 9 U 61/14

  • 1.Das Gericht hat zur Prüfung einer faktischen Geschäftsführungeine Gesamtwürdigung der ausgeübten Tätigkeit des Angeschuldigten vorzunehmen.

    2.Faktischer Geschäftsführer ist derjenige, der dieGeschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmlicheBestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber demformellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest dasdeutliche Übergewicht hat. Ein solches Übergewicht ist jedenfalls dannanzunehmen, wenn die Tätigkeit sechs der acht klassischen Merkmale imKernbereich der Geschäftsführung umfasst und dem formalen Geschäftsführer imVergleich insoweit nur noch untergeordnete Tätigkeitsbereiche verbleiben. Diesschließt jedoch nicht aus, dass auch bei Verwirklichung von weniger als sechsder vorgenannten Merkmale im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung einÜbergewicht angenommen werden kann, insbesondere dann, wenn die zu beurteilendeTätigkeit für die Gesellschaft überragend ist und die Unternehmensentwicklunghierdurch über einen längeren Zeitraum entscheidend geprägt wird.

    3.Die im Wesentlichen alleinverantwortliche Tätigkeit einesAngeschuldigten im Bereich der Lohnbuchhaltung/Buchhaltung/Personal genügthierfür nicht, kann jedoch eine Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen vonArbeitsentgelt (§ 266a StGB) begründen.

    LG Augsburg, Beschl. v. 15. 1. 2014 - 2 Qs 1002/14

  • Für eine Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeitkann sprechen, wenn Verbindlichkeiten des Schuldners über einen längerenZeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden undihm den Umständen nach bewusst ist, dass es noch weitere Gläubiger mit nichterfüllten Ansprüchen gibt.

    LG Fulda, Urt. v. 28. 8. 2014 - 2 O 701/13

  • 1.(Stillschweigende) Genehmigungen der Lastschriftabbuchungensind freiwillige Rechtshandlungen der Schuldnerin i.S.v. § 133 Abs. 1 InsO.

    2.Rücklastschriften und (erneute) Stundungsbitten derSchuldnerin belegen, dass die im Rahmen des Sanierungskonzepts vereinbartenRaten nicht ordnungsgemäß erbracht werden können und sind Indizien für einefortbestehende bzw. wieder eingetretene Zahlungsunfähigkeit.

    3.Für die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz desSchuldners kommt es nicht darauf an, ob der Anfechtungsgegner auch tatsächlichden Schluss aus Umständen der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit zieht;das Können reicht aus.

    4."Branchenspezifische Besonderheiten", die dazuführen sollen, der finanziellen Verfassung der Schuldnerin keine Beachtungschenken zu müssen, sind im Interesse der Gleichbehandlung allerInsolvenzgläubiger nicht zu berücksichtigen.

    LG Hannover, Urt. v. 28. 10. 2014 - 20 O 342/11 (n.rkr.)

  • Das "ernsthafte Einfordern" der Außenstände für sichallein betrachtet, kann nicht die Kenntnis einer drohenden Zahlungsunfähigkeitbzw. einer Gläubigerbenachteiligung belegen, weil ansonsten jeder Gläubiger, derAnsprüche gerichtlich geltend macht (und damit dokumentiert, dass er sie"ernsthaft einfordert") im späteren Insolvenzfall für 10 Jahre eineAnfechtungsmöglichkeit aus § 133 Abs. 1 InsO befürchten müsste.

    LG Mosbach, Urt. v. 28. 3. 2014 - 1 O 5/14

  • 1.Verbindlichkeiten werden nach § 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmender für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet.Für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist dabei auf dieEntgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen.

    2.Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigenInsolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zumForderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, dieder Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht oder bezogen hat, nach §17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und denVorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss desInsolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht.

    BFH, Urt. v. 24. 9. 2014 - V R 48/13

  • Die Bestimmungen der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20.Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit desArbeitgebers in der durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlamentsund des Rates vom 23. September 2002 geänderten Fassung sind dahin auszulegen,dass sie einer nationalen Regelung über den Schutz der Arbeitnehmer beiZahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers wie der im Ausgangsverfahren fraglichenentgegenstehen, wonach ein Drittstaatsangehöriger, der sich in dem betreffendenMitgliedstaat nicht rechtmäßig aufhält, nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist,der Leistungen bei Insolvenz aufgrund u.a. der im Fall der Zahlungsunfähigkeitdes Arbeitgebers nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt verlangen kann,obwohl dieser Drittstaatsangehörige nach dem Zivilrecht dieses Mitgliedstaatsals "Arbeitnehmer" einzustufen ist, der Anspruch auf eine Vergütunghat, die bei den nationalen Gerichten gegen seinen Arbeitgeber eingeklagtwerden kann.

    EuGH, Urt. v. 5. 11. 2014 - C-311/13

  • 1.Hat ein Arbeitnehmer auf der Grundlage einesKonzernsanierungstarifvertrages auflösend bedingt (hier: Insolvenzantrag desArbeitgebers) im Bemessungszeitraum auf Arbeitsentgelt verzichtet und wurdedieser nach Bedingungseintritt nun fällig gewordene Arbeitsentgeltanspruchalleine wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht erfüllt, ist dasArbeitslosengeld auch unter Berücksichtigung der nicht ausgezahltenArbeitsentgeltanteile zu bemessen.

    2.Eine rechtsmissbräuchliche Vergesellschaftung des Verzichtesauf Arbeitsentgelt kann dem nach tariflichen Regelungen zu einem"Konsolidierungsbeitrag" herangezogenen Versicherten nichtentgegengehalten werden.

    LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 22. 8. 2014 - L 8 AL 2833/13

  • 1.Der Wirksamkeit einer Erbausschlagung steht entgegen, dassdiese gem. § 1943 BGB nach der Annahme der Erbschaft erfolgt ist.

    2.Da die Rechtsfolgen der Annahme auf die Nachlassbeteiligtenausgerichtet sind, die sich auf die endgültige Erbenstellung verlassen können,entspricht es dem Zweck der Vorschrift, eine bindende Annahmeerklärung grds.nur dann zu bejahen, wenn die Erklärung gegenüber einem Nachlassbeteiligtenabgegeben wurde.

    OLG Köln, Beschl. v. 19. 8. 2014 - 2 Wx 213/14

  • Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgebrachte Pfändung des erst nach Aufhebung des Verfahrens entstehenden Anspruchs des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Direktversicherung im Sinne des § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG insolvenzfest ist.

    BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - IX ZB 69/12

  • Die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach den Regelsätzen verletzt trotz der Geldentwertung seit dem Inkrafttreten der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung im Jahr 1999 derzeit noch nicht den Anspruch des Verwalters auf eine seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit angemessene Vergütung.
    BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - IX ZB 60/13

  • BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - IX ZB 60/13

    Die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach den Regelsätzen verletzt trotz der Geldentwertung seit dem Inkrafttreten der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung im Jahr 1999 derzeit noch nicht den Anspruch des Verwalters auf eine seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit angemessene Vergütung.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1.Eine haftungsrechtliche Zurechnung des Schadens, den einGesellschafter-Geschäftsführer dadurch erleidet, dass er sich durch einKonglomerat von Klagen, Strafanzeigen und sonstigen Vorwürfen veranlasst sieht,seine GmbH-Geschäftsanteile zu verkaufen ist zu verneinen, wenn der Verkauf aufeiner autonomen Entscheidung beruht.

    2.Der Verjährungsbeginn hängt von der Anspruchsentstehung ab.Sie ist gegeben soweit der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden kann.Bei Schadensersatzansprüchen reicht die Möglichkeit zur Geltendmachung einesersten Teilbetrags aus, ohne dass es auf den Schadenshergang insgesamt ankommt.

    OLG Koblenz, Urt. v. 8. 1. 2014 - 5 U 269/13

  • 1.Bei der Beurteilung der Frage,ob der Kläger den Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen durch seineTätigkeit in den gem. § 5 Abs. 1 lit. g Nr. 1 und 3 FAO gefordertenrechtsförmlichen Verfahren nachgewiesen hat, kommt es auf den gesamtenStreitstoff bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung an.

    2.Lässt sich trotzaussagekräftiger Fallbeschreibung nicht abschließend beurteilen, ob sich diebearbeitete Rechtssache vom Durchschnittsfall unterscheidet, ist sie alsdurchschnittliche Angelegenheit einzuordnen und mit dem Faktor 1 zu bewerten.

    AnwGH Sachsen, Urt. v. 27. 6.2014 - AGH 9/13 (l)

  • 1.Die Eignungsprüfung dient im System der VOB/A beiöffentlicher Ausschreibung bzw. beim offenen Verfahren dazu, die Unternehmen zuermitteln, die zur Erbringung der konkret nachgefragten Bauleistung nach Fachkunde,Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit generell in Betracht kommen.

    2.Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen derEröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Bieters stehtdessen Ausschluss vom Wettbewerb im Ermessen des Auftraggebers - denn gem. § 16EG Abs. 1 Nr. 2 lit. a VOB/A "kann" ein Angebot ausgeschlossenwerden, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

    3.Der öffentliche Auftraggeber hat dabei in jedem Einzelfall zuüberprüfen, ob das von der Insolvenz betroffene Unternehmen genügendfachkundig, leistungsfähig und zuverlässig - also geeignet - ist, d.h., es istzu prüfen, ob der Bieter mit seiner personellen, sachlichen und finanziellenAusstattung die Gewähr für eine fachgerechte und reibungslose Abwicklung desAuftrags bietet und ob man sich auf ihn verlassen kann.

    4.Es obliegt dem Bieter, dem Auftraggeber alle notwendigenInformationen - aktuell und aussagekräftig - zukommen zu lassen, insbesondere,wenn dieser zu erkennen gibt, dass er die Leistungsfähigkeit des Bietersernsthaft in Zweifel zieht. Liegt aus ggf. nachvollziehbaren Gründen keinInsolvenzplan vor, ist die Antragstellerin umso mehr gehalten, konkretesZahlen- und Tatsachenmaterial beizubringen, um der Auftraggeberin einePrognoseentscheidung für den Leistungszeitraum zu ermöglichen.

    VK Brandenburg, Beschl. v. 19. 12. 2013 - VK 23/13

  • Die sofortige Beschwerde gegen die Bestätigung desInsolvenzplans ist seit dem 1.3.2012 nur zulässig, wenn der Beschwerdeführerdem Plan spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokollwidersprochen hat (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 InsO), gegen den Plan gestimmt hat (§ 253Abs. 2 Nr. 2 InsO) und glaubhaft macht, dass er durch den Plan wesentlichschlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde, und dieser Nachteilnicht durch eine Zahlung aus den in § 251 Abs. 3 InsO genannten Mittelnausgeglichen werden kann (§ 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO).

    LG Bonn, Beschl. v. 10. 7. 2014 - 6 T 178/14

  • Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen "schwachen"Insolvenzverwalter durch Einzelermächtigungsbeschluss ermächtigen, Steueraktenund deren Anlagen beim zuständigen Finanzamt der Schuldnerin im Rahmen vonErmittlungen gem. § 5 InsO einzusehen und die diesbezüglichen Rechte derSchuldnerin aus dem Steuerverhältnis geltend zu machen.

    LG Hamburg, Beschl. v. 9. 12. 2014 - 326 T 149/14

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!