Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Die grundsätzliche Bindung des Insolvenzverwalters an eine vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossene Schiedsabrede gilt nicht, soweit es um Rechte des Insolvenzverwalters geht, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Schuldner abgeschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der InsO beruhen; zu diesen selbstständigen, der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogenen Rechten gehört auch das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO.

    Für eine analoge Anwendung des § 103 InsO, die bei Rü̈ckgewährschuldverhältnissen diskutiert wird, sieht der Senat keinen Anlass, da es nicht um vertragliche Pflichten geht.

    Nicht jeder Widerspruch der Entscheidung eines Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts stellt einen Verstoß gegen den ordre public dar.


    OLG Köln, Beschl. v. 23. 9. 2016 - 19 Sch 9/16

  • Durfte die Gläubigerin darauf vertrauen, dass die Schuldnerin einen ernsthaften Sanierungsversuch unternahm, so war das Handeln der Schuldnerin deshalb nicht auf eine Gläubigerbenachteiligung gerichtet, sondern von dem redlichen Bestreben geprägt, die Insolvenz abzuwenden und die Lieferanten als Gläubiger im Vergleichswege zu befriedigen.

    AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 5. 12. 2013 - 814 C 206/11

  • Nachrangige Insolvenzforderungen können erst dann angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht dazu ausdrücklich auffordert; vgl. § 174 Abs. 3 InsO. In der Regel erfolgt dies dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung über die Aufforderung veröffentlicht (§§ 9, 30 InsO) und durch den Insolvenzverwalter gesondert über § 8 Abs. 3 InsO den nachrangigen Insolvenzgläubigern durch Zustellung bekannt macht.

    Die nachrangigen Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO) können dann die Forderungen unter Bezeichnung der Forderung als nachrangig zur Insolvenztabelle anmelden.

    Das Insolvenzgericht hat im Rahmen des Prüfungstermins nicht nur beurkundende Funktion im Hinblick auf die Aufnahme von Erklärungen zur Insolvenztabelle. Vielmehr obliegt es dem Gericht auch, die Zulässigkeit der Prozesshandlungen zu prüfen. Auch die Forderungsanmeldung stellt insoweit eine verfahrensrechtliche Prozesshandlung des Gläubigers dar. Soweit, wie hier ersichtlich ist, es sich um einen nachrangigen Insolvenzgläubiger handelt, dürfte für das Insolvenzgericht § 174 Abs. 3 InsO beachtlich sein. Auf die Frage, ob der Gläubiger die Forderung bei der Anmeldung als normale oder aber nachrangige Forderung bezeichnet hat, dürfte es im vorliegenden Falle nicht ankommen. Auch entpflichtet die Tatsache, dass der Insolvenzverwalter die Forderung ja bestreiten kann, das Insolvenzgericht nicht von der eigenen Prüfungskompetenz.


    AG Münster, Beschl. v. 10. 8. 2017 - 77 IN 24/17

  • An einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG fehlt es dann, wenn der Alleingesellschafter zugleich als Geschäftsführer der Ein-Personen-Gesellschaft handelt und als solcher seine eigenen, keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses bedürftigen Weisungen ausführt.

    Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist nur dann denkbar, wenn der Geschäftsführer gegen zwingende Stammkapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 33 GmbHG oder gegen § 64 GmbHG verstößt. Entsprechendes gilt, wenn der Geschäftsführer Weisungen zu existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen erteilt oder diesen zustimmt.


    LG München II, Urt. v. 26. 1. 2017 - 3 O 3420/15

  • Die Kosten für ein von dem Insolvenzverwalter zur Vorbereitung eines Insolvenzanfechtungsprozesses eingeholtes Privatgutachten zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Anfechtungszeitraum sind regelmäßig nicht erstattungsfähig.

    OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26. 5. 2017 - 9 W 42/16

  • Fällt ein nicht unwesentlicher Bestandteil der Insolvenztätigkeit wie der Einzug von (Alt-)Forderungen aus Lieferung und Leistung sowie Verwertung von Anlage- und Umlaufvermögen mangels operativer Tätigkeit der Schuldnerin nicht bzw. nur in geringem Umfang an, ist dies in der Gesamtschau bei der Bemessung der Vergütung entsprechend zu berücksichtigen.

    Bei der Prüfung einer im Einzelfall gebotenen Erhöhung der Regelvergütung ist auch die Höhe der Berechnungsgrundlage in die Gesamtwürdigung einzubeziehen.



    LG Münster, Beschl. v. 1. 6. 2017 - 5 T 557/16

  • BGH, Urteil vom 14. September 2017 - IX ZR 261/15

    Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers stellt für sich genommen keinen wichtigen, die Vergütungsansprüche des Unternehmers ausschließenden Grund für die Kündigung eines nach dem Eröffnungsantrag geschlossenen Werklieferungsvertrages dar.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • LG Münster, Beschluss vom 23. August 2017, 5 T 484/17

    Ein Abschlag von 30 % ist bei Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse des Schuldners, einfacher Verwertungstätigkeit und bei geringer Zahl der Gläubiger angemessen.

    (Die Entscheidung beinhaltet leider weder die Anzahl der Gläubiger und die Höhe der Berechnungsmasse/Regelsatz)

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  • BGH, Urteil vom 30. Juni 2017 - V ZR 248/16

    Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass der Sicherungsgeber, der mit dem Sicherungsnehmer eine bestimmte Sicherheit vereinbart hat, einen Austausch dieser Sicherheit gegen eine ihm genehmere verlangen kann (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 3. Februar 2004 - XI ZR 398/02, BGHZ 158, 11).

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  • BGH, Urteil vom 7. September 2017 - IX ZR 71/16

    Der mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragte Rechtsanwalt kann verpflichtet sein, den Mandanten auf die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit freiwilliger Zahlungen des Schuldners und das hiermit verbundene Ausfallrisiko hinzuweisen.


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  • BGH, Urteil vom 14. September 2017 - IX ZR 108/16

    a) Vollstreckt ein Gläubiger aus einem Anerkenntnisurteil, führt das Anerkenntnis durch den Schuldner zu keiner eigenen mitwirkenden Rechtshandlung, wenn die anerkannte Forderung bestand und eingefordert werden konnte und der Schuldner dem Gläubiger durch das Anerkenntnis nicht beschleunigt einen Titel verschaffen wollte.

    b) Vollstreckt ein Gläubiger aus einem Anerkenntnisurteil, das auf einem Vergleich beruht, kann in dem Vergleichsschluss nur dann eine mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners liegen, wenn der Vergleichsinhalt den Bereich verlässt, der bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft sein kann.


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  • BGH, Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 40/17

    a) Eine durch Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erlangte Sicherung führt zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des Vermögensgegenstandes. Verstrickung tritt auch ein bei einer während der Dauer des Insolvenzverfahrens durchgeführten Zwangsvollstreckung.

    b) Die Wirkungen der Verstrickung dauern im Insolvenzverfahren fort, bis sie auf einem dafür vorgesehenen Weg beseitigt worden sind.

    c) Der Drittschuldner kann sich gegenüber dem Auszahlungsverlangen des Insolvenzverwalters damit verteidigen, dass die Verstrickung der Vermögenswerte fortbesteht.

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    Einmal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (11. Oktober 2017 um 10:50)

  • BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - IX ZB 84/16

    Im Beschwerdeverfahren ist die Kammer nicht befugt, selbst über die Übertragung eines in die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters fallenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

    a) Verwertet der Insolvenzverwalter ein lastenfreies Grundstück freihändig, kommt ein Zuschlag nur in Betracht, wenn die Verwertungstätigkeit über die üblichen mit der Veräußerung eines Grundstücks verbundenen Tätigkeiten in erheblichem Maß hinausgeht.

    b) Ein Zuschlag für Erschwernisse bei der Informationsbeschaffung kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn die Informationsbeschaffung beim Schuldner dadurch erheblich erschwert wird, dass die bisherigen Organe des Schuldners ausgeschieden und von ihnen keine Informationen mehr zu erhalten sind, der neue Geschäftsführer keine Kenntnisse hat, auf Kenntnisse der Beschäftigten nicht zurückgegriffen werden kann und eine ausreichende Information anhand der Geschäftsunterlagen nicht möglich ist.

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  • BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - IX ZB 28/14

    Der vorläufige Insolvenzverwalter verwirkt seinen Vergütungsanspruch in der Regel nicht durch Pflichtverletzungen, die er als Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren begeht.

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  • Hat ein Rechtsanwalt nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit als Altmassegläubiger die Aufnahme einer Honorarforderung in die Masseschuldliste erfolgreich bewirkt, ist deren Verjährung analog §§ 205, 206 BGB gehemmt. Denn (nur) so lässt sich nicht nur ein ansonsten unvermeidbarer und masseschmälernder gerichtlicher Rechtsstreit zur Feststellung der Verjährungshemmung verhindern, sondern es entfällt zudem auch die praxisferne und als verfahrensunökonomisch wirkende Verpflichtung des Gläubigers, anderenfalls den Insolvenzverwalter periodisch immer wieder neu um einen Verzicht auf die Verjährungseinrede bitten zu müssen.

    Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit und die Aufnahme der Altmasseforderung in die Masseschuldliste bewirken die Hemmung der Verjährung in analoger Anwendung von §§ 205, 206 BGB.


    OLG Düsseldorf, Urt. v. 25. 4. 2017 - I-24 U 104/16

  • Durchsuchungen bei einem Berufsgeheimnisträger, der selbst keiner Straftat verdächtig ist, sind zulässig; der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet jedoch, in jedem Verfahrensstadium das jeweils schonendste Mittel anzuwenden.

    Buchführungsunterlagen des Beschuldigten, die sich im Büro des Steuerberaters befinden, unterliegen grds. der Beschlagnahme, wobei offenbleiben kann, ob die Unterlagen beschlagnahmefrei sind, wenn und soweit sie vom Steuerberater noch zur auftragsgemäßen Bearbeitung benötigt werden.


    LG Halle, Beschl. v. 7. 6. 2017 - 2 Qs 1/2017, 2 Qs 2/2017

  • § 93 InsO legitimiert den Insolvenzverwalter nicht, Verwaltungsaufgaben der Steuerverwaltung im Rahmen des § 191 AO im eigenen Namen wahrzunehmen, wenn der Schuldner in die Insolvenz geraten ist. Mangels entsprechender Beleihung ist er deshalb auch nicht befugt, anstelle der Gemeinde als öffentlich-rechtliche Steuergläubigerin, fällige Gewerbesteuern gegenüber einem Dritten mittels Haftungsinanspruchnahme nach § 191 AO gerichtlich geltend zu machen.

    VG Dresden, Urt. v. 13. 6. 2017 - 2 K 1455/15

  • Ein (neues) Insolvenzereignis im Sinne des SGB III tritt nicht ein und löst folglich keinen Anspruch auf Insolvenzgeld aus, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit desselben Arbeitgebers noch andauert.

    Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere Lohnansprüche, befriedigt. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr solange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt.

    Allenfalls bei einem Wechsel des Arbeitgebers während des Sanierungsverfahrens kann es - wegen der rechtlichen Bezogenheit des Eintritts eines Insolvenzereignisses auf den jeweiligen Arbeitgeber - gerechtfertigt sein, von einem anderen Insolvenzereignis i. S. der §§ 165 ff. SGB III auch unbesehen von einer zwischenzeitlich erneut erlangte Zahlungsunfähigkeit auszugehen.

    Dagegen ist das Erfordernis einer tatsächlichen Behebung der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nach einem ersten Insolvenzverfahren nicht schon dann entbehrlich bzw. verzichtbar, wenn nach dortiger Freigabe des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit sich ein neues (zweites) Insolvenzverfahren daran kurzfristig anschließt. Denn (allein) aus der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 InsO folgt nicht bereits aus Gründen des Insolvenzrechts die zwingende Vermutung auch des Wiedereintritts der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers im Sinne der Regelung nach dem SGB III. Denn aus Sicht des Insolvenzverwalters erfolgt eine Freigabe erst nach einer Gesamtschau und Abwägung aller Faktoren und ist damit auch ergebnisoffen darin, ob die Zahlungsfähigkeit bei Fortführung der selbständigen Tätigkeit wiederhergestellt wird.

    Ein etwaiges Vertrauen des Arbeitnehmers auf Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit - auch soweit es sich auf eine bestimmte Gestaltung im Insolvenzverfahren bezieht, kann nur im Rahmen des § 165 Abs. 3 berücksichtigt werden.

    Die Auslegung und Anwendung des § 165 Abs. 1 SGB III verstößt nicht gegen die Vorgaben des europäischen Rechts.


    BSG, Urt. v. 9. 7. 2016 - B 11 AL 14/16 R

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