Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils von fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen.

    Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung wirkt grds. fort. Sie kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass der Schuldner seine Zahlungen allgemein wieder aufnimmt. Daran fehlt es hier.

    Bereits die Zahlungseinstellung rechtfertigt die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit und auch die Vermutung einer Kenntnis der Gläubigerin hiervon. In solchen Fällen ist ein ergänzender Gesamtüberblick über die finanzielle Lage nicht erforderlich.

    Bloße Sanierungsbemühungen in Form von nicht näher konkretisierten Kreditverhandlungen mit einer Bank über einen Kredit i.H.v. 300.000 € sind nicht geeignet, der Gläubigerin eine Kenntnis von einem Sanierungskonzept zu vermitteln.


    OLG Jena, Urt. v. 22. 6. 2016 - 7 U 843/15

  • Die zur Erfüllungswirkung einzuhaltenden Zahlungsmodalitäten sind für Leistungen auf die Resteinlageschuld zwar nicht in gleich strenger Weise vorgeschrieben wie für die Mindesteinzahlungen im Gründungsstadium. Gewisse Grundvoraussetzungen eines vollwertigen, unbeschränkten und definitiven Vermögenszuflusses an die Gesellschaft sind aber auch hier anerkannt, anderenfalls bewirkt die Leistung keine Erfüllung der Einlageschuld. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zahlung in bar an einen in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Geschäftsführer erfolgt ist.

    OLG München, Endurt. v. 12. 10. 2016 - 7 U 1983/16

  • Vermischt der Geschäftsführer einer GmbH Privatvermögen und Gesellschaftsvermögen vollständig miteinander, so kann sich der Schuldner in der Einzelzwangsvollstreckung nicht auf die Haftungstrennung berufen, da für diesen Fall der Vermischung das gesamte vermischte Vermögen haftendes Vermögen der GmbH ist. Minderungen dieser Haftungsmasse sind daher für den Fall der Insolvenz auch stets als Gläubigerbenachteiligung zu subsumieren.

    LG Lübeck, Urt. v. 26. 5. 2017 - 2 O 249/15

  • Ein Schuldner, der im Eröffnungsverfahren trotz ausdrücklicher gerichtlicher Belehrung keinen Restschuldbefreiungsantrag nebst Eigenantrag stellt und in diesem Verfahrensstadium (wie auch später im eröffneten Verfahren) nicht ausreichend mitwirkt, kann nicht auf dem Umweg über einen "Drittmittel-Insolvenzplan" mit überschaubarer Quotenerhöhung eine Restschuldbefreiung noch erreichen.

    Die Vergleichsrechnung eines Insolvenzplanes im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Person hat deren Werdegang und Schulausbildung darzustellen und hat die langfristigen Erwerbschancen des Schuldners, und damit die Vollstreckungschancen der Gläubiger nach Abschluss eines Regelinsolvenzverfahrens, auch dann zu erörtern, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Planeinreichung wegen einer längeren, aber per Attest als überwindbar eingestuften, Krankheit nicht erwerbstätig sein kann.


    AG Hamburg, Beschl. v. 24. 5. 2017 - 67c IN 164/15 (nicht rechtskräftig)

  • Zu den Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis angenommen werden kann, wenn das Finanzamt auf eine Aufforderung des Insolvenzverwalters erklärt, "den in anfechtbarer Weise erhaltenen Betrag" zur Erstattung angewiesen zu haben.

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. 10. 2016 - I-12 U 74/15

  • Beim Vertrag zugunsten Dritter ist für die Frage der Entgeltlichkeit der Leistung an den Dritten allein auf das Deckungsverhältnis zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger abzustellen, weil dem Dritten von vorneherein ein eigener Anspruch gegen den Versprechenden eingeräumt wird. Dieser kann nur einheitlich als entgeltlich qualifiziert werden, wenn Versprechensempfänger und Dritter hinsichtlich der Leistung Gesamtberechtigte gemäß § 428 BGB sind.

    OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. 10. 2016 - I-12 U 2/16

  • Die rechtskräftige Verurteilung wegen einer in § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG aufgeführten Katalogtat führt von Rechts wegen zum sofortigen Verlust des Amts als Geschäftsführer, weshalb eine Eintragung im Handelsregister lediglich deklaratorischen Charakter hat.

    Die Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung entfällt, wenn die formelle Geschäftsführerstellung endet, und der Täter auch nicht faktischer Geschäftsführer ist.


    LG Halle (Saale), Urt. v. 10. 5. 2017 - 2a Ns 2/17

  • Bezieht sich das antragstellende Finanzamt zur Glaubhaftmachung seiner Forderungen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO auf einen vollziehbaren Steuerbescheid, so reicht es zur Gegenglaubhaftmachung nicht aus, wenn die Schuldnerin vorträgt, der Steuerbescheid sei zu Unrecht ergangen, weil er auf willkürlicher Schätzung beruhe.

    Wird der zulässige Eröffnungsantrag des Finanzamtes nach Zahlung der Steuerrückstände übereinstimmend für erledigt erklärt, sind die Kosten des Verfahrens gem. § 4 InsO i.V.m. § 91a ZPO der Schuldnerin unabhängig vom Ausgang eines finanzgerichtlichen Verfahrens jedenfalls dann aufzuerlegen, wenn die Schuldnerin bis zur Zahlung des Steuerrückstandes im finanzbehördlichen Verfahren unterlegen ist und sie vor dem Finanzgericht keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehbarkeit des antragsgegenständlichen Steuerbescheides gestellt hat.


    AG Köln, Beschl. v. 2. 5. 2017 - 72 IN 344/16

  • Im darstellenden Teil eines Insolvenzplanes bzgl. einer natürlichen Person sind aussagekräftige Angaben zur beruflichen Tätigkeit des Schuldners erforderlich.

    Behauptet der Schuldner selbständig tätig zu sein und einen Vergleichsbetrag nach § 35 Abs. 2 i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO nicht abführen zu müssen, weil er gesundheitlich nicht in der Lage sei, einer unselbständigen Tätigkeit nachzugehen, so hat er Art und Umfang seiner behaupteten selbständigen Tätigkeit substantiiert im darstellenden Teil des Plans darzulegen.

    In diesem Zusammenhang spricht es gegen eine behauptete einzelunternehmerische selbständige Tätigkeit des Schuldners, wenn

    der Schuldner nicht unter einer festen Firma bzw. Bezeichnung tätig ist;

    der Schuldner gegenüber dem Insolvenzverwalter für sein Unternehmen dieselbe Bezeichnung angegeben hat, unter der seine frühere Ehefrau seit vielen Jahren ihr Unternehmen betreibt;

    die Hauptauftraggeberin des Schuldners seine ehemalige Ehefrau ist, die im selben Geschäftsbereich wie der Schuldner tätig ist;

    der Schuldner keinen eigenen Internetauftritt hat, sondern - jedenfalls bislang - in Geschäftsbriefen auf den Internetauftritt seiner ehemaligen Ehefrau verwiesen hat;

    der Schuldner die betriebliche E-Mail-Adresse seiner ehemaligen Ehefrau mitbenutzt, die auch in ihrem Internetauftritt aufgeführt ist, und diese - jedenfalls bislang - auf seinen Geschäftsbriefen angegeben hat;

    er unter dieser E-Mail-Adresse betriebliche E-Mail-Korrespondenz im Namen seiner Exfrau führt.


    AG Köln, Beschl. v. 15. 2. 2017 - 72 IN 594/13

  • Handelt es sich bei dem klageweise geltend gemachten Anspruch um einen solchen aus der Gläubigeranfechtung, so reicht dieser Umstand allein nicht zu der Annahme, der Kläger werde anders als durch die klageweise Verfolgung seines Anspruchs nicht dessen Erfüllung erlangen; vielmehr muss stets am Einzelfall geprüft werden, ob darüber hinaus Umstände vorliegen, die diese Annahme stützen.

    LG Düsseldorf, Urt. v. 26. 3. 2017 - 8 O 470/16

  • BGH IX ZR 111/14

    InsO § 133 Abs. 1 Satz 2

    Setzt ein Gläubiger eine unbestrittene Forderung erfolgreich zwangsweise durch, kann daraus nicht geschlossen werden, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung kannte, wenn der Gläubiger außer dieser Forderung und den von ihm zur zwangsweisen Durchsetzung der Forderung unternommenen erfolgreichen Schritten keine weiteren konkreten Tatsachen über die Zahlungsunfähigkeit oder die Vermögenslage seines Schuldners kennt.

    BGH, Urteil vom 22. Juni 2017 - IX ZR 111/14 - OLG Dresden, LG Chemnitz

  • Versäumt der um Beratung angefragte Rechtsanwalt die Aufklärung über den Umfang des Anspruchs des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Miteigentümers auf Beteiligung der von ihm verwalteten Insolvenzmasse und bewertet die Erfolgsaussichten einer Berufung in Verkennung der rechtlichen Voraussetzungen als ungünstig, so verstößt er gegen die ihm obliegenden anwaltlichen Pflichten und macht sich schadensersatzpflichtig.

    OLG Brandenburg, Urt. v. 29. 3. 2017 - 7 U 57/14

  • Die Grundätze der Rechtsprechung des BVerfG zur Anfechtung der Bestellung zum Insolvenzverwalter sind auch bei der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters nach § 270b InsO anzuwenden und führen zur Unzulässigkeit der Anfechtung einer gerichtlichen Bestellung durch den nicht zum Zuge gekommenen Prätendenten.

    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31. 8. 2016 - I-3 VA 1/15

  • Die in einem Credit Facility Agreement vorgesehene Verwendung von Gesellschaftsvermögen als Grundlage zur Besicherung eines vom Geschäftsführer der Schuldnerin aufgenommenen und u.a. durch eine Mithaft der Alleingesellschafterin besicherten Kredits führt als sog. "Upstream"-Sicherheit zu einem Eingriff in unterfallenden Gesellschaftsressourcen der Schuldnerin und in der Folge auch in deren Vermögenssubstanz (Existenzvernichtung).

    Ein Verstoß gegen die aus der Organstellung resultierenden Pflichten ist sittenwidrig, wenn diese zur Durchsetzung von Gesellschafterinteressen in einer Weise missbraucht wird, die als grobe Missachtung des Mindestmaßes an Loyalität und Rücksichtnahme im Verhältnis zur Gesellschaft zu werten ist.


    OLG Köln, Urt. v. 18. 10. 2016 - 18 U 93/15

  • Während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft findet ein an die Gesellschafterstellung anknüpfendes Wettbewerbsverbot seine Rechtfertigung regelmäßig in dem anzuerkennenden Bestreben der Gesellschaft, dass der Gesellschafter als Ausfluss seiner gesellschaftlichen Treuepflicht den Gesellschaftszweck loyal fördert und Handlungen unterlässt, die seine Erreichung behindern könnten.

    Der Inhalt der Treuepflicht ist abhängig von einer Interessenabwägung zwischen den Eigeninteressen der handelnden Gesellschafter und dem Gesellschaftsinteresse. Die Treuepflicht fordert die Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft. Sie gilt als allgemeine Loyalitäts- und Förderungspflicht.

    Ein Abspringen von Kunden aufgrund von Abwerbeversuchen birgt die ernsthafte Gefahr, dass ein Investor, der die insolente Schuldnerin weiterführen wird, nicht gefunden werden kann.


    LG Saarbrücken, Urt. v. 14. 6. 2017 - 7 O 20/17

  • Ein Anspruch auf Einsicht für den Insolvenzverwalter in die die Insolvenzschuldnerin betreffende Vollstreckungsakte ergibt sich aus keiner der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, nämlich § 1 Abs. 2 HmbTG, § 18 Abs. 1 Satz 1 HmbDSG, § 242 BGB i.V.m. § 143 InsO oder dem steuerrechtlichen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch.

    Der Insolvenzverwalter hat keinen eigenen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch und kann auch nicht aufgrund eines Anspruchsübergangs nach § 80 Abs. 1 InsO über den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners verfügen.

    Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ist aufgrund seiner Höchstpersönlichkeit und seiner Ableitung aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht übertragbar, abtretbar oder vererbbar. Vor diesem Hintergrund kann der Auskunftsanspruch erst recht nicht kraft Gesetzes bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergehen. Denn mit diesem Übergang würde der Insolvenzschuldner die Verfügungsbefugnis über seinen Anspruch verlieren und wäre künftig an einer eigenen Antragstellung gehindert, was dem gesetzlichen Schutzkonzept zuwiderlaufen würde.


    VG Hamburg, Urt. v. 22. 2. 2017 - 17 K 1336/15

  • Der Schuldner in der Eigenverwaltung ist nicht befugt, einen Antrag auf Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung zu stellen.

    Das Insolvenzgericht darf nur dann auf Antrag den Beschluss der Gläubigerversammlung, den Betrieb des Schuldners einzustellen, aufheben, wenn eine ordnungsgemäße Fortführungsplanung eindeutig bessere Quotenaussichten durch die Betriebsfortführung ergibt

    BGH, Beschluss vom 22. Juni 2017 - IX ZB 82/16 -

  • InsO § 155 Abs. 2 Satz 1

    Die Entscheidung des Insolvenzverwalters, zum satzungsmäßigen Geschäftsjahr der Gesellschaft zurückzukehren, muss durch eine Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister oder durch eine sonstige Mitteilung an das Registergericht jedenfalls noch während des ersten laufenden Geschäftsjahrs nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach außen erkennbar werden (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – II ZB 20/13, ZIP 2015, 88 Rn. 13).

    BGH, Beschluss vom 21. 2. 2017 – II ZB 16/15

    NZI 2017, 630 mit Anm. von Wilcken

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