Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Eine Auszahlung an den Gesellschafter ist auch dann zu bejahen, wenn die Leistung an einen Dritten eine Zuwendung an den Gesellschafter enthält (z.B. Zahlung auf oder Sicherheitenbestellung für eine Schuld des Gesellschafters) oder die Leistung an den Dritten auf Veranlassung des Gesellschafters erfolgte und durch dessen Eigeninteresse motiviert war. In diesen Fällen haftet, sofern das Stammkapital tangiert wird, der Gesellschafter nach § 31 Abs. 1 GmbHG.

    Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist der Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens oder der Forderung aus einer wirtschaftlich entsprechenden Rechtshandlung mit seinem Rückforderungsanspruch in der Insolvenz nachrangiger Insolvenzgläubiger. Vorherige Auszahlungen in der Krise oder nach Antragstellung auf Insolvenzeröffnung sind gem. § 135 InsO anfechtbar. Dies bewirkt, weil es um bloße Nachrangforderungen geht, zugleich eine Aufrechnungssperre.


    OLG Düsseldorf, Urt. v. 21. 10. 2016 - I-16 U 178/15

  • Die Feststellung des Jahresabschlusses hat die Bedeutung einer Verbindlicherklärung der Bilanz jedenfalls im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und auch untereinander. Typischer Inhalt einer solchen korporativen Abrede ist auch der Ausschluss bekannter oder mindestens für möglich gehaltener Einwendungen gegenüber bilanzierten Gesellschafterverbindlichkeiten im Sinne eines deklaratorischen Anerkenntnisses.

    LG Landshut, Endurt. v. 7. 10. 2016 - 51 O 2593/15

  • BGH, Urteil vom 8. September 2016 - IX ZR 151/14

    a) Sind dem Anfechtungsgegner Umstände bekannt, die mit auffallender Deutlichkeit dafür sprechen und deren Kenntnis auch einem Empfänger mit durchschnittlichem Erkenntnisvermögen ohne gründliche Überlegung die Annahme nahe legt, dass die Befriedigung der Gläubiger infolge der Freigiebigkeit verkürzt ist, muss er den Umständen nach wissen, dass die empfangene Leistung die Gläubiger benachteiligt.

    b) Die Kenntnis des Anfechtungsgegners muss sich über die Zugehörigkeit der emp-fangenen unentgeltlichen Leistung zu der den Gläubigern haftenden Vermögensmasse hinaus nicht auf weitere Umstände erstrecken.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der Anspruch auf Ersatz von Abbruchkosten entsteht jedenfalls dem Grunde nach bereits mit dem Brandereignis (Anschluss an BGH19.6.2013 - IV ZR 228/12).

    Die Freigabe eines bebauten Grundstücks durch den Insolvenzverwalter umfasst auch die konkludente Freigabe von Ansprüchen auf Ersatz von Abbruchkosten aus einer Gebäude-Feuerversicherung für das auf dem Grundstück befindliche Gebäude.


    OLG Braunschweig, Urt. v. 24. 8. 2016 - 3 U 44/15

  • Mutwillig im Sinne des § 114 Abs.1 Satz 1 ZPO ist die beabsichtigte Klage eines Insolvenzverwalters, die für die Masse keinen Ertrag verspricht. Das ist z.B. der Fall, wenn sich die beabsichtigte Klage gegen eine Person richtet, die derzeit weder pfändbares Vermögen noch pfändbare Einkünfte hat und bei der aufgrund ihrer persönlichen Umstände - hier: Bezug von Altersrente - mit einer Änderung dieser wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr gerechnet werden kann.

    LG München I, Beschl. v. 28. 12.2015 - 6 O 13728/15

  • Ist zu befürchten, dass Vermögenswerte unter Verstoß gegen ein erlassenes Verfügungsverbot übertragen oder im Hinblick auf das Insolvenzverfahren auf andere Personen verlagert werden bzw. wurden und/oder sind nachteilige Rechtshandlungen des Schuldners aufzuklären oder künftige zu unterbinden, so rechtfertigt dies die Anordnung einer Postsperre bereits im Eröffnungsverfahren. Für diesen Fall ist die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters erforderlich um die Postsperre umsetzen zu können.

    AG Ludwigshafen, Beschl. v. 9. 5. 2016 - 3d IN 36/16

  • Die Erteilung der Restschuldbefreiung wirkt faktisch ähnlich wie ein Forderungsverzicht der Gläubiger und führt bei einem Schuldner, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Geschäftsbetrieb geführt hat, hinsichtlich der zum Betrieb gehörenden Verbindlichkeiten zu einer Betriebsvermögensmehrung, die grds. einen außerordentlichen Ertrag darstellt.

    Auch wenn die Restschuldbefreiung zu einem Wegfall der Belastung durch die entsprechenden betrieblichen Verbindlichkeiten führt, entsteht der Gewinn für den Fall einer Betriebsaufgabe bereits vor der Insolvenzeröffnung steuerrechtlich nicht im Jahr der Restschuldbefreiung, sondern ist dem Jahr zuzurechnen, in dem der Betrieb i.S.d. § 16 EStG 2002 aufgegeben worden ist.

    FG Münster, Urt. v. 21. 7. 2016 -9 K 3457/15 E, F

  • Hat ein Gläubiger dem Insolvenzplan weder bis zum Abstimmungstermin noch in diesem Termin widersprochen, so ist die Geltendmachung der Schlechterstellung nach dem Abstimmungstermin unzulässig. Zur Glaubhaftmachung einer Schlechterstellung reicht die bloße pauschale Behauptung über eine künftig mögliche berufliche Tätigkeit des Schuldners nicht aus, vielmehr ist eine behauptete Schlechterstellung konkret darzulegen.

    AG Berlin-Lichtenberg, Beschl. v. 1. 9. 2015 - 39 IK 19/15

  • BGH, Urteil vom 10. November 2016 - IX ZR 119/14

    Ob ein für die Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung sprechendes auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar besteht, hängt davon ab, welche Vergütung nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandats geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit marktangemessen und adäquat ist. Die gesetzlichen Gebühren stellen hierbei ein Indiz dar.

    Die tatsächliche Vermutung, dass ein Honorar unangemessen hoch ist, welches die gesetzlichen Gebühren um mehr als das 5-fache übersteigt, gilt auch für zivil-rechtliche Streitigkeiten. Der Anwalt kann die Vermutung entkräften.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 17. November 2016 - IX ZR 65/15

    Zur Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers für die Wiederaufnahme der Zahlungen nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit. (Zur Branchenüblichkeit von sich änderenden Zahlungsbedingungen).


    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Landgericht Potsdam vom 14.09.2016, 7 S 72/16, ohne Leitsatz

    Gesellschafterdarlehen ist seit Inkrafttreten des MoMiG auch ohne "Krise" der Nachrang nach § 39 I Nr. 5 InsO zugewiesen, so dass im Falle der Gesellschafterinsolvenz und der Umdeutung durch "Stehenlassen" der Ansprüche in eine anfechtbare Rechtshandlung mit nachfolgender Einordnung als gewöhnlicher Insolvenzgläubiger (BGH vom 02.04.2009, IX ZR 236/07) kein Raum mehr verbleibt.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch verdrängt grds. die außerhalb der Insolvenz geltenden Regelungen etwa im Steuer- oder Abgabenrecht.

    Die Anfechtung ist nur möglich, wenn die Rechtshandlung die Gläubigerbenachteiligung herbeigeführt hat. Vorausgesetzt wird dabei aberlediglich ein ursächlicher Zusammenhang im natürlichen Sinne: Wird die Rechtshandlung hinweggedacht, so müsste ein entäußertes Vermögensobjekt noch uneingeschränkt den Insolvenzgläubigern haften, oder diese müssten mit einer geringeren Schuldsumme belastet sein.

    Eine im Insolvenzrecht unerhebliche Zahlungsunwilligkeit liegt nur vor, wenn gleichzeitig Zahlungsfähigkeit gegeben ist. Ist es zu einer Zahlungseinstellung gekommen, so wird gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet, dass dem nicht lediglich Zahlungsunwilligkeit, sondern Zahlungsunfähigkeit zugrunde liegt.


    OLG Hamburg, Urt. v. 7. 10. 2016 - 1 U 292/15

  • Auch verschleiertes Arbeitseinkommen i.S.v. § 850h Abs. 2 ZPO gehört in Höhe des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zur Insolvenzmasse. Gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ist u.a. § 850h Abs. 2 ZPO entsprechend anwendbar. Damit wird die Masse zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger um den pfändbaren Teil des verschleierten Arbeitseinkommens erweitert.

    Gerade bei Drittschuldnerklagen ist ein substanziiertes Bestreiten zu verlangen, denn der Drittschuldner kennt die Umstände der Beschäftigung des Schuldners; aufgrund Sachnähe sind deshalb an sein Bestreiten erhebliche Anforderungen zu stellen.


    LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2. 6. 2016 - 5 Sa 519/15

  • Der die Einsicht in Steuerakten begehrende Insolvenzverwalter ist im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger tätig, zu deren Gunsten Zahlungen des Insolvenzschuldners im Wege der Anfechtung zur Insolvenzmasse gezogen werden sollen; dabei handelt es sich um ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten.

    Der Anspruch auf Akteneinsicht nach den Informationsgesetzen der Länder wurzelt nicht im Abgabenverhältnis, sondern steht eigenständig neben verwaltungsverfahrensrechtlichen Akteneinsichtsansprüchen und somit auch nebeneinem derartigen - ggf. ungeschriebenen - Anspruch auf der Grundlage der AO.


    VG Stade, Beschl. v. 22. 9. 2016 - 1 A 2323/15

  • Die höchstpersönliche Beratung des Schuldners kann auch mittels Telefons durch den die Bescheinigung ausstellenden Rechtsanwalt als geeignete Person erfolgen, wenn dieser die tatsächliche Beratung per Telefon auch selbst erbracht hat. Eine Verpflichtung zur körperlichen Anwesenheit beider Beteiligten ist durch die gesetzliche Regelung nicht gedeckt.

    LG Landshut, Beschl. v. 24. 10. 2016 - 33 T 1670/16

  • Eine isolierte Beratung zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung nachdem diese bereits - von wem auch immer - durchgeführt wurde, ist als "Abschlussbescheinigung" zweckwidrig und degradiert die gesetzlich normierten Voraussetzungen zur bloßen Förmelei, die i.Ü. darauf abzielen,Gefälligkeitsbescheinigungen gerade auszuschließen.

    AG Fürth, Beschl. v. 2. 11. 2016 - IK 607/16

  • BGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 - IX ZR 184/14

    a) Die Auszahlung eines Gesellschafterdarlehens an die Gesellschaft kann in der Insolvenz des Gesellschafters nicht als unentgeltliche Leistung des Gesellschafters angefochten werden.

    b) Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Gesellschafters, welcher der Gesellschaft ein Darlehen gewährt hat, kann dem Nachrangeinwand des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Gesellschaft nicht den Gegeneinwand entgegenhalten, die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens sei als unentgeltliche Leistung anfechtbar.

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  • Für die Frage, ob der Insolvenzverwalter Neumasseverbindlichkeiten i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 209 Abs. 2Nr. 2 InsO dadurch begründet hat, dass er ein Dauerschuldverhältnis nicht zum frühestmöglichen Termin gekündigt hat, kommt es auf den subjektiven Kenntnisstand nicht an. Grds. ist für die Frage der frühesten Kündigungsmöglichkeit die objektive Lage entscheidend.

    Eine Freistellung verhindert lediglich die Rechtsfolge des §209 Abs. 2 Nr. 3 InsO, nicht jedoch die des § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO.


    LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 7. 7. 2016 - 6 Sa 23/16

  • Der Wechsel der Rechtsform einer als Antragsteller im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren handelnden Gesellschaft zwischen Antragstellung und Rücknahme des Antrags ändert nichts an der Anwendung des Grundsatzes, dass die persönliche Kostenpflicht denjenigen trifft, der den Antrag zurücknimmt.

    Der Kostenanspruch entsteht nicht bereits aufschiebend bedingt mit Verfahrensbeginn, sondern aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erst im Zeitpunkt der Rücknahme des Genehmigungsantrags (Art. 11 KG).


    VG Würzburg, Urt. v. 10. 5. 2016 - W 4 K 15.1335

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