Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Die Anforderungen an die nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsOerforderliche Bescheinigung zum Scheitern der außergerichtlichen Einigung sind nur dann erfüllt, wenn der die Bescheinigung ausstellende Rechtsanwalt auch die persönliche Beratung des Schuldners vorgenommen hat. Ist die persönliche Beratung nicht von dem ausstellenden Rechtsanwalt, sondern von einem Mitarbeiter des Rechtsanwalts vorgenommen worden, genügt die Bescheinigung nicht den Anforderungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dies gilt auch für den Fall, dass der Mitarbeiter des Rechtsanwalts weisungsgebunden ist und von dem Rechtsanwalt überwacht wird. Andernfalls würden die in § 3 AGInsO normierten Anerkennungsregularien unterlaufen werden. Eine nach Durchführung der außergerichtlichen Einigung und Antragstellung erfolgte nachträgliche persönliche Beratung des ausstellenden Rechtsanwalts führt nicht zur Heilung des Mangels der Bescheinigung.

    AG Aachen, Beschl. v. 27. 7. 2016 - 92 IK 184/16

  • Dem Interesse eines Insolvenzverwalters auf Einsicht in Ermittlungsakten ist ein vergleichbares Interesse beizumessen wie dem Interesse einer Justizbehörde, da auch er nicht nur im individuellen Interesse sondern auch im Interesse der Rechtspflege tätig ist. Dies gilt auch, wenn es um die Prüfung oder Geltendmachung insolvenzrechtlicher Anfechtungsansprüche gegen den Beschuldigten geht.

    AG Bochum, Beschl. v. 22. 11. 2016 - 64 Gs-35 Js 206/05-3370/16

  • "Prospekthaftung im weiteren Sinne" ist lediglich einer von mehreren Anwenndungsfälle eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft, die erst nach Gründung der Gesellschaft beigetreten und von jedem Einfluss auf künftige Beitrittsverhandlungen ausgeschlossen sind, haften nicht wegen eines solchen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen.

    Die ordnungsgemäße Anmeldung einer Forderung imInsolvenzverfahren setzt die schlüssige Darlegung des Lebenssachverhalts, d.h. des Grundes voraus, aus dem der Gläubiger seinen Zahlungsanspruch herleitet. Gleichwohl ist nicht jede Anmeldung, die zwar einen Forderungsbetrag angibt,der sich zwar dem Grunde nach, nicht aber in der angegebenen Höhe aus dem dargelegten Lebenssachverhalt ergibt, nicht ordnungsgemäß mit der Folge, dass die Feststellungsklage als unzulässig abzuweisen wäre.


    OLG München, Endurt. v. 27. 10. 2016 - 23 U 1596/16

  • Befindet sich ein Betrieb lediglich in "wirtschaftlichen Schwierigkeiten", ist dies nicht gleichbedeutend mit dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Aus bloßen wirtschaftlichen Schwierigkeiten folgt daher auch keine Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags.

    LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14. 9. 2016 - 7 Sa 523/15

  • Die Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters bewirkt, dass der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG wegen Uneinbringlichkeit zu berichtigen (erste Berichtigung) ist. Eine nachfolgende Vereinnahmung des Entgelts durch den sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalter führt gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrags und begründet eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO.

    BFH, Beschl. v. 6. 9. 2016 - V B 52/16

  • Der Auskunftsanspruch und das Einsichtsrecht des Insolvenzverwalters nach § 16 Abs. 1 und Abs. 3 NDSG wurzeln nicht im Abgabenverhältnis des Steuerschuldners zum Finanzamt, da es weder um die Verwaltung von Abgaben noch um die Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften durch die Finanzbehörden geht, sondern stehen eigenständig neben den Bestimmungen der AO. Für diese Auskunftsansprüche ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

    OVG Niedersachsen, Beschl. v. 14. 11. 2016 - 11 OB 234/16

  • Auf eine Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, welche auch der Wechsel von einer Feststellungs- zu einer Leistungsklage darstellt, findet § 533 ZPO keine Anwendung.

    Hat ein Dritter eine Erfüllungsbürgschaft für die vertraglichen Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter übernommen, haftet er im Falle der Kündigung des Insolvenzverwalters über das Vermögen des Mietersnach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht für Schadensersatzansprüche des Vermieters nach § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO. Hat der Vermieter die Möglichkeit, durch eine fristlose Kündigung das Mietverhältnis zu beenden, bevor die Kündigungsfrist für die Kündigung des Insolvenzverwalters abgelaufen ist, werden Schadensersatzansprüche wieder auf vertragliche Grundlagen gestellt und die Haftung des Bürgen erhalten.


    OLGRostock, Urt. v. 25. 2. 2016 - 3 U 73/12

  • Ein lediglich vorübergehender Aufenthalt in Deutschland genügt zur Begründung des jeweiligen Ortes als Wohnsitz des Schuldners nicht und begründet für das dortige Insolvenzgericht auch nicht die für einen Eröffnungsantrag notwendige örtliche und/oder internationale Zuständigkeit.

    AG Düsseldorf, Beschl. v. 9. 6. 2016 - 513 IK 175/15

  • Mangels einer entsprechenden Vorschrift im GmbHG richtet sich die Bestellung eines Notgeschäftsführers für eine GmbH nach § 29 BGB. Ein solcher ist daher zu bestellen, wenn ein erforderlicher Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall vorliegt.

    Die unklare Vertretungslage einer Gesellschaft rechtfertigt die Beurteilung, dass ihr ein Geschäftsführer im Rechtssinne fehlt.

    Dringlich ist die Bestellung eines Notgeschäftsführers bereits dann, wenn eine GmbH in Dauerschuldverhältnissen steht.


    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8. 6. 2016 - I-3 Wx 302/15

  • In die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Sachwalters sind nur dann mit Sicherungsrechten belastete Vermögenswerte einzubeziehen, wenn diese durch den Sachwalter verwertet worden sind.

    Die Fortführung des Geschäftsbetriebs liegt bereits in der Natur einer Eigenverwaltung. Die während dieser Zeit anfallende Prüfung der Rentabilitäts- und Liquiditätssituation ist im Hinblick auf § 274 Abs. 3 InsO originäre Aufgabe des Sachwalters.

    Die Gewährung eines Zuschlags für eine Betriebsfortführung ist nicht grds. ausgeschlossen. Dabei sind jedoch auch eine vorzeitige Aufhebung sowie eine Anrechnung der Vergütung als vorläufiger Sachwalter aus dem Eröffnungsverfahren als mögliche Abschlagsfaktoren nach § 3 Abs. 2 InsVV in die Bestimmung eines Gesamtzuschlags einzubeziehen.


    AG Dortmund, Beschl. v. 5. 12. 2016 - 259 IN 13/14

  • Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a InsO setzt voraus, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt des Zustandekommens des maßgeblichen Abfindungsvergleichs insolvenzreif gewesen ist und die Geschäftsführung ihre Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags schuldhaft verletzt hat.

    Leidet das Vorbringen des klagenden Arbeitnehmers an unauflösbaren inneren Widersprüchen hinsichtlich des Zeitpunkts der Insolvenzreife der Schuldnerin, fehlt es an einem schlüssigen Sachvortrag zu den Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung.

    Stellt eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, dass sie richtig ist.

    Der Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung ist auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet; ersatzfähig sind nur Schäden, die durch die Insolvenzreife der Gesellschaft verursacht worden sind.

    Ist der Arbeitnehmer so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er den maßgeblichen Abfindungsvergleich nicht abgeschlossen hätte, hätte er keinen Anspruch auf eine Abfindung erworben; ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch geht daher ins Leere.


    LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 4. 8. 2016 - 5 Sa 155/16

  • BGH, Urteil vom 15. Dezember 2016 - IX ZR 117/16

    Haben die Parteien eines Werkvertrages vereinbart, dass die Fälligkeit des Werklohns von der Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Sozialkassen und der Bauberufsgenossenschaft abhängen soll, ist diese Vereinbarung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bauunternehmers für den Verwalter bindend.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO setzt voraus, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt des Zustandekommens des maßgeblichen Abfindungsvergleichs insolvenzreif gewesen ist und die Geschäftsführung ihre Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags schuldhaft verletzt hat.

    Leidet das Vorbringen des klagenden Arbeitnehmers an unauflösbaren inneren Widersprüchen hinsichtlich des Zeitpunkts der Insolvenzreife der Schuldnerin, fehlt es an einem schlüssigen Sachvortrag zu den Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung.

    Stellt eine Partei mehrere einander widersprechende Behauptungen auf, ohne den Widerspruch zu erläutern, kann von keiner dieser Behauptungen angenommen werden, dass sie richtig ist.

    Der Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung ist auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet; ersatzfähig sind nur Schäden, die durch die Insolvenzreife der Gesellschaft verursacht worden sind.

    Ist der Arbeitnehmer so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er den maßgeblichen Abfindungsvergleich nicht abgeschlossen hätte, hätte er keinen Anspruch auf eine Abfindung erworben; ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch geht daher ins Leere.


    LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 4. 8. 2016 - 5 Sa 155/16

  • Angesichts des grundsätzlichen Vorranges der "Deckungsanfechtung" gegenüber der "Schenkungsanfechtung" (BGH, Urt. v. 4.2.2016 - IX ZR 42/14, ZInsO 2016, 572 Rn. 12; v. 16.11.2007 - IX ZR 194/04, ZInsO 2008, 106 Rn. 23 f.) scheidet jedenfalls bei Bedürftigkeit nur der Masse des "Schenkungsanfechters" die Gewährung von PKH für diesen und seine "Schenkunganfechtung" aus.

    Eine Erklärung des Deckungsanfechtungsberechtigten, die streitgegenständlichen Zahlungen nicht anzufechten, ist für die PKH-Gewährung des Schenkungsanfechtungsberechtigten nicht erheblich. Denn mit dieser Erklärung soll das Prozesskostenrisiko für die beabsichtigte Rechtsverfolgung auf die Allgemeinheit in Gestalt der Staatskasse abgewälzt werden. Dies ist mutwillig und widerspricht dem Zweck der PKH als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung.


    LG Dresden, Beschl. v. 27. 10. 2016 - 10 O 1109/16

  • Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat ein Insolvenzverwalter nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes, insbesondere nach Maßgabe der §§ 3 ff. IFG, gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Anspruch ist nicht durch § 1 Abs. 3 IFG ausgeschlossen. Die Ablehnungsgründe des § 3 Nr. 4 und Nr. 6 IFG NRW greifen gegenüber einem Insolvenzverwalter nicht ein. Dem Anspruch stehen auch weder der Schutz personenbezogener Daten gem. § 5 IFG noch das Sozialgeheimnis nach § 35 SGB I, § 67 SGB X entgegen.

    VG Köln, Urt. v. 1. 12. 2016 - 13 K 2824/15

  • Zwischen Schwestergesellschaften besteht auch unter Berücksichtigung des Unionsrechts keine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

    Die Organschaft entfällt spätestens mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt für die Organgesellschaft.

    Der Grundsatz von Treu und Glauben wie auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes stehen einer Forderungsanmeldung von Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren einer GmbH nicht entgegen, wenn die GmbH bei einer zunächst unzutreffend bejahten Organschaft, bei der sie rechtsfehlerhaft als Organgesellschaft angesehen wurde, die tatsächlich von ihr als Steuerschuldner geschuldete Umsatzsteuer von dem vermeintlichen Organträger vereinnahmt hat.


    BFH, Urt. v. 24. 8. 2016 - V R 36/15

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