Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1.
    Wer einen Auftrag zur Durchführung von Renovierungsarbeiten erteilt, muss in der Lage sein, die Werklohnforderung bei Fälligkeit zu bezahlen. Verfügt der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht über die dafür notwendigen finanziellen Mittel und kann er sie sich später auch nicht beschaffen, macht er sich eines Eingehungsbetruges schuldig.
    2.
    Zinsen und Kosten, die im Zusammenhang mit einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung entstehen, nehmen grundsätzlich an der Restschuldbefreiung teil und fallen daher nicht unter § 302 Nr. 1 InsO.

    KG, Urt. v. 21. 11. 2008 - 7 U 47/08

  • 1.
    Die in der Krise der Insolvenzschuldnerin aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Lohnansprüche unterfallen nicht dem insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbot.
    2.
    Die Anträge der Arbeitnehmer auf Insolvenzgeld sind integraler Bestandteil des öffentlich-rechtlich geregelten Schicksals von Lohnansprüchen im Fall der Arbeitgeberinsolvenz und keine der Anfechtung unterliegende Rechtshandlungen.

    LG Neuruppin, Urt. v. 9. 1. 2009 - 3 O 374/07

  • Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer im Krankheitsurlaub nicht berechtigt ist, während eines Zeitraums, der in die Zeit des Krankheitsurlaubs fällt, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen.
    2.
    Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.
    3.
    Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Für die Berechnung der entsprechenden finanziellen Vergütung ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, maßgebend.

    EuGH (Große Kammer), Urt. v. 20. 1. 2009 - C-350/06

  • 1.
    Betreibt die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung noch ein geöffnetes Ladengeschäft, so ist das Insolvenzgericht für diesen Standort i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO als Gericht des wirtschaftlichen Mittelpunktes auch dann zuständig, wenn Verwaltungs- und Steuerungsmaßnahmen aus dem Büro des anderweitig sitzenden Liquidators behauptet werden.
    2.
    Eine versuchte Sitzverlegung mit gleichzeitiger Anordnung der Liquidation bei weiterhin betriebenem Ladenlokal am ursprünglichen Ort des Sitzes einer juristischen Person gibt dem Insolvenzgericht Veranlassung, seine Zuständigkeit gem. § 5 Abs.1 InsO von Amts wegen besonders aufmerksam zu prüfen, damit Gläubigerrechte nicht beeinträchtigt werden.

    AG Hamburg, Beschl. v. 18. 12. 2008 - 67c IN 389/08

  • 1.
    Gem. § 19 Abs. 1 InsVV sind nur auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.1.2004 eröffnet wurden, die Vorschriften der InsVV in der alten Fassung weiter anwendbar.
    2.
    Die deutliche Unterscheidung zwischen Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiung verbietet eine weite Auslegung des Begriffs des "Insolvenzverfahrens" i.S.d. § 19 Abs. 1 InsVV

    LG Memmingen, Beschl. v. 2. 10. 2008 - 4 T 1336/08

  • Dem Betriebsrat im Entleiherbetrieb steht ein Mitbestimmungsrecht bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern nicht zu. Der entleihende Arbeitgeber trifft keine Entscheidung über die Eingruppierung der Leiharbeitnehmer, an der der in seinem Betrieb gewählte Betriebsrat gemäß § 99 I BetrVG i.V.m. § 14 III AÜG zu beteiligen wäre.

    BAG, Beschl. v. 17. 6. 2008 - 1 ABR 39/07

  • 1.
    Wenn die Gesamtzusage einer Leistung an die gesamte Belegschaft eines Betriebes nur unter dem Vorbehalt des Eintritts einer bestimmten Bedingung erfolgt, kann sie nicht einseitig
    widerrufen werden, wenn diese Bedingung nicht eingetreten ist.
    2.
    Die aus einer Gesamtzusage gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer erwachsene Verpflichtung geht bei einem Betriebsübergang nach § 613a I 1 auf den Erwerber über.

    BAG, Urt. v. 4. 6. 2008 - 4 AZR 421/07

  • 1.
    Die Sittenwidrigkeit einer Vergütungsabrede gem. § 138 Abs. 1 und 2 BGB ist bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben. Ein derartiges Missverhältnis ist regelmäßig anzunehmen, wenn die gezahlte Vergütung weniger als 2/3 der Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs beträgt, sofern in dem Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird.
    2.
    Dienstleistungsunternehmen, die einen so genannten drittbezogenen Personaleinsatz am Markt anbieten (hier: Warenverräumung in Einzelhandelsunternehmen), können nicht generell als eigener Wirtschaftszweig angesehen werden. Wenn bei solchen Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer ausschließlich in Betrieben eines bestimmten Wirtschaftszweiges eingesetzt werden, ist die dort übliche Vergütung heranzuziehen.
    3.
    Haben die Arbeitsvertragsparteien keine Nettovergütungsabrede getroffen, so ist die vertraglich vereinbarte Vergütung brutto mit der üblichen Bruttovergütung zu vergleichen. Dies gilt auch bei einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gem. § 8 SGB IV.
    4.
    Neben der Arbeitsvergütung bezogene Sozialleistungen sind für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Höhe der Vergütung irrelevant.

    LAG Bremen, Urt. v. 28. 8. 2008 - 3 Sa 69/08

  • 1.
    Eine der AGB-Kontrolle unterliegende Vereinbarung, nach der durch den (arbeitsvertraglich vereinbarten) Wochen-/Monatslohn alle anfallende Mehrarbeit abgegolten ist, ist unwirksam, weil der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, in welcher Höhe er Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung hat (Verstoß gegen Transparenzgebot, § 307 I 2 BGB). Der Inhalt des Vertrags richtet sich in diesem Fall nach den gesetzlichen Vorschriften.
    2.
    § 612 II BGB gilt auch, wenn eine Vergütungsvereinbarung unwirksam ist (BAG, Urteil vom 28.09.1994- 4 AZR 619/93, NZA 1995, 958). Die tarifvertraglich vorgesehene Vergütung für Mehrarbeit ist nicht die übliche Vergütung im Sinne von § 612 II BGB, wenn der Arbeitgeber auch mit vergleichbaren Arbeitnehmern Pauschallohnvereinbarungen abgeschlossen hat. Sofern keine Tarifverträge angewendet werden, entspricht vielmehr die Fortzahlung der vereinbarten Vergütung bei Leistung von Mehrarbeit der Üblichkeit. In einem solchen Fall besteht kein Anspruch auf tarifvertragliche Zuschläge für Mehrarbeit.


    LAG Düsseldorf, Urt. v. 11. 7. 2008 - 9 Sa 1958/07

  • 1.
    Die Unterrichtung über einen Betriebsübergang ist fehlerhaft und setzt den Lauf der Widerspruchsfrist gemäß § 613a VI BGB nicht in Gang, wenn über die haftungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs nicht unterrichtet worden ist.
    2.
    Das Risiko der nicht laufenden Widerspruchsfrist muss der Arbeitgeber, der zur ordnungsgemäßen Unterrichtung verpflichtet ist, unabhängig davon, ob ihm die Fehlerhaftigkeit bekannt ist, tragen. Schließlich hat der Arbeitgeber es in der Hand, die Unterrichtung ordnungsgemäß zu erteilen.
    3.
    Auf den Tatbestand der Verwirkung kann sich nur derjenige berufen, der aufgrund bestimmter vom Berechtigten gesetzter Umstände selbst das Vertrauen gebildet hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Insofern ist eine subjektive Komponente auf Seiten des Vertrauenden erforderlich, die nicht durch die Kenntnis eines Dritten - zum Beispiel des Erwerbers -von dem Umstandsmoment ersetzt werden kann.
    4.
    Läuft die Widerspruchsfrist wegen einer fehlerhaften Unterrichtung nicht, so kann in der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gegen eine vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung kein konkludenter Verzicht des Arbeitnehmers auf die Ausübung des Widerspruchsrechts gesehen werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer keine Kenntnis von einem noch bestehenden Widerspruchsrecht hat.
    5.
    Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit einem dritten Arbeitgeber kann eine geeignete Maßnahme darstellen, den Vorwurf des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs zu vermeiden, ohne dass darin gleichzeitig ein Verzicht auf das Widerspruchsrecht zu sehen ist. Ob die Ausübung des Widerspruchsrechts in solchen Fällen rechtsmissbräuchlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

    LAG Düsseldorf, Urt. v. 30. 4. 2008 - 7 Sa 586/07

  • 1.
    Schließt der Arbeitnehmer in Kenntnis seines (noch) bestehenden Widerspruchsrechts einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber, so kann darin unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine abschließende Erklärung des Arbeitnehmers gesehen werden, mit der er analog § 144 BGB den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber bestätigt. In einem solchen Fall ist die spätere Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen.
    2.
    Da eine Bestätigungserklärung im Sinne von § 144 BGB formfrei und nicht empfangsbedürftig ist, braucht sie nicht gegenüber dem Betriebsveräußerer erklärt zu werden.
    3.
    Nutzt ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von zwölf Monaten in Kenntnis eines (noch) bestehenden Widerspruchsrechts die Vorteile einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme, die vom Betriebsveräußerer mitfinanziert wird, kann sein Widerspruch unmittelbar nach Beendigung der Maßnahme unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch rechtsmissbräuchlich sein.

    LAG Düsseldorf, Urt. v. 30. 4. 2008 - 7 Sa 1119/07

  • Ein vollstreckbares gerichtliches Urteil eines schweizerischen Gerichts oder ein ge-setzliches Surrogat eines solchen Urteils stellt eine vollstreckbare Entscheidung im Sinne des Art. 31 Abs. 1 Luganer Übereinkommen dar, ohne dass in der Schweiz der Betreibungsweg beschritten und das Verfahren der definitiven Rechtsöffnung durch-geführt werden muss.

    BGH, Beschl. vom 22. Januar 2009 - IX ZB 42/06

  • Hat das Insolvenzgericht, sachverständig beraten, den antragstellenden Gläu-
    biger dahin beschieden, es werde den Antrag ablehnen, weil die Masse voraus-
    sichtlich nicht ausreiche, die Kosten des Verfahrens zu decken, der Gläubiger
    könne dies aber durch Leistung eines Kostenvorschusses abwenden, kann dem
    Gläubiger wegen des von ihm daraufhin erbrachten Vorschusses ein Ersatzan-
    spruch auch dann zustehen, wenn das Insolvenzgericht verfahrensfehlerhaft die
    tatsächlichen Grundlagen seiner Prognoseentscheidung nicht hinreichend er-
    mittelt hatte.

    BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - IX ZR 56/08 - LG Bochum - AG Recklinghausen


  • BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 - IX ZR 237/07 -

    Eine vor Insolvenzeröffnung von dem Schuldner an einen Nichtberechtigten erbrachte Leistung kann nach Insolvenzeröffnung von dem Berechtigten genehmigt werden, um bei dem Nichtberechtigten Rückgriff zu nehmen.

    OLG Frankfurt am Main


    LG Frankfurt am Main

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Auf die Vorabentscheidungsvorlage des Bundesgerichtshofs hin erkennt der Europäische Gerichtshof, dass Art. 3 Abs. 1 EuInsVO so auszulegen ist, dass die Gerichte des Staates der Insolvenzeröffnung für Anfechtungsklagen gegen Anfechtungsgegner aus einem anderen Mitgliedstaat zuständig sind.

    EuGH, Urteil vom 12.02.2009

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ein Steuerberater, dem lediglich ein eingeschränktes Mandat erteilt ist, muss den Mandanten auch vor außerhalb seines Auftrags liegenden steuerlichen Fehlentscheidungen warnen, wenn sie ihm bekannt oder für einen durchschnittlichen Berater auf den ersten Blick ersichtlich sind, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sich der Auftraggeber der ihm drohenden Nachteile nicht bewusst ist.


    Es gilt der Anscheinsbeweis, dass der Mandant bei ordnungsgemäßer Belehrung durch den Berater dessen Hinweisen gefolgt wäre, sofern für ihn bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht nur eine Entscheidung nahe gelegen hätte.

    BGH, Urt. v. 18. 12. 2008 - IX ZR 12/05
    Vorinstanzen: OLG München, LG München

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