Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1. Der Mietzinsanspruch entsteht durch den Vertragsschluss und die tatsächliche Überlassung der Mietsache zum Anfangstermin des jeweiligen Zeitraumes.

    2. Für die Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit kommt es nicht auf die Frage an, wann der Anspruch fällig geworden ist, sondern nur auf die Entstehung des Anspruchs.

    AG Berlin-Tempelhof, Urt. v. 2. 2. 2012 - 16 C 316/11

  • 1. Wird bei der Unterrichtung über einen Betriebsübergang durch Verschweigen bestimmter Umstände ein falscher und für die Abgabe des Widerspruchs bedeutsamer Eindruck erweckt, kann dies zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB berechtigen.

    2. Die Zurückweisung eines einseitigen Rechtsgeschäfts nach § 174 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die Zurückweisung gerade wegen der nicht vorgelegten Vollmachtsurkunde erfolgt.

    BAG, Urt. v. 15. 12. 2011 - 8 AZR 220/11

  • 1. Das brasilianische Sanierungsverfahren ist ein Insolvenzverfahren im Sinne des § 343 Abs. 1 InsO.

    2. Nach brasilianischem Recht müssen alle Gläubiger in einem Sanierungsverfahren ihre Forderungen anmelden.

    3. Ist ein ausländisches Insolvenzverfahren im Inland anzuerkennen, müssen inländische Gläubiger ihre Forderungen im ausländischen Verfahren nach den dort geltenden Formen und Fristen anmelden.

    4. Eine Rechtsverfolgung im Inland ist dann unzulässig.

    LAG Hessen, Urt. v. 4. 8. 2011 - 5 Sa 1548/10

  • Führt der Insolvenzverwalter den Betrieb mit Arbeitnehmern weiter, die das Arbeitsverhältnis beendet haben und in eine Beschäftigungsgesellschaft gewechselt sind, handelt es sich nicht um einen Betriebsübergang, da kein Inhaberwechsel stattfindet. Die von ausgeliehenen Arbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze stellen freie Arbeitsplätze i.S. des Kündigungsschutzrechts dar. Maßgeblich ist, ob der gekündigte Mitarbeiter einen entliehenen Arbeitnehmer ersetzen könnte, oder ob seine bisherige Arbeitsaufgabe entfallen ist und die verbliebenen Aufgaben nicht von ihm ausgefüllt werden können.

    LAG Köln, Urt. v. 27. 6. 2011 - 2 Sa 1369/10

  • 1. Aufgrund der Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO muss der Arbeitnehmer substanziiert darlegen und beweisen, weshalb sein Arbeitsplatz trotz der Betriebsänderung (hier: Personalabbau) noch vorhanden ist oder wo er sonst im Betrieb oder Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann.

    2. Die Anforderungen an die Mitteilungspflichten im Rahmen der Betriebsratsanhörung sind subjektiv determiniert, d.h. der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die von ihm für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände mitteilen. Einer näheren Darlegung der Kündigungsgründe bedarf es dann nicht, wenn der Betriebsrat bei Einleitung des Anhörungsverfahrens aufgrund der mit dem Arbeitgeber geführten Interessenausgleichsverhandlungen bereits über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, um zu der konkret beabsichtigten Kündigung eine sachgerechte Stellungnahme abgeben zu können.

    LAG SchlH, Urt. v. 28. 4. 2011 - 5 Sa 587/10

  • Ein gegenüber dem Finanzamt geltend gemachter Informationsanspruch des Insolvenzverwalters, der anschließend einen Anfechtungsanspruch durchsetzen will, wird vom Regelungsbereich der Abgabenordnung nicht umfasst. Ein Anspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW ist demnach nicht nach § 4 Abs. 2 S. 1 IFG NRW ausgeschlossen.

    Beschluss des 7. Senats vom 14.05.2012 - BVerwG 7 B 53.11

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 206/11

    Der Schuldner gerät nicht mit der Erfüllung des Insolvenzplans in Rückstand, wenn die nicht erfüllte Forderung nicht zur Tabelle festgestellt worden und keine Entscheidung des Insolvenzgerichts über die vorläufige Berücksichtigung der Forderung ergangen ist.

    Die nicht festgestellte und nicht nach Maßgabe des Insolvenzplans erfüllte Forderung lebt nicht dadurch wieder auf, dass der Schuldner innerhalb der ihm gesetzten Nachfrist keine Entscheidung des Insolvenzgerichts über die vorläufige Berücksichtigung der Forderung beantragt.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • AG Heidelberg, Urt. v. 30. 1. 2012 – 29 C 429/11 / rechtskräftig

    Der Gläubiger kann seine, mit Umsatzsteuer behaftete Forderung in der Insolvenz des Schuldners nur netto, also um den Umsatzsteueranteil gekürzt im Insolvenzverfahren geltend machen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11


    Der Gesellschafter und der Geschäftsführer können in den Schutzbereich eines zwischen einer GmbH und einem Steuerberater geschlossenen Vertrages einbezogen sein, welcher die Prüfung einer möglichen Insolvenzreife der GmbH zum Gegenstand hat.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • 1. Hat der Schuldner ein Grundstück anfechtbar übertragen, hat der Anfechtungsgegner dieses an den Insolvenzschuldner rückaufzulassen und dessen Wiedereintragung im Grundbuch zu bewilligen. Infolge der Anfechtung ist das Grundbuch jedoch nicht unrichtig, vielmehr bleibt die eingetragene Verfügung wirksam und es besteht kein Berichtigungsanspruch entsprechend § 894 BGB, § 22 GBO.

    2. Gem. § 22 Abs. 1 GrEStG darf die Eintragung ins Grundbuch erst dann durchgeführt werden, wenn eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt oder eine Bestätigung des Finanzamts eingereicht wird, dass steuerliche Bedenken der Eintragung nicht entgegenstehen.

    KG, Beschl. v. 26. 4. 2012 - 1 W 96/12

  • 1. Pfändung und Überweisung einer Forderung einerseits und die Zahlung durch den Drittschuldner andererseits sind selbstständige Rechtshandlungen.

    2. Die Pfändung einer künftigen Forderung ist unter anfechtungsrechtlichen Gesichtspunkten erst mit der Anspruchsentstehung bewirkt. Zu welchem Zeitpunkt der Drittschuldner daraufhin an den Pfändungsgläubiger zahlt, ist unerheblich.

    OLG Koblenz, Urt. v. 7. 3. 2012 - 5 U 1077/11

  • Der Umstand, dass ein später insolvent gewordener Schuldner auf einen rechtskräftigen Titel nicht sofort gezahlt, sondern die Forderung in drei Raten an den Gerichtsvollzieher beglichen hat, genügt für sich genommen regelmäßig nicht den Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Denn einen Erfahrungssatz dahingehend, dass einem Schuldner, der eine Forderung in drei Raten an den Gerichtsvollzieher zahlt, die Zahlungsunfähigkeit droht, gibt es nicht. Vielmehr sind für eine Gesamtbetrachtung weitere tatsächliche Umstände erforderlich, um von einer Kenntnis des Gläubigers i.S.d. § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ausgehen zu können.

    LG Stuttgart, Urt. v. 30. 5. 2012 - 13 S 200/11

  • 1. Die Exekutionssperre des § 206 Abs. 1 österreichische Insolvenzordnung (IO) während des sog. Abschöpfungsverfahrens ist bei einer Zwangsvollstreckung eines Insolvenzgläubigers in Deutschland nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 lit. k EuInsVO (Verordnung Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000) zu beachten.

    2. Die Exekutionssperre nach § 206 Abs. 1 österreichische IO verbietet einem Insolvenzgläubiger die Einzelzwangsvollstreckung in das insolvenzfreie Vermögen.

    3. Das Vollstreckungsgericht darf nur die formelle, aber nicht die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Vollmacht eines Vertreters, der eine notarielle Unterwerfungserklärung nach § 794 Absatz 1 Nr. 5 ZPO abgegeben hat, prüfen.

    AG Augsburg, Beschl. v. 26. 3. 2012 - 1 M 14615/11

  • 1. Wird bei der Unterrichtung über einen Betriebsübergang durch Verschweigen bestimmter Umstände ein falscher und für die Abgabe des Widerspruchs bedeutsamer Eindruck erweckt, kann dies zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB berechtigen.

    2. Die Zurückweisung eines einseitigen Rechtsgeschäfts nach § 174 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die Zurückweisung gerade wegen der nicht vorgelegten Vollmachtsurkunde erfolgt.

    BAG, Urt. v. 15. 12. 2011 - 8 AZR 220/11

  • Der Anspruch des GmbH-Gesellschafters auf Mietzinszahlung unterfällt grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich des § 39 I Nr. 5, III InsO.

    (= Nutzungsüberlassung stellt keine eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung mehr dar.)

    OLG Schleswig, Urt. v. 13. 1. 2012 − 4 U 57/11

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Stellt ein Schuldner einen Scheck aus und übergibt diesen einem anwesenden und vollstreckungsbereiten Vollziehungsbeamten, so beruht die durch Einlösung des Schecks erfolgte Zahlung auch dann auf einer Rechtshandlung des Schuldners, wenn der Vollziehungsbeamte ohne die Ausstellung des Schecks erfolgreich in das sonstige Vermögen des Schuldners vollstreckt hätte.

    BGH, Urt. v. 14.06.2012 - IX ZR 145/09

  • AG Göttingen: Beschluss vom 04.07.2012 - 74 IN 63-12

    1. Auch bei einem Eigenantrag des Schuldners ist grundsätzlich Voraussetzung für eine Eröffnung des Verfahrens, dass die Verbindlichkeit(en) fällig sind.

    2. Eine Ausnahme gilt, wenn der Schuldner sich in einem Besserungsschein zur Herausgabe jedweden zukünftigen pfändbaren Vermögenserwerbs verpflichtet und der Gläubiger dafür auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet.

  • AG Göttingen: Beschluss vom 27.06.2012 - 74 IN 179-01

    1. Auch in vor dem 01.12.2001 eröffneten Insolvenzverfahren ("Altverfahren") ist der Schuldner mit einem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung (hier: nach dem Berichtstermin) nur präkludiert, wenn er ordnungsgemäß belehrt worden ist. Erforderlich ist u. a ein eindeutiger Hinweis, dass bei Fristversäumung ein erneuter Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung auf Jahrzehnte hinaus ausgeschlossen sein kann.

    2. Die Regelung in Art. Art. 103a EGInsO, dass in "Altverfahren" die Laufzeit der Abtretungserklärung weiterhin erst mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt, ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass zum jetzigen Zeitpunkt in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zu "asymetrischen" Verfahren ein Anspruch auf Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gem. § 300 InsO besteht.

  • Ist streitig, ob der Rechtsgrund für eine ursprüngliche Zahlung aufgrund einer Insolvenzanfechtung entfallen ist, hat das FG ein Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides auszusetzen, bis der zivilrechtliche Streit auf Erfüllung des insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruchs entschieden wurde.
      
    FG Münster BESCHLUSS vom 26.04.2012 - 14 K 3276/11 AO

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!