Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Sächsisches Finanzgericht v. 12.8.2009, 8 K 1002/09:

    1. Die Prüfung der Anfechtungsvoraussetzungen stellt bereits für sich ein berechtigtes Interesse an einer Einsicht in die Vollstreckungsakten des Finanzamts durch den Insolvenzverwalter dar.

    2. Die Feststellung von Anfechtungsvoraussetzungen kann dazu einen steuerlichen Bezug haben, so dass auch hier ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht besteht.

    3. Ein berechtiges Interesse an der Akteneinsicht kann auch dann bestehen, wenn das Finanzamt zwar den Schuldner über alle Vollstreckungsmaßnahmen unterrichtet hat, diese Informationen aber verloren gegangen und dem Insolvenzverwalter nicht mehr zugänglich sind.

    4. Das Finanzamt ist zur Information des Schuldners bzw. des Insolvenzverwalters über alle Vollstreckungsmaßnahmen ohne Vorbedingung verpflichtet, also unabhängig davon, ob genaue Pfändungsmaßnahmen benannt werden können.

    5. Der Anspruch auf Akteneinsicht/Auskunftsanspruch besteht, wenn dem Grunde nach feststeht, dass die Anfechtung gegeben ist.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung ist unzulässig, wenn er innerhalb von drei Jahren nach rechtskräftiger Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung seiner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten gestellt worden ist. Eine Stundung der Verfahrenskosten für einen solchen Antrag scheidet aus.

    BGH, Beschluss vom 16.07.2009 - IX ZB 219/08

    (Anmerkung: Einführung einer 3-Jahres-Sperrfrist für neue Anträge nach vorheriger Versagung gem. §§ 289 Abs. 1 Satz 2, 290 Abs. 1 Nr. 5)

  • 1. Eine Vorsatzanfechtung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Schuldner zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch keine Gläubiger hatte.
    2. Tatsachen, aus denen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Vorsatzanfechtung gefolgert werden können, begründen keine Vermutung, sondern stellen nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar.

    BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06

  • EuGH
    Urteil vom 10.09.2009
    C-292/08

    1. Art. 25 II der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die dort verwendete Formulierung "soweit jenes Übereinkommen anwendbar ist" bedeutet, dass die Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen erst dann in Bezug auf andere als die in Art. 25 I der Verordnung Nr. 1346/2000 genannten Entscheidungen für anwendbar erklärt werden können, wenn zuvor geprüft wurde, ob diese Entscheidungen nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 ausgeschlossen sind.

    2. Die in Art. 1 II lit. b der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehene Ausnahme i. V. mit Art. 7 I der Verordnung Nr. 1346/2000 ist unter Berücksichtigung des Art. 4 II lit. b der letztgenannten Verordnung dahin auszulegen, dass sie nicht auf eine auf einen Eigentumsvorbehalt gestützte Klage eines Verkäufers gegen einen in Konkurs geratenen Käufer anwendbar ist, wenn sich die vom Eigentumsvorbehalt erfasste Sache zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Käufers im Mitgliedstaat der Verfahrenseröffnung befindet.

  • OLG Celle Urteil vom 08.09.2009 8 U 46/09


    1. Eine in Großbritannien außerhalb eines Insolvenzverfahrens zwischen einem Versicherungsunternehmen und bestimmten Gruppen seiner Versicherungsnehmer getroffene vergleichsplanrechtliche Regelung, sog. "Scheme of Arrangement", ist im Inland weder nach § 343 InsO noch nach Art. 32 ff. EuGVVO oder § 328 ZPO anzuerkennen.

    2. Macht der Versicherungsnehmer Schadensersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen behaupteter Aufklärungspflichtverletzungen des Versicherers zur Höhe erzielbarer Erträge geltend und verlangt er das negative Interesse (Rückzahlung der Einlagen und Verzinsung bei anderweitiger Anlage), so gilt hierfür die fünfjährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG a. F. als Sonderregelung zu den §§ 195, 199 BGB.


  • LG Bonn
    Beschluss vom 25.08.2009
    6 T 234, 235/09

    1. Zu Fragen der Rechtzeitigkeit des Restschuldbefreiungsantrages, insbesondere bei nochmaliger Fristsetzung.
    2. Zur Frage der Rechtspflegerzuständigkeit zur Entscheidung über die Rechtzeitigkeit des Restschuldbefreiungsantrages, wenn der Rechtspfleger eine im Eröffnungsverfahren vom Richter gesetzte Frist für unerheblich hält.

  • 1.
    Der saarländische Landesgesetzgeber hat auf eine dem § 12 GewO entsprechende Regelung im Saarländischen Architekten- und Ingenieurkammergesetz verzichtet. Daher kommt eine analoge Anwendung des § 12 GewO nicht in Betracht. § 12 GewO ist auch nicht kraft Bundesrechts auf das Berufsrecht der saarländischen Architekten anwendbar.
    2.
    Die analoge Anwendung oder Nichtanwendung einer Norm des Bundesrechts im Bereich des Landesrechts ist nicht revisibel.

    BVerwG, Beschl. 17. 3. 2008 - BVerwG 6 B 7.08

  • 1.
    Der Anspruch auf Auszahlung der dem Betroffenen nach Feststellung seiner Opfereigenschaft nach Art. 41 EMRK zuerkannten gerechten Entschädigung ist gemäß § 366 BGB nicht übertragbar und unterliegt gemäß § 851 Abs. 1 ZPO nicht der Pfändung. Im Falle der Insolvenz des Betroffenen ist dieser Anspruch deshalb an den Gemeinschuldner selbst und nicht zur Insolvenzmasse zu erfüllen.
    2.
    Für den Fall, dass die Nichterfüllung einer dem Betroffenen von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte rechtskräftig zuerkannten Entschädigungsforderung geltend gemacht wird, ist für die Durchsetzung des Anspruchs eine Leistungsklage des Betroffenen vor den deutschen Gerichten zulässig.
    Orientierungssatz:
    Eine "gerechte Entschädigung" im Sinne von Art. 41 EMRK gehört im Falle der Insolvenz des Betroffenen nicht zu der Insolvenzmasse.

    KG, Urt. v. 20. 8. 2009 - 22 U 81/08

  • Vereinbart ein Schuldner mit einer Zwischenperson, diese solle für ihn fällige Zahlungen entrichten, bewirkt allein die Mittelbarkeit dieser Zahlung i.d.R. eine inkongruente Deckung. Es stellt eine nicht verkehrsübliche Zahlungsweise dar, wenn ein Dritter nicht an den Schuldner, sondern auf dessen Anweisung an einen seiner Gläubiger leistet.

    LG Hannover, Urt. v. 25. 5. 2009 - 20 S 36/08

  • 1.
    Ist ein Gläubiger wegen Interessenkollision befangen, kommt ein Stimmrechtsausschluss entsprechend § 77 InsO wegen "Befangenheit" in Betracht.
    2.
    Eine Befangenheit liegt vor, wenn ein Gläubiger den Insolvenzverwalter ein für die Masse günstiges Erwerbsgeschäft (hier: Ersteigerung eines Grundstückes im Verkehrswert von 43.000 € für 5.000 €) zurück abwickeln lassen will.


    AG Göttingen, Beschl. v. 28. 7. 2009 - 71 IN 151/07

  • 1.
    Verletzt der Gründungsprüfer bei Umwandlung einer GmbH in eine AG vorsätzlich seine Pflicht, kommt die Haftungsbeschränkung des § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht zum Tragen.
    2.
    Der Schadensersatzanspruch gem. § 323 HGB ist nicht lediglich auf den Umfang des Grundkapitals gerichtet, sondern auf die Beseitigung negativen Reinvermögens.
    3.
    Unterzeichnet ein im Wirtschaftsrecht bewanderter Aufsichtsrat, der bei Umwandlung einer GmbH in eine AG rechtsberatend tätig ist, einen wahrheitswidrigen Gründungsbericht, ist seine Einlassung, er habe über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft keine Kenntnis gehabt, nicht geeignet, ihn gemäß §§ 48 Satz 2, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG zu exkulpieren.

    LG Berlin, Urt. v. 30. 1. 2009 - 100a O 7/07

  • Auf Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit begleitendem Zustimmungsvorbehalt begründet wurden, kann die Vorschrift nicht schon deswegen analog angewendet werden, weil die Insolvenzgerichte derzeit sehr viel häufiger in solcher Weise vorläufige Insolvenzverwalter bestellen als ein allgemeines Verfügungsverbot zu erlassen. Darin allein liegt keine Umgehung des § 55 Abs. 2 InsO.

    FG Baden-Württemberg , Urt. v. 27. 5. 2009 - 1 K 105/06

  • Das Urlaubsgeld nach Ziff. 93 des MTV für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz vom 17. März 1992 ist keine vom Urlaubsanspruch unabhängige Sonderzahlung, sondern nur zusammen mit der Urlaubsvergütung oder der Urlaubsabgeltung zu gewähren.

    BAG, Urt. v. 19. 5. 2009 - 9 AZR 477/07

  • 1.
    Das Kündigungsschutzgesetz schützt gegen Änderungen des Arbeitsvertrags, die der Arbeitgeber einseitig vornimmt, nicht jedoch gegen Änderungen der Arbeitszeit und/oder der Höhe des Arbeitsentgelts durch tarifliche Regelungen.
    2.
    Tarifvertragliche Arbeitszeit- und Entgeltregelungen unterliegen nur sehr eingeschränkt einer gerichtlichen Überprüfung. Sie sind nur in Ausnahmefällen zu beanstanden, etwa wenn sie auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der von dem jeweiligen Tarifvertrag erfassten Beschäftigungsbetriebe und der dort zu verrichtenden Tätigkeiten gegen elementare Gerechtigkeitsanforderungen aus den Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG verstoßen.


    BAG, Urt. v. 28. 5. 2009 - 6 AZR 144/08

  • 1.
    Ein Beschäftigungsverhältnis endet nicht ohne Weiteres mit dem Ende der tatsächlichen Beschäftigung, wenn über die Wirksamkeit der Kündigung ein Kündigungsschutzprozess geführt wird.
    2.
    Wird die Kündigung für unwirksam erklärt, so hat sich der Arbeitgeber (sofern der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft angeboten hat) für die zurückliegende Zeit hinsichtlich der Arbeitsleistung des Versicherten in Annahmeverzug, hinsichtlich der Zahlung des Arbeitsentgelts im Leistungsverzug befunden; dasselbe gilt, wenn im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses durch Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt festgelegt wird, der nach dem Ende der tatsächlichen Beschäftigung liegt.
    3.
    Der Annahmeverzug des Arbeitgebers hindert nicht den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses. Auch während des Kündigungsprozesses wird das Arbeitsentgelt zu den gewöhnlichen Zahltagen fällig, wenn sich der Arbeitgeber bzgl. der Arbeitsleistung in Annahmeverzug befindet.

    LSG Baden-Württemberg , Urt. v. 27. 3. 2009 - L 4 KR 1833/07

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