Wegzug der Betreuten/Abgabe des Verfahrens trotz Vorlage eines Antrags

  • Ein Notariat -Nachlassgericht- in Baden-Württemberg. Es besteht umfassende Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt. Die Betreuerin ist Berufsbetreuerin.

    Die Betreute ist eigenmächtig aus ihrer Mietwohnung ausgezogen und hat den Mietvertrag gekündigt. Sie gibt an, sich in der Wohnung nicht mehr wohlzufühlen. Ausserdem sei Sie dort mehrfach vergewaltigt worden. Das Schreiben der Betreuten ist allerdings mehr als wirr, so dass der Wahrheitsgehalt vorsichtig zu bewerten ist. Sie hat eine Mietwohnung in einem anderen Busndesland angemietet und ist dorthin gezogen.

    Nachdem der neue Vermieter von der Betreuerin über alles unterrichtet wurde, besteht er auf die Aufhebung des Mietvertrags und Auszug der Betreuten, was die Betreute nicht möchte.

    Die Betreuerin stellt einen Antrag auf betreuungsgerichtliche Genemigung zur Kündigung des früheren Mietvertrags, obwohl sie mit dem Umzug der Betreuten nicht einverstanden war und ist.

    M.E. muss die Betreuerin im Rahmen des Aufenthaltbestimmungsrechts dafür sorgen, dass die Betreute in Ihre alte Wohnung zurückkehrt und dem früheren Vermieter die Unwirksamkeit der Kündigung anzeigen.
    1) Wie seht Ihr das?

    Die Betreute beantragt in ihrem vorgenannten (wirren) Schreiben die Aufhebung der Betreuung bzw. die Entlassung der Betreuerin. Hier frage ich mich, ob ich auf dieses Schreiben überhaupt (förmlich) reagieren muss.
    2) Was denkt Ihr?

    Generell stellt sich die Frage (je nach Beantwortung der ersten Frage) ob das Verfahren nicht sofort (nach erfolgten Anhörungen) abgegeben werden kann oder ob erst noch über die vorliegenden Anträge entschieden werden muss.
    3) Wie denkt Ihr hierüber?

  • Zu 1)
    Das Mietverhältnis dürfte wegen des EV fortbestehen. Aber: wie soll die Betreuerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht durchsetzen, wenn die Betroffene nicht freiwillig zurückgeht. Ist sie nicht sogar verpflichtet, dem Willen der Betroffenen zu Folgen, wenn sie ihr beim "Folgen" nicht schadet? Wegen des EV ist auch das neue Mietverhältnis unwirksam, es sei denn die Betreuerin willigt ein. Vielleicht besteht auch hier eine Verpflichtung der Betreuerin, dem Willen der Betroffenen zu Folgen, es sei denn, es würde der Betroffenen schaden.

    zu 2)
    die Betroffene ist verfahrensfähig. Deshalb ist ihr Antrag auf Aufhebung der Betreuung bzw. Entlassung der bisherigen Betreuerin zu bearbeiten und formell zu entscheiden. Ggf. wäre sogar ein Verfahrenspfleger zu bestellen.

    zu 3)
    die Betroffene hat doch ihren Aufenthaltsort verlegt. In den anhängigen Verfahren ist die Betroffene persönlich durch den entscheidenden Richter bzw. Rechtspfleger anzuhören. Es liegt m.E. somit ein sofortiger Abgabegrund an das Gericht am Aufenthaltsort vor. Die Akte muss aber i.Ü. abgabereif sein (keine sonstigen rückständigen Anträge).

  • zu 1.

    Hier wirkt die Kraft des Faktischen. Natürlich kann die Betreuerin versuchen, die Betroffene zur Rückkehr zu bewegen, aber was passiert, wenn diese dem nicht Folge leisten möchte?

    Natürlich könnte sich die Betreuerin auf eine eventuell fehlende Geschäftsfähigkeit der Betroffenen und damit die Unwirksamkeit der Kündigung berufen. Aber ob das im Interesse der Betroffenen ist? Letztlich würde es ja dazu führen, dass die Betroffene für die "alte" Wohnung weiter Miete zahlt, ohne diese zu nutzen.


    zu 2.

    Natürlich, weshalb nicht? :gruebel:


    zu 3.

    Eigentlich bietet sich eine sofortige Abgabe an, wenn du davon ausgehst, dass dem Antrag der Betreuerin zu entsprechen sein wird. Der Betreuerin ist aber hoffentlich klar, dass nicht die Kündigung der Betroffenen nachträglich genehmigt wird, sondern eine Genehmigung für eine zukünftige Kündigung durch die Betreuerin erteilt wird. Besser wäre natürlich der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Vermieter.

    Falls du allerdings davon ausgehst, dass die Betroffene wieder in die alte Wohnung zurückkehren muss, verbietet sich eine Abgabe des Verfahrens selbstredend.

  • zu 3)
    die Betroffene hat doch ihren Aufenthaltsort verlegt. In den anhängigen Verfahren ist die Betroffene persönlich durch den entscheidenden Richter bzw. Rechtspfleger anzuhören. Es liegt m.E. somit ein sofortiger Abgabegrund an das Gericht am Aufenthaltsort vor. Die Akte muss aber i.Ü. abgabereif sein (keine sonstigen rückständigen Anträge).

    Würdest Du das Verfahren ohne vorherige Anhörung der Betroffenen und der Betreuerin abgeben?

  • zu 3)
    die Betroffene hat doch ihren Aufenthaltsort verlegt. In den anhängigen Verfahren ist die Betroffene persönlich durch den entscheidenden Richter bzw. Rechtspfleger anzuhören. Es liegt m.E. somit ein sofortiger Abgabegrund an das Gericht am Aufenthaltsort vor. Die Akte muss aber i.Ü. abgabereif sein (keine sonstigen rückständigen Anträge).

    Würdest Du das Verfahren ohne vorherige Anhörung der Betroffenen und der Betreuerin abgeben?

    Ich höre immer an. Steht auch schon im GG. Schreiben an Betroffene und Betreuerin, dass im Rahmen der Verfahren persönlich anzuhören ist und deshalb das Verfahren an das Gericht am Ort des Aufenthalts abgegeben wird. Kurze Frist zur Äußerung. Ich schreibe auch das neue Gericht unter Mitteilung des Sachverhalts kurz an und bitte um Mitteilung der Übernahmebereitschaft. Manchmal werden dann vorab die Akten zur Einsicht angefordert.

  • Mittlerweile habe ich die Anhörung gem. § 4 Satz 2 FamFG eingeleitet. Die Anhörungsfristen laufen noch.

    Die Betreuerin hat mitgeteilt, dass sie mit der Abgabe des Verfahrens einverstanden ist. Gleichzeitig stellt sie einen Vergütungsantrag.

    Würdet Ihr diese Vergütung noch festsetzen oder den offenen Antrag mit dem Verfahren an des übernehmende Gericht abgeben?

  • Wenn Du noch keine Abgabeentscheidung getroffen hast -weil die Fristen noch laufen-, wirst Du wohl oder übel über den vorliegenden Antrag noch entscheiden müssen. Die Akte muss in einem abgabereifen Zustand sein, d.h. alle Entscheidungen, über die entschieden werden kann, müssen getroffen sein.

    Unschädlich ist nach der mir bekannten Rechtsprechnung der Obergerichte nur, wenn z.B. ein Vermögensverzeichnis, ein Jahresbericht oder eine Rechnungslegung, die zwar schon fällig und auch schon angemahnt ist, noch nicht vorliegt. In diesem Fall muss mit der Verfahrensabgabe nicht abgewartet werden, bis die "säumige Leistung" des Betreuers vorliegt und über diese "entschieden" ist.

    Zu deinem Fall:
    Wer zahlt die Vergütung? Der Betroffene oder der Staat?

    Im ersten Fall würde ich anhören und festsetzen und dann abgeben.
    Im zweiten Fall würde ich festsetzen und dann abgeben.

  • Unschädlich ist nach der mir bekannten Rechtsprechnung der Obergerichte nur, wenn z.B. ein Vermögensverzeichnis, ein Jahresbericht oder eine Rechnungslegung, die zwar schon fällig und auch schon angemahnt ist, noch nicht vorliegt. In diesem Fall muss mit der Verfahrensabgabe nicht abgewartet werden, bis die "säumige Leistung" des Betreuers vorliegt und über diese "entschieden" ist.

    Hast du dazu eine konkrete Entscheidung?
    Genau so eine Fall habe ich jetzt nämlich.

  • Einmal hier (Kammergericht, Beschluss vom 6. 10. 2011 - 1 AR 13/11) und darin enthalten weitere Verweise.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!