1,8 Millionen wirksam ausgeschlagen - Antrag nach § 1666 BGB durch Jugendamt

  • Hallo,

    der Erblasser hat zuerst seine Ehefrau und dann sich erschossen.
    Eine eingesetzte Nachlasspflegerin kommt zu dem Ergebnis, dass
    der Nettonachlass ca. 1,8 Millionen € beträgt.
    In den Nachlass fallen viele Grundstücke, auch im Ausland.

    Alle bisher berufenen Erben haben aus ethischen Gründen ausgeschlagen.

    In meinem Fall hat die zunächst berufene Mutter für sich ausgeschlagen
    und dann zusammen mit ihrem Ehemann für die gemeinsamen Kinder (6 und 8 Jahre alt).

    Die Ausschlagung ist daher wirksam, da keine Genehmigung erforderlich ist.

    Das Nachlassgericht hat daraufhin hier Maßnahmen nach § 1666 BGB angeregt.

    Die Eltern trage vor, dass ein finanzielles Risiko der Überschuldung vorliegt,
    da die Werthaltigkeit der Immobilien nicht sicher sei.

    Desweiteren werden wiederum die ethischen Gründe vorgetragen. Es bestand
    kein Kontakt zu dem Erblasser und hinsichtlich der Herkunft der Vermögenswerte
    bestehen erhebliche moralische Zweifel (Waffenhandel...).
    Die Kinder sollen auch nicht mit dem erweiterten Suizid und damit belastet
    werden, dass die ermordete Ehefrau eine Tochter aus einer früheren Beziehung
    hinterließ, welche jedoch nicht erbberechtigt ist.
    Desweiteren wird die Problematik gesehen, dass sich evtl. eine große
    Erbengemeinschaft auseinandersetzen muss.

    Hinsichtlich des sehr großen Nachlasswerts wird vorgetragen, dass es der
    Familie finanziell sehr, sehr gut gehen und die Kinder bereits sehr große
    Vermögenswerte habe und auch in Zukunft auf das Geld nicht angewiesen
    sind.

    Das Jugendamt beantragt die teilweise Entziehung der Vermögenssorge
    hinsichtlich der Nachlassache.

    Wie ist denn Eure Einschätzung zu dem Sachverhalt?

    Benötige ich für das Verfahren nach § 1666 BGB gegen die Eltern einen
    Ergänzungspfleger für die Kinder oder reicht mir das Jugendamt?

  • Warin soll denn eine mögliche Vermögensgefährdung in der Zukunft begründet liegen?

    Maßnahmen nach §§ 1666, 1667 BGB sind weder als Strafe gedacht, noch können sie hier etwas an der bereits wirksam erfolgten Ausschlagung ändern. Daher kommt ein Einschreiten nur in Betracht, wenn das FamG zu der Einschätzung gelangt, dass das Kindesvermögen zukünftig durch ein Fehlverhalten der Eltern gefährdet wird. Das kann ich hier nicht erkennen.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Abgesehen davon ist den Kindern auch kein Vermögensschaden entstanden - die Mutter hätte ja auch genauso gut das Erbe für sich selbst annehmen können. Weiterhin haben die Eltern gute Gründe für die Erbausschlagung vorgetragen.

    Für einen Entzug der Vermögenssorge (oder Teile davon) sehe ich keinen Raum.

    Und wenn es sich zudem noch um "blutiges" Geld handelt, könnte ich mir sogar vorstellen, das dies - auch wenn hier nicht der Fall - sogar als Grund für die Erteilung einer familiengerichtlichen Genehmigung gelten könnte.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Schon mal vielen, vielen Dank für Eure Antworten.
    Tendiere momentan auch eher dazu nicht zu entziehen.
    Ich werde voraussichtlich jedoch eine anfechtbare Entscheidung
    machen müssen.

    Würdet ihr in dem Verfahren zur "weiteren" Interessenvertretung
    der Kinder in dem Verfahren nach § 1666 BGB einen "Verfahrensergänzungspfleger"
    oder ggf. analog § 158 FamFG einen Beistand (ich weiß, geht in Vermögensangelegenheiten
    eigentlich nicht, daher analog) bestellen?

    Einmal editiert, zuletzt von CaroH (18. Juni 2014 um 14:33)

  • Wer will denn hier was anfechten?

    Ich würde keinen Ergänzungspfleger oder Verfahrensbeistand bestellen, da es ein Verfahren nach §§ 1666, 1667 BGB bei mir nicht gäbe. Nach Prüfung des dargestellten Sachverhalts würde ich nur vermerken, dass ein Einschreiten des FamG nicht angezeigt erscheint, da eine - zukünftige - Vermögensgefährdung alles andere als erkennbar ist und zudem selbst die - wirksame - Ausschlagung durchaus im Interesse der Kinder liegen kann.

    Ulf

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    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Das sehe ich wie Ulf. Will das Jugendamt ggf. anfechten ?

    Angesichts des umfangreichen Vortrages zu den Gründen für die Erbausschlagung würde ich einen entsprechenden Vermerk machen, warum ich hier keine Notwendigkeit für ein Einschreiten nach § 1666 BGB sehe und das JA hierüber informieren.

  • auch ich würde hier nichts veranlassen.....
    Nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber hier keine Genehmigungspflicht für die Eltern normiert.
    Man kann persönlich anderer Auffassung sein, hat hier aber die elterliche Entscheidung zu respektieren. Ich habe hier eine ganz aktuelle Entscheidung
    meines OLG vorliegen in der es feststellt:
    .... bei der Ausübung des Wächteramtes ist der Staat nicht befugt, für eine bestmögliche Förderung des Kindes zu sorgen, dem Kind Idealeltern und optimale Bedingungen... zu verschaffen
    nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigen den Staat, gegen den Willen der Eltern diese auszuschließen und selbst zu handeln......... dabei ist in Kauf zu nehmen, dass Kinder durch das Verhalten der Eltern Nachteile erleiden....

  • Ich glaubs ja nicht... Ich habe genau DEN Fall gerade auf dem Tisch und wollte ein Thema starten! :daumenrau:daumenrau:daumenrau

  • Ob die Erbausschlagung eine Dummheit war, sei dahingestellt. Entscheidend ist alleine, ob die Erbausschlagung vermuten lässt, dass die Eltern ganz allgemein nicht für die Vermögenssorge geeignet sind. Das wird man nach dem Vorbringen der Eltern nicht annehmen können.

  • Möchte mich - auch wenn ich nicht Themenstarter war - bei allen Postern bedanken, ihr habt auch mir sehr geholfen! :daumenrau Habe nun einen recht ausführlichen Aktenvermerk geschrieben, welchen die Themenstarterin evtl. auch gebrauchen kann, falls sie eine ablehnende Entscheidung verfassen möchte:

    Vermerk

    Zu prüfen sind eventuelle Maßnahmen bei Gefährdung des Kindesvermögens nach § 1666 BGB.

    Eine Gefährdung liegt vor, wenn nach dem Umständen des Einzelfalls eine erhebliche Schädigung des bestehenden Kindesvermögens durch dessen Verminderung oder den Ausfall von Erträgen, die sich nach den Grundsatz einer ordnungsmäßen Vermögensverwaltung verhindern ließen, droht (vgl. Palandt, Rn. 23 zu § 1666 BGB). Ersteres trifft nicht zu.Im letzteren Fall müsste die Gefährdung entweder gegenwärtig (MünchenerKommentar zum BGB, Rn. 125 zu § 1666 BGB) oder zukünftig sein. Die Ausschlagungder Kindeseltern für das Kind (zeitlich nach der Ausschlagung der Kindesmutter für sich selbst) ist nicht genehmigungspflichtig und entfaltet somit bereits Wirksamkeit. Eine gegenwärtige Gefährdung liegt somit nicht vor. Eine unzureichende oder gar schädigende Vermögensverwaltung in der Vergangenheit erfüllt den Gefahrbegriff außerdem ebenso wenig wie die bloße Möglichkeit einer künftigen Vermögensgefährdung (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, Rn. 126 zu §1666 BGB, 6. Auflage). Maßnahmen nach § 1666 BGB haben nicht die Funktion einer„Sanktion“. Ein Einschreiten nach § 1666 BGB käme somit nur in Betracht, wenn eine zukünftige Gefährdung des Kindesvermögens zu befürchten wäre. Dies ist nicht zu befürchten. Eine wichtige Aufgabe der Eltern besteht darin, zwischen Sicherheits- und Gewinninteressen abzuwägen (Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rn. 121 zu §1666), dem sind die Kindeseltern durch ihre im Schreiben vom _____________geschilderten umfassenden Überlegungen vor Erbausschlagungen nachgekommen.

    Im Rahmen der §§ 1666, 1666a BGB ist außerdem stets zu beachten, dass kein Kind Anspruch auf "Idealeltern"und optimale Förderung hat und sich die staatlichen Eingriffe auf die Abwehr von Gefahren beschränken (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juli 2013, Az. 2 UF227/12). Diese liegen nicht vor.

    Hinzu kommen persönliche Aspekte,die Grund für die Ausschlagung waren. Dem Erbfall liegt ein Fall vonhäuslicher Gewalt zugrunde, im Rahmen dessen der Erblasser zunächst seine Ehefrau und anschließend sich selbst erschoss.

    Hinsichtlich des Ursprungs des Vermögens bestehen außerdem moralische Zweifel.

  • zu diesem fall habe ich folgende Frage, hat sich der Ehemann nicht erbunwürdig verhalten und war damit nicht erbfähig?

    Dann wäre doch die Seite des Ehemannes, der ja nachverstorben ist auch garnicht erbberechtigt, sondern die einmal oben angesprochene Tochter der Frau.

    Ich bin Nachlasspflegerin und würde das gerne wissen.

  • Verfahrensrechtlich stellt sich schon die Frage, ob ein Vertreter für das Kind bestellt werden sollte.

    Auch wenn das Gericht keine (gegenwärtige oder zukünftige) Kindeswohlgefährung annimmt und dieses dem anregenden Jugendamt gemäß § 24 Abs.2 FamFG mitteilt, könnte das Kind doch ganz anderer Meinung sein! Zumindest bei einer "Entscheidung" des Rechtspflegers, kein Verfahren einzuleiten, dürfte die Erinnerung gegeben sein.

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