Neuer Betreuter hat überschuldeten Nachlass geerbt

  • Ich habe einen neuen Betreuten. Wärend des ersten Gespräches bekomme ich nach und nach mehrere Erkenntnisse heraus.

    1. Betroffener befindet sich selbst im Restschuldbefreiungsverfahren. - Wohlverhaltensphase dauert noch ca. 3 Jahre
    2. Mutter ist vor etwa einem halben Jahr gestorben.
    3. Mein Betreuter war zu diesem Zeitpunkt häufig im Krankenhaus und war mit der Situation überfordert.
    4. Seine Geschwister haben ausgeschlagen, er selbst hat die Frist versäumt. Er ist somit Alleinerbe eines überschuldeten Nachlasses.


    Nun zu den Fragen:

    1. Kann ich ein Nachlass-Inso-Verfahren anstrengen?
    2. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Braucht es ebenfalls einen gescheiterten Gläubigervergleich?
    3. Könnte die Überschuldung ohne Nachlass-Inso Einfluss auf seine eigene Restschuldbefreiung haben?
    4. Die Überschuldung war meinem Betreuten bereits lange bekannt, denn er hatte mit seiner Mutter in einem Haushalt gelebt. Anfechtung der Annahme scheidet wohl aus?!?


    Danke für die Hilfe bereits im Voraus.

  • Zu 1.) : Ja; aber anstelle von "Kann" würde ich eher in Richtung "Muss" tendieren.

    Zu 4.) : Ja

    Für den Rest könnten sich hier mal Inso-Leute verirren.

  • zu 4):
    Was sagt denn das Betreuungsgutachten zur Erkrankung des Betroffenen aus? Sind Gründe erkennbar, die für eine Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt des Todes der Mutter (oder gar früher) sprechen? Im Zweifel würde ich als Betreuer sicherheitshalber ausschlagen und anfechten nach dem Motto: sicher ist sicher, und wenns nichts taugt, schadet es auch nichts.

  • Wie Voltaire :daumenrau.
    Danach erstmal abwarten, ob sich überhaupt Gläubiger der Mutter beim Betroffenen melden.

    Was manche Leute (mit Absicht?:gruebel:) übersehen: Der Betroffene darf bei einer Ausschlagung keine Gegenstände aus dem Nachlass entnehmen. Bei gemeinsamen Haushaltsgegenständen dürfte das keinen stören, Werthaltiges darf er aber nicht behalten (Schmuck, evtl. Guthaben auf dem Konto). Weitere Verfügungen über den Nachlass sind nicht gestattet (z.B. ein Girokonto der Mutter kündigen), das darf man nur, wenn man die Erbschaft angenommen hat. Wenn Du Dich für eine Ausschlagung entscheidest, darfst Du also nicht den Nachlass der Mutter abwickeln.

    Fragen Sie im Zweifel Ihren freundlichen Betreuungsrechtspfleger. :D

    * Was schert´s die Eiche, wenn das Schwein sich an ihr reibt! *

  • Das halte ich für eine verkürzte Darstellungsweise der Beratungspflicht.
    Allenfalls gegenüber Vereinsbetreuern u. Berufsbetreuern dürfte eine Beratungspflicht niedriger anzusetzen sein.

    Mit der Stellung als gesetzl. Vertreter sind die rechtlichen Probleme des Betreuten auch die des Betreuers.

  • Ich habe mich als Inso-RPfl tatsächlich hierher "verirrt" und versuche mal, Fragen 2 und 3 zu beantworten.

    zu 2: eine Nachlassinsolvenz ist immer ein Regelinsolvenzverfahren. Ein vorheriger Einigungsversuch mit den Gläubigern ist nicht notwendig. Für das Regelinsolvenzverfahren herrscht kein Vordruckzwang, da aber z.B. Vermögensübersicht und Gläubigerverzeichnis (des Nachlasses) benötigt werden, ist es ratsam, vorher beim zuständigen Insolvenzgericht anzufragen. Vielleicht gibt es da entsprechende Vordrucke, die man nutzen kann. Zudem sollte auch PKH beantragt werden (keine Stundung, da der Betreute als Antragsteller, nicht Schuldner, auftritt).

    zu 3: Der Erbfall ist erst in der WVP, also weit nach Eröffnung eingetreten. Es handelt sich daher bei den ererbten Schulden um Neuverbindlichkeiten. Diese haben auf das Insolvenzverfahren, das eben nur die bei Eröffnung bestehenden Schulden betrifft, keine Auswirkung (Auch wenn es Intention des Gesetzgebers war, dass ein Insolvenzschuldner keine neuen Schulden mehr macht, hat sich das nicht im Gesetz, z.B. als Versagungsgrund, niedergeschlagen).

    quidquid agis prudenter agas et respice finem. (Was immer Du tust, tue klug und bedenke das Ende.) :akten

  • Rechtsberatung für Betreuer??

    Ich denke, gegen die "rechtliche Begleitung" des Betreuers ist im Zweifel wenig einzuwenden.

    Meine Erfahrung zeigt aber, dass viele Betreuer (auch langjährige Berufsbetreuer) mit entsprechenden Rückfragen folgendes erreichen wollen:

    "Wie würden Sie entscheiden?"

    Eine Beantwortung dieser Frage steht mir, zumindest in meiner Funktion als Betreuungsrichter bzw. Betreuungsrechtspfleger, nicht zu. Ich werde eine solche Frage deshalb auch nie beantworten, sondern antworten: "Entscheiden müssen Sie".

    Wenn eine Genehmigung der Entscheidung des Betreuers erforderlich ist, werde ich im Rahmen des Verfahrens die Genehmigungsfähigkeit prüfen und die Genehmigung erteilen oder nicht. Ist aber keine Genehmigung der Entscheidung des Betreuers erforderlich, steht mir eigentlich kein Einwirken auf die Betreuerentscheidung zu, sofern ich nicht über § 1837 BGB eingreifen muss, was bei vielen Rückfragen von Betreuern aber -egal wie sie entscheiden- nicht geboten ist.

  • Offenbar habe ich ein anderes Bild von der Beratungspflicht.
    Hier wird so getan , wie wenn es den Wortlaut des § 1837 BGB überhaupt nicht gäbe.
    Und das kann - jedenfalls für ehrenamtliche Betreuer - so nicht stehen bleiben.

    Selbstverständlich muss eine Beratung

    1.) für das Gericht zumutbar sein und
    2.) darf bei der Beratung die Grenze zwischen Rechts- und Fachaufsicht nicht überschritten werden.

  • Offenbar habe ich ein anderes Bild von der Beratungspflicht.
    Hier wird so getan , wie wenn es den Wortlaut des § 1837 BGB überhaupt nicht gäbe.
    Und das kann - jedenfalls für ehrenamtliche Betreuer - so nicht stehen bleiben.

    Selbstverständlich muss eine Beratung

    1.) für das Gericht zumutbar sein und
    2.) darf bei der Beratung die Grenze zwischen Rechts- und Fachaufsicht nicht überschritten werden.

    Beratung durch das Gericht oder Entscheidung durch das Gericht?

    Wie gesagt: Viele meiner Betreuer fragen: "Wie würden Sie entscheiden?"

    Ich weise auf die Rechtslage hin und überlasse dem Betreuer die -hoffentlich richtige- Entscheidung. Ich sage dem Betroffenen aber nicht: "Nimm den Anlagevorschlag 1 und lass die Finger von 2".

    Auch nicht beim ehrenamtlichen Betreuer.

  • Nur klarstellend :
    Beratung und nicht Entscheidung.

    Woher Du gegenteiliges entnehmen willst, bleibt mir ein Rätsel , zumal ich darauf hingewiesen habe , dass die Fachaufsicht nicht beim Gericht liegt, sondern nur die Rechtsaufsicht.

  • Nur klarstellend :
    Beratung und nicht Entscheidung.

    Woher Du gegenteiliges entnehmen willst, bleibt mir ein Rätsel , zumal ich darauf hingewiesen habe , dass die Fachaufsicht nicht beim Gericht liegt, sondern nur die Rechtsaufsicht.

    Dann sind wir derselben Auffassung :)

  • Ich sehe die Frage vor allem unter dem Aspekt, dass ein Rechtspfleger einen Insolvenzverwalter oder Nachlasspfleger auch nicht darüber beraten würde, wie dieser die auftretenden rechtlichen Probleme lösen soll.

    Auch Insolvenzverwalter fragen gelegentlich nach, wie wir dieses oder jenes sehen. Nach § 58 InsO gibt es an sich nur Beaufsichtigung, aber keine Beratung. Da würde ich mich nie darauf zurückziehen, dass ich sage "machen Sie mal, ich sage/schreibe Ihnen dann später, ob ich das richtig fand oder nicht". Wir sind da sehr offen eingestellt, ich weiß aber durchaus, dass das andernorts auch anders sein kann und sich auf "Beaufsichtigung" zurückgezogen wird (und man sich dann sogar als Insolvenzverwalter überlegen muss, ob man irgendwas beantragt oder besser nicht).

    Hinsichtlich der Ausgangsfrage ergänzend zu #9:

    Der von betreuerwichtel angesprochene Punkt "man darf in der Insolvenz keine neuen Schulden machen" ist eine Fehlinterpretation, die sich verselbständigt hat. Das kann im eröffneten Insolvenzverfahren ein Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung sein (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO). In der WVP sind versagungsrelevant nur Verstöße gegen § 295 InsO versagungsrelevant (§ 296 InsO).

    Selbst wenn sich bei einem Betreuten ein solcher Sachverhalt im eröffneten Insolvenzverfahren ereignen würde, dürfte es unter einzelfallbedingter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes in der Regel am Merkmal "grobe Fahrlässigkeit" für den o.a. Versagungstatbestand fehlen.

  • Vielen Dank für die vielen Hinweise. Nun habe ich erst einmal einen Weg, den ich unter die Füße zu kriegen habe.

    Nur noch einen Hinweis, weil es weiter oben angeklungen ist. Das mit der Ausschlagung / Anfechtung wegen Geschäftsunfähigkeit des Betreuten ist m.E. leider nicht. Das Gutachten sagt nichts in dieser Hinsicht aus. Es gibt auch keinen Einwilligungsvorbehalt. Und ein Mensch mit Epilepsie ist wohl als geschäftsfähig anzusehen.

    Die Nachlassakte muss ich mir erst einmal noch vornehmen, um zu sehen, ob sich Gläubiger gemeldet haben.

    Vornehmen muss ich mir auch noch die Geschwister. Eventuell haben die persönliche Sachen der Mutter. Dann heißt es entweder rausrücken oder die Erbschaft gilt als angenommen und die Ausschlagung war nicht wirksam.

    Na dann, viel zu tun und wenig Zeit.

  • Die Nachlassakte muss ich mir erst einmal noch vornehmen, um zu sehen, ob sich Gläubiger gemeldet haben.

    Das solltest Du, wenn Nachlassinsolvenz beantragt werden soll, ohnehin tun, da Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung des Nachlasses (§ 320 InsO) im Antrag schlüssig dargestellt werden sollte, um Beanstandungen zu vermeiden.

    Erforderlich ist das auch deshalb, weil durchaus Gläubiger gibt, die nach Kenntnis eines Erben, der nicht (oder sogar: noch nicht) ausgeschlagen hat, diesen massiv unter Druck zu setzen versuchen, damit bezahlt wird.

    Vornehmen muss ich mir auch noch die Geschwister. Eventuell haben die persönliche Sachen der Mutter. Dann heißt es entweder rausrücken oder die Erbschaft gilt als angenommen und die Ausschlagung war nicht wirksam.

    Für ein Nachlassinsolvenzverfahren ist das unerheblich, da jeder Erbe antragsberechtigt ist (§ 317 Abs. 1 InsO).

  • Selbstverständlich muss eine Beratung

    1.) für das Gericht zumutbar sein und
    2.) darf bei der Beratung die Grenze zwischen Rechts- und Fachaufsicht nicht überschritten werden.

    Also ich bespreche auch mit den verschiedensten Rechtspflegern, bei den verschiedensten Gerichten die Fallsituationen der Akten. Ich sehe uns da als Partner in der Akte und selbstverständlich Frage ich nach dem Rechtsverständnis des Rechtspflegers als "Herren/Frau des Verfahrens". Das gerade macht doch die Zusammenarbeit mit den Gerichten aus, wo es klappt. Ich habe auch Gerichte, da wird halt nur geschrieben, was ich als kommunikativer Mensch und Pragmatiker vor dem Herren auch sehr bedaure.

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    "Aufs Beste hoffen, fürs Schlimmste planen" Jack Reacher

  • Noch eine kleine Nachfrage. Der Betreute hatte immer gesagt, dass die Mutter erst vor kurzem gestorben ist. Ich bin davon ausgegangen, dass es nur wenige Monate zurückliegt. Um das Nachlassgericht anschreiben zu können, hat er mir nun auf ausdrückliche Nachfrage das Sterbedatum gesagt. Dies ist der 29.04.2012. Der Todesfall liegt also schon über 2 Jahre zurück.

    Darum die Frage, ob es eine Frist gibt, in welcher eine Nachlass-Inso beantragt werden muss.

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